JudikaturJustiz2Ob81/97v

2Ob81/97v – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard V*****, vertreten durch Dr.Walter Röck, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Gertrude V*****, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 27. Jänner 1997, GZ 2 R 40/97k-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2.Dezember 1996, GZ 33 C 141/94y-10, behoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit einer am 25.10.1994 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten nach § 49 EheG.

Die Beklagte beantragte die Anweisung der Klage. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18.1.1995 vereinbarten die Streitteile Ruhen des Verfahrens.

In der Folge brachte der Kläger am 17.10.1996 beim Erstgericht eine neuerliche Ehescheidungsklage, diesmal gestützt auf § 55 Abs 1 EheG, ein. Mit Urteil vom 27.11.1996 wurde die Ehe der Streitteile nach § 55 Abs 1 EheG geschieden und gemäß § 61 Abs 3 EheG ausgesprochen, daß das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe. Die Streitteile haben auf Rechtsmittel gegen das in der mündlichen Streitverhandlung verkündete Urteil verzichtet.

Am 29.11.1996 beantragte die Beklagte die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens mit dem Vorbringen, daß wegen der erfolgten Scheidung der Kläger auf Kosten einzuschränken habe. Die Beklagte sei zur Fortsetzung des Verfahrens genötigt, weil sich der Kläger weigere, ihr die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen.

Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag der Beklagten mit der Begründung zurück, ihr fehle es wegen der mittlerweile erfolgten Scheidung am Rechtsschutzinteresse. Die Kosten des Verfahrens seien in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht infolge Rekurses der Beklagten diesen Beschluß behoben, dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen und ausgesprochen, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es führte aus, daß bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Scheidung der Ehe nach § 49 EheG einerseits und § 55 EheG andererseits grundsätzlich primär über das Begehren nach § 49 EheG zu entscheiden sei, doch sei im vorliegenden Fall zuerst in einem gesonderten Verfahren über das Begehren nach § 55 EheG mit dem Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG entschieden worden. Dies bedeute zwar wegen der Verschiedenheit der Ansprüche nicht, daß eine rechtskräftig entschiedene Streitsache im Sinne des § 411 ZPO vorliege, doch werde von einer Bindungswirkung der Entscheidung über die Scheidung der Ehe anzugehen sein. Die Bindungswirkung sei dann aufzunehmen, wenn zwar die Identität des Begehrens zu verneinen sei, aber gewisse Fälle der Präjudizialität vorlägen. Dies sei dann der Fall, wenn ein im Gesetz begründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren bestehe und dieser inhaltliche Zusammenhang so eng sei, daß die Gebote der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten. Die Bindungswirkung schließe die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruches aus, nicht aber auch die Verhandlung und Entscheidung über das neue Klagebegehren. Das Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten liege in ihrem Kostenersatzanspruch, das des Klägers in der Entscheidung über seinen Anspruch nach § 49 EheG, weshalb er auch keine Einschränkung des Klagebegehrens vorzunehmen haben werde.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung für die vorliegende Fallkonstellation nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht zunächst darauf verwiesen, daß bei Zusammentreffen der Ehescheidungsgründe nach § 49 und § 55 EheG mangels gegenteiliger Erklärung des Klägers in erster Linie über den Klagegrund nach § 49 EheG zu entscheiden ist (SZ 43/150; EF 54.685; EF 57.078 ua).

Im vorliegenden Fall haben aber die Streitteile Ruhen des auf § 49 EheG gestützten Ehescheidungsverfahrens vereinbart. Der Kläger hat in der Folge eine auf § 55 EheG gestützte Klage eingebracht, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist, worauf die Ehe mit Ausspruch des Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe im Sinne des § 61 Abs 3 EheG geschieden wurde. Diese Ehescheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Dies bedeutet jedenfalls, daß die Ehe mit Rechtskraft des Scheidungsurteils aufgelöst ist.

Zur Frage, ob das ruhende Verfahren, in dem die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG begehrt wird, auf Antrag der Beklagten fortgesetzt werden kann, ist zunächst zu bemerken, daß zwar das Begehren auf Ehescheidung sowohl auf § 49 als auch auf § 55 EheG gestützt werden kann. Dies ist zulässig, doch schließt die positive Erledigung des einen Begehrens die positive Erledigung des anderen aus (EF 54.685). Dies ist eine Folge der Bindungswirkung des Ehescheidungsurteiles, auch wenn das Begehren beider Verfahren nicht zur Gänze ident ist. Die Bindungswirkung wird nämlich nach ständiger Rechtsprechung auch mangels Identität des Begehrens dann angenommen, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt ident sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfragen nicht gestatten (RZ 1977/49; RZ 1980/31; SZ 68/103 ua). Es ist daher davon auszugehen, daß die Ehe der Streitteile mit Rechtskraft des Scheidungsurteiles unter Ausspruch des Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe aufgelöst wurde.

Dies bedeutet aber nicht, daß es der Beklagten verwehrt wäre, die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens zu beantragen, weil sie Anspruch auf Erledigung des anhängig gemachten Prozesses hat (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 614; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 353).

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Rekursgerichtes kann aber im fortgesetzten Verfahren dem Scheidungsbegehren nicht mehr stattgegeben werden, weil die Ehe durch das bindende rechtskräftige Ehescheidungsurteil bereits geschieden ist und dem Kläger daher insoweit das Rechtschutzbedürfnis fehlt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 40 und 50 ZPO.