JudikaturJustiz3Ob184/88

3Ob184/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei W*** D*** Gesellschaft mbH, Mils, Dorfstraße 18, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichteten Parteien 1. T*** Warenhandelsgesellschaft mbH Co KG, und 2. T*** Warenhandelsgesellschaft mbH, beide Wörgl, Brixentalerstraße 61, beide vertreten durch Dr. Anton Waltl und Dr. Peter Krempl, Rechtsanwälte in Zell am See, wegen S 3,000.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 15. Juli 1988, GZ 3 a R 342/88-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 16. Juni 1988, GZ E 2700/88-8, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Umfang der Bewilligung der Aufschiebung der Exekution gegen eine Sicherheitsleistung von S 600.000,-- als rechtskräftig unberührt bleiben, werden aufgehoben, soweit sie die Anordnung einer höheren Sicherheitsleistung betreffen. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung hierüber nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Verfahrens über die Sicherheitsleistung.

Text

Begründung:

Der betreibenden Partei wurde gegen die verpflichteten Parteien auf Grund eines Teilurteils zur Hereinbringung der Forderung von S 3 Millionen sA die Fahrnisexekution bewilligt. Die Exekution wurde am 5. Mai 1988 durch Pfändung einer größeren Anzahl von Fahrnissen vollzogen. Der Gerichtsvollzieher setzte im Pfändungsprotokoll nicht gemäß § 563 Abs. 2 Geo. den Bleistiftwert ein, sondern brachte gemäß § P. 96 Abs. 1 DV den Vermerk "Fachschätzung" an.

Am 19. Mai 1988 beantragten die verpflichteten Parteien die Aufschiebung der Exekution, weil im Titelverfahren über die von ihnen eingewendete Gegenforderung noch nicht entschieden worden sei. Ein Versteigerungstermin war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmt worden.

Das Erstgericht schob "die Exekution" bis zur rechtskräftigen Beendigung des Titelverfahrens gegen Leistung einer Sicherheit von S 3 Millionen auf.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses aller Parteien die Aufschiebung, bestimmte jedoch die zu leistende Sicherheit mit S 600.000,--.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Herabsetzung der Sicherheit gerichtete Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt. Das Erstgericht hat die Exekution rechtskräftig entsprechend dem Antrag der verpflichteten Parteien ohne eine Einschränkung aufgeschoben, also nicht nur für die schon vollzogenen Exekutionsakte, sondern auch für zukünftige Exekutionsakte. Dies ist an sich möglich, wobei hiefür § 43 Abs. 2 EO sinngemäß anzuwenden ist (RZ 1936, 292; EvBl. 1963/11; 3 Ob 107/88 ua). Wird die Exekution auch für zukünftige Exekutionsakte aufgeschoben, ist daher gemäß § 43 Abs. 2 EO für die volle Befriedigung des zu vollstreckenden Anspruches Sicherheit zu leisten. Bei der Fahrnisexekution sind unter zukünftigen Exekutionsakten solche zu verstehen, die zur Pfändung von (weiteren) Fahrnisse führen können, nicht jedoch die Verwertung bereits gepfändeter Gegenstände, weil die Aufschiebung der Verwertung eine notwendige Folge der Aufschiebung der Exekution für die schon vollzogenen Exekutionsakte ist.

Die Sicherheitsleistung soll den Ersatz des Schadens gewährleisten, der dem betreibenden Gläubiger dadurch entstehen kann, daß die Prozeßhandlung, die zur Aufschiebung führt, erfolglos bleibt (Heller-Berger-Stix I 551). Der Schaden kann zum Beispiel durch eine Erhöhung der Forderung des betreibenden Gläubigers infolge des Zinsenlaufes, durch einen Verlust infolge Geldentwertung (vgl. JBl. 1956, 54), bei der Fahrnisexekution außerdem durch eine Minderung des Wertes der Pfandgegenstände (JBl. 1956, 54; SZ 51/48) entstehen.

Wird die Fahrnisexekution sowohl für die bereits vorgenommene Pfändung als auch für einer erst vorzunehmende Pfändung aufgeschoben, so ist für die Höhe der Sicherheit, die in einem solchen Fall für die volle Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu leisten ist, die Höhe der betriebenen Forderung zuzüglich eines Verzögerungsschadens in dem dargestellten Sinn, jedoch abzüglich eines Betrages in der Höhe des für die Pfandgegenstände voraussichtlich zu erzielenden Erlöses maßgebend, weil die Forderung des betreibenden Gläubigers insoweit durch die Pfandgegenstände sichergestellt ist. Sind die Pfandgegenstände schon geschätzt, so kann bei der Ermittlung des voraussichtlichen Erlöses von der Höhe des geringsten Gebotes, also im allgemeinen von der Hälfte des Schätzwertes (§ 277 Abs. 1 iVm § 276 Abs. 1 EO), ausgegangen werden. Sind die Pfandgegenstände noch nicht geschätzt, hat aber der Gerichtsvollzieher im Pfändungsprotokoll gemäß § 563 Abs. 2 Geo. den Bleistiftwert eingesetzt, so kann von diesem Betrag ausgegangen werden. In beiden Fällen kann es geboten sein, den voraussichtlich zu erzielenden Erlös im Hinblick auf eine zu erwartende Wertminderung der Pfandgegenstände geringer anzusetzen, wobei hiefür die Anwendung des § 273 ZPO (§ 78 EO) in Betracht kommt. In dem hier zu entscheidenden Fall ist für die Pfandgegenstände weder ein Schätz- noch ein Bleistiftwert vorhanden. In einem solchen Fall erfordert es § 55 Abs. 2 und 3 EO, wenn bis zum Versteigerungstermin noch ausreichend Zeit zur Verfügung steht, durch geeignete Erhebungen, also vor allem durch Schätzung der Pfandgegenstände, die Grundlagen für die Bestimmung der Sicherheit zu ermitteln. Der Vornahme der Schätzung steht § 275 Abs. 2 EO nicht entgegen, weil es sich dabei um eine lex specialis handelt, die auf den Fall der Bestimmung der Sicherheit nicht anzuwenden ist. Damit ist noch nichts zur Frage gesagt, ob die für die Bestimmung der Sicherheit vorgenommene Schätzung es gemäß § 275 Abs. 3 EO erübrigt, daß der Versteigerung ein Sachverständiger beigezogen wird. Ebensowenig sieht sich der Oberste Gerichtshof veranlaßt, dazu Stellung zu nehmen, wie die Sicherheit zu bestimmen ist, wenn Erhebungen nicht mehr möglich sind, weil die bis zur Versteigerung zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht. Das Erstgericht hatte hier genügend Zeit für solche Erhebungen.

Da somit die für die Bestimmung der Sicherheit notwendigen Feststellungen nicht vorliegen, war dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über die Höhe der Sicherheit nach Ergänzung des Verfahrens aufzutragen. Dabei wird es zu beachten haben, daß gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 EO die verpflichteten Parteien als Antragsteller die für die Bestimmung der Sicherheit maßgebenden Umstände und damit den durch die Versteigerung der Pfandgegenstände voraussichtlich zu erzielenden Erlös zu beweisen haben. Es trifft daher sie die Pflicht, die Kosten einer Schätzung gemäß § 78 EO iVm § 365 ZPO vorzuschießen.

Anzumerken ist, daß die Aufschiebung der Exekution auch nur für die bereits vollzogenen Exekutionsakte begehrt werden kann. In diesem Fall ist bei der Bestimmung der zu leistenden Sicherheit vom Wert der Pfandgegenstände auszugehen, wenn die betriebene Forderung nicht geringer ist (SZ 51/127). Deshalb ist im allgemeinen eine geringere Sicherheit als bei Aufschiebung der gesamten Exekution zu leisten. Es steht den verpflichteten Parteien frei sich mit der Aufschiebung in dem eingeschränkten Umfang zu begnügen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 78 EO iVm § 52 Abs. 1 ZPO.

Rechtssätze
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