JudikaturJustiz2Ob89/17b

2Ob89/17b – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon. Prof. Dr.

Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Posch, Schausberger Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. S***** S*****, 2. F***** W*****, und 3. W***** Versicherungs-AG, *****, alle vertreten durch Mag. Dr. A. Michael Dallinger, Rechtsanwalt in Wels, wegen 187.040,19 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. März 2017, GZ 6 R 30/17z 42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Am 18. 9. 2014 ereignete sich um etwa 16:50 Uhr auf der K*****straße in T***** im Freilandgebiet ein Verkehrsunfall, an dem der damals 17 jährige Kläger als Lenker eines Mopeds und der Erstbeklagte als Lenker eines vom Zweitbeklagten gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Mähdreschers beteiligt waren. Dabei erlitt der Kläger schwere Verletzungen.

Das Verschulden des Erstbeklagten ist nicht mehr strittig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob den Kläger ein bei der Verschuldensabwägung zu berücksichtigendes Mitverschulden trifft.

Rechtliche Beurteilung

2. Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (2 Ob 19/12a; 2 Ob 212/13k; RIS Justiz RS0027389, RS0026861). Es entspricht ferner der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass bei weitaus überwiegendem Verschulden des Schädigers ein geringes Mitverschulden des Geschädigten vernachlässigt werden kann (RIS Justiz RS0027202 [T1 und T2]). Die Frage, ob die Voraussetzungen hiefür vorliegen, ist jedoch stets auf den Einzelfall bezogen zu lösen und erfüllt deshalb in der Regel nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0087606 [T7]).

3. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Seine Rechtsansicht, die Überschreitung der beim gebotenen Fahren auf halbe Sicht im Anlassfall höchstens zulässigen Geschwindigkeit von 35 km/h um 5 km/h (das sind 14,3 %) könne gegenüber dem – wenngleich gravierenden – Fehlverhalten des Erstbeklagten nicht gänzlich vernachlässigt werden, weshalb den Kläger ein Mitverschulden von einem Fünftel treffe, hält sich im Rahmen einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl etwa 8 Ob 60/87; RIS Justiz RS0027074). Sie ist insbesondere vor dem Hintergrund vertretbar, dass, wie das Berufungsgericht hervorhob, die Geschwindigkeits-überschreitung „maßgeblichen Einfluss“ auf das Unfallgeschehen hatte. Denn aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ist davon auszugehen, dass der Kläger bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit von 35 km/h noch vor der Begegnung mit dem vom Erstbeklagten gelenkten Mähdrescher kollisionsfrei anhalten hätte können.

4. Das Berufungsgericht hat dem Erstbeklagten als „gravierendsten“, dh für das Zustandekommen des Unfalls entscheidenden Verstoß angelastet, dass er mit dem Mähdrescher entgegen einer im Zulassungsbescheid enthaltenen Auflage ohne vorausfahrendes Begleitfahrzeug auf einer öffentlichen Straße fuhr. Hätte er die Auflage eingehalten, wäre, so die Feststellung des Erstgerichts, der Unfall unterblieben. Der in der Revision erhobene Vorwurf weiteren Fehlverhaltens vermag, selbst wenn er berechtigt wäre, das Alleinverschulden des Erstbeklagten nicht zu begründen. Schon das Berufungsgericht hat auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach eine rein zahlenmäßige Gegenüberstellung einzelner Verstöße gegen Verkehrsvorschriften für die Verschuldensabwägung keine brauchbare Grundlage bildet (RIS Justiz RS0027312).