JudikaturJustiz3Ob116/02h

3Ob116/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf K*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Daniela K*****, vertreten durch Mag. Michael Gruner und Dr. Robert Pohle, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2001, GZ 45 R 539/01z 23, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13. März 2002, AZ 45 R 539/01z, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 31. Mai 2001, GZ 2 C 7/01p 12, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, den Einwendungen der klagenden Partei gegen die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts vom 30. Mai 2000, AZ 13 E 2522/00a, werde Folge gegeben, und ausgesprochen, dass die gegenständliche Exekution unzulässig und daher einzustellen sei, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.664,08 EUR (darin enthalten 2,91 EUR Barauslagen und 276,86 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.451,13 EUR (darin enthalten 212,05 EUR Barauslagen und 373,18 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Seine Oppositionsklage stützte der Kläger darauf, dass die Beklagte, seine Tochter, bereits selbsterhaltungsfähig sei und ihr daher Unterhalt nicht mehr zustehe. Sie habe eine Ausbildung als Chemieingenieur im Sommer 1998 erfolgreich abgeschlossen (HTL Matura). Beim nunmehr betriebenen Studium der Biologie handle es sich um eine berufliche Zweitausbildung, die besonders schnell und ernsthaft zielstrebig absolviert werden müsste, was bei der Beklagten nicht zutreffe. Unabhängig von einem bereits vorher laufenden Oppositionsverfahren habe die Beklagte, nachdem er in Pension gegangen sei, eine neue Exekution eingebracht.

Erst in der ersten mündlichen Streitverhandlung brachte der Kläger noch vor, er beziehe seit Mai 2000 ein wesentlich geringeres (Pensions )Einkommen von nunmehr etwa 23.000 S monatlich, netto 14 x jährlich.

Die Beklagte erwiderte, sie sei mit ihrem Studium nicht in Verzug. Auch die Matura einer berufsbildenden höheren Schule (im Folgenden BHS) könne nicht als Berufsausbildung gewertet werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der vom Kläger gewählten Formulierung statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger ist der Vater der am 27. Februar 1977 geborenen Beklagten. Mit Vergleich vom 19. Dezember 1991 verpflichtete er sich, ihr ab 1. Jänner 1992 einen Unterhalt von monatlich 6.500 S zu zahlen. Mit Beschluss vom 30. Mai 2000 bewilligte das Erstgericht der Beklagten die Forderungsexekution.

Der Kläger ist seit Mai 2000 in Pension und bezieht seither ein wesentlich geringeres Einkommen als früher, etwa 23.000 S monatlich netto 14 x jährlich. Anlässlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses erhielt der Kläger eine Abfertigung von 400.000 S netto. Diese verbrauchte er fast zur Gänze, und zwar "einerseits" zur Begleichung von Schulden, die anlässlich seiner Scheidung 1988 aufgelaufen waren. Für einen "zum Zweck der Scheidung" aufgenommenen Kredit von 850.000 S musste er monatlich eine Kreditrate von 8.000 S leisten.

Die Beklagte legte im Juni 1998 an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für die chemische Industrie - einer BHS - in Wien die Reifeprüfung ab. Aufgrund dieser Ausbildung könnte sie nach einer dreijährigen Berufspraxis den Titel "Ingenieur" erlangen. Nach der Matura entschloss sie sich, das Studium der Biologie "im Studienzweig Meeresbiologie" im Oktober 1998 zu beginnen. Eine Spezialisierung auf den Studienzweig "Meeresbiologie" ist erst ab dem 2. Studienabschnitt möglich. Für das Studium der Biologie sind zehn Semester Studiendauer gesetzlich vorgesehen, realistischerweise muss mit zwölf Semestern gerechnet werden. Für den 1. Studienabschnitt sind vier Semester, für den 2. Studienabschnitt sechs Semester vorgeschrieben. Die durchschnittliche Studiendauer des 1. Abschnitts beträgt sechs Semester, die gesamte Studiendauer durchschnittlich 15,2 Semester. Die Beklagte hat bisher (im Ersturteil im Einzelnen dargestellte) Prüfungen des 1. Abschnitts erfolgreich abgelegt.

Bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung am 18. April 2001 befand sich die Beklagte im 6. Semester. Es fehlten ihr "insbesondere" noch mehrere Prüfungen aus dem 1. Studienabschnitt der Biologie, und zwar aus Mathematik für Biologen, Einführung in die Ökologie, Einführung in die Paläontologie und Erdwissenschaften, Grundlagen der Genetik, Grundlage der Humanbiologie und über zoologische Grundübungen. Die Beklagte ist mit ihrem Studienfortgang bereits im 1. Abschnitt erheblich in Verzug geraten. Ob sie die noch fehlenden Prüfungen noch bis zur Beendigung des 6. bzw 7. Semesters nachholen kann, ist ziemlich unsicher, aber eher zu bezweifeln. Wegen einer Erkrankung war die Beklagte im Sommersemester 2000 daran gehindert, ihre Studienleistung ordnungsgemäß zu erbringen und daher in diesem Semester nicht in der Lage, die erforderlichen Prüfungen abzulegen. Sie hat aus dem 2. Studienabschnitt bereits Prüfungen vorgezogen. Die Beklagte hat keinen Nebenberuf, fungierte aber in ihren Sommerferien teilweise als Tauchlehrerin. Sie erhält dafür nur ihre Kosten ersetzt.

Die Berufsaussichten für Meeresbiologen sind im Inland nicht "allzu günstig". Die Beklagte beabsichtigt, nach Beendigung ihres Studiums ins Ausland zu gehen und zwar in ein Land, welches an das Meer angrenzt. Nur bei sehr qualifizierten Absolventen sind die Berufsaussichten auf dem Gebiet der Biologie bzw Meeresbiologie als gut zu bezeichnen. Mit durchschnittlichem Studienerfolg ist es auch möglich, in der pharmazeutischen Industrie unterzukommen. Maturanten der von der Beklagten absolvierten Schule haben auf dem aktuellen Arbeitsmarkt gute Beschäftigungsmöglichkeiten und Berufsaussichten.

In rechtlicher Hinsicht billigte das Erstgericht der Beklagten auch nach der HTL Matura einen Anspruch auf eine weiterführende qualifizierte Berufsausbildung, wie ein Hochschulstudium, zu. Voraussetzung sei allerdings, dass dieses Studium ernsthaft und zielstrebig verfolgt werde. Ein geringfügiges Überschreiten der Studiendauer wäre aufgrund der Erkrankung im Sommersemester 2000 noch zu tolerieren. Sie habe aber das Gericht nicht von der geforderten Zielstrebigkeit für ihr Studium überzeugen können. Mit der erforderlichen Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit wäre es ihr auch unter Einbeziehung eines Toleranzsemesters möglich gewesen, eine Studiendauer von fünf Semestern zur Absolvierung des ersten Studienabschnitts einzuhalten. Es handle sich beim Studium um eine berufliche Zweitausbildung, die besonders schnell, ernsthaft und zielstrebig absolviert werden müsste.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass der näher bezeichnete Anspruch der beklagten Partei aus dem Vergleich vom 19. Dezember 1991 erloschen sei.

In rechtlicher Hinsicht stimmte es der Beklagten darin zu, dass es grundsätzlich für die Zubilligung eines Hochschulstudiums nach der Judikatur keine Rolle spiele, ob die Reifeprüfung an einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) oder einer BHS abgelegt worden sei. Die Besonderheit des vorliegenden Falls sei jedoch, dass die Berufsaussichten aufgrund der abgelegten Matura wesentlich günstiger seien als aufgrund des derzeit betriebenen Studiums. Dies könnte allenfalls durch einen überdurchschnittlich guten Studienfortgang der Beklagten wettgemacht werden, der hier aber nicht gegeben sei.

Zwar seien die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Klägers nach wie vor als ausreichend zu bezeichnen, es sei aber zu berücksichtigen, dass bei seinem nunmehr geringeren Pensionseinkommen die Finanzierung eines langdauernden Studiums doch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für ihn darstelle. Somit sei die Beklagte als selbsterhaltungsfähig anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht nachträglich für zulässig erklärte Revision der Beklagten, ist zulässig und berechtigt.

Festzuhalten ist zunächst, dass Gegenstand des Oppositionsprozesses allein die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten ist. Ein teilweises Erlöschen der Unterhaltspflicht aufgrund eines verringerten Einkommens hat der Beklagte in seiner Klage nicht geltend gemacht, sondern nur in anderem Zusammenhang vorgebracht (AS 6), er sei nunmehr in Pension gegangen. Sein ergänzendes Vorbringen über sein vermindertes Einkommen verstößt gegen die Eventualmaxime des § 35 Abs 3 EO. Demnach müssen alle Einwendungen, die der Verpflichtete bei Erhebung der Klage vorzubringen bereits im Stande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden. Bei Klagseinbringung im Dezember 2000 war aber die behauptete Verringerung seines Einkommens bereits längst eingetreten. Demnach kann auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs hier nicht eingegangen werden.

Zu Recht macht die Beklagte in ihrer Revision geltend, dass sie - zumindest in dem maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (vgl Fucik in Rechberger 2 , § 193 ZPO Rz 4) - noch nicht selbsterhaltungsfähig geworden ist. Die gegenteilige Beurteilung der Vorinstanzen steht im Widerspruch zur Rsp des Obersten Gerichtshofs.

Nach stRsp hat der Unterhaltspflichtige zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung seines Kindes beizutragen, wenn dieses die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, es ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Unterhaltspflichtigen nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist; ein den Lebensverhältnissen der Eltern und den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium schiebt somit den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus (Nachweise bei Gitschthaler , Unterhaltsrecht [2001] Rz 273 Z 2 und 3). Die erforderliche Eignung für ein Universitätsstudium wird bereits durch die Reifeprüfung selbst dokumentiert (4 Ob 377/97p = ÖA 1998, 253/= ÖA 1999, 52/= EFSlg 86.748). Wie bereits das Berufungsgericht erkannte, kommt es dabei nicht darauf an, ob das Kind eine AHS oder eine BHS absolvierte (3 Ob 2382/96g = ÖA 1998, 215; 4 Ob 377/97p = [insoweit auch] EFSlg 86.746; weitere Nachweise bei Gitschthaler aaO Rz 371 Z 6). Ausdrücklich für eine Höhere Technische Lehranstalt wurde das bereits in der Entscheidung 3 Ob 1527/90 klargestellt. Jene schlechten Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, wie im Fall der Entscheidung 8 Ob 634/91 = EvBl 1992/73 = ÖA 1992, 56 vorlagen (Einkommen nur etwa 7.000 S), sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, beläuft sich doch selbst das Pensionseinkommen des Klägers auf zumindest 23.000 S 14 x jährlich.

Da die Beklagte ihr Studium im Anschluss an die Absolvierung der Reifeprüfung begonnen hat, kann keine Rede davon sein, dass sie eine Zweitausbildung anstrebe. Auf die vom Erstgericht festgestellten Berufsaussichten kommt es daher für die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht an (vgl 1 Ob 567/84 = ÖA 1985, 22 = EFSlg 21/2).

Auch was die Zielstrebigkeit des Studiums angeht, hat das Berufungsgericht die bereits vorliegende Rsp des Obersten Gerichtshofs unberücksichtigt gelassen. Demnach ist auf § 2 Abs 1 lit b FLAG (nunmehr idF des StrukturanpassungsG 1996) Rücksicht zu nehmen, wonach nunmehr auf die durchschnittliche Studiendauer pro Studienabschnitt abzustellen ist (Nachweise bei Gitschthaler aaO Rz 376). Die Änderung der genannten Bestimmung durch das Bundesgesetz BGBl I 1999/23 ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung.

Bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Studiums ist nur der tatsächliche Studienfortgang ex post zu betrachten. Es kommt nicht darauf an, ob es möglich oder wahrscheinlich ist, dass das Studium oder ein Studienabschnitt in der durchschnittlichen Zeit beendet wird (3 Ob 571, 572/94 = ÖA 1995, 90/; 7 Ob 625/95 = EFSlg 77.880; 3 Ob 123/98x = RZ 1999/21 = ÖA 1999; 3 Ob 254/98v = ÖA 1999, 37); daraus folgt, dass es auf die von den Vorinstanzen angestellte Prognose, ob die Beklagte bis zu einem bestimmten Termin den ersten Studienabschnitt vollendet haben werde, nicht ankommen kann. Somit erlischt der Anspruch auf Unterhalt erst, wenn die durchschnittliche Studiendauer erreicht wird und nicht besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium gerechtfertigt erscheinen lassen (7 Ob 625/95; 3 Ob 254/98v; 6 Ob 186/00x). Ein solcher Grund kann (wie auch nach § 2 Abs 1 lit b FLAG) Krankheit sein.

Wendet man die dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist nach den Feststellungen von einer durchschnittlichen Studiendauer für den 1. Studienabschnitt des Faches Biologie von sechs Semestern auszugehen. Dazu kommt ein weiteres Semester, das der Beklagte aufgrund ihrer Erkrankung im Sommersemester 2000 zuzubilligen ist, welche ihr die Ablegung von Prüfungen in diesem Semester unmöglich machte, wie das Erstgericht (im Berufungsverfahren unbekämpft) festgestellt hat. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten könnte daher ausgehend von den getroffenen Feststellungen erst mit Ablauf des 7. Studiensemesters enden. Dies kann aber, wie dargelegt, erst nach dessen Ablauf beurteilt werden, daher keineswegs in dem vorliegenden Verfahren, in dem der maßgebende Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz in das 6. Studiensemester der Beklagten fiel.

Soweit der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung eine krankheitsbedingte Verlängerung der der Beklagten zuzubilligenden Studiendauer im ersten Studienabschnitt anzweifelt, handelt es sich um unzulässige Neuerungen, auf die nicht einzugehen ist. Das Berufungsgericht hätte auch bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht nach § 473a ZPO vorgehen müssen, weil sich die Beklagte in ihrer Berufung ausdrücklich auf die betreffenden Feststellungen des Erstgerichts berief (6 Ob 1/00s = ecolex 2000, 795 [ Rabl ] = imolex 2000 298 [ Iby ] = MietSlg 52/17; RIS Justiz RS0113745).

Somit ist der Revision der Beklagten Folge zu geben, und das Oppositions Klagebegehren in seiner beantragten Fassung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.

Rechtssätze
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