JudikaturJustiz2Ob575/95

2Ob575/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Marie Christina S*****, infolge Revisionsrekurses des mj.Kindes, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (Jugendamt) als Unterhaltssachwalter (§ 9 Abs 2 UVG), gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 2.August 1995, GZ 21 R 298/95-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. Februar 1995, GZ 2 P 90/90-39, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Unterhaltssachwalter des mj.Kindes teilte dem Pflegschaftsgericht mit, er sei von einer Schuldnerberatungsstelle um Zustimmung zu einem außergerichtlichen Ausgleich des Unterhaltsschuldners mit einer Quote von 20 % ersucht worden. Bei den Unterhaltsschulden des Schuldners handle es sich um einen Betrag von S 64.501,77, den er ausschließlich dem Bund auf gezahlten Unterhaltsvorschuß hin schulde. Es wurde "die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Annahme eines außergerichtlichen Ausgleiches mit einer Quote von 20 % zahlbar in 20 Quartalsraten ab 1.3.1995 hinsichtlich der per 28.2.1995 bestehenden Unterhaltsschuld von S 64.501,77" beantragt.

Das Erstgericht wies den Antrag im wesentlichen mit folgender Begründung ab:

Bei Titelvorschüssen und bestehender Unterhaltssachwalterschaft bleibe der Unterhaltspflichtige Schuldner des Kindes; das Kind habe die Vorschüsse dem Bund insoweit zurückzuzahlen, als sie von einem Einhebungskurator eingetrieben werden könnten. Bei Titelvorschüssen sei die Legalzession "auf" den Bund und die unmittelbare Eintreibung durch ihn auf die mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung der Bezirksverwaltungsbehörde noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen, die bevorschußt worden seien, eingeschränkt. Da das Kind somit weiterhin Unterhaltsgläubiger bleibe, werde das Kind auch als Partei einem außergerichtlichen Ausgleich bzw einem allfälligen Privatkonkursverfahren zuzuziehen sein. Da das Kind allerdings auch Schuldner des Bundes sei - solange die gesetzliche Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers noch nicht beendet sei -, könne es nicht im Interesse des Kindes gelegen sein, auf seine Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit zu verzichten. Das Kind würde daher für eine entsprechende Erklärung der ausdrücklichen Zustimmung des die Vorschüsse ausbezahlenden Bundes bedürfen, um Regressansprüche hintanzuhalten; denn durch die Unterhaltsbevorschussung seien die Unterhaltsansprüche des Kindes gegenüber dem Unterhaltsschuldner - zwar nicht ex lege, zumindest jedoch "de facto" - auf den Bund übergegangen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes vertreten durch den Unterhaltssachwalter nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels Vorjudikatur - für zulässig. Es führte folgendes aus:

Zutreffend sei sowohl das antragstellende Kind als auch das Erstgericht davon ausgegangen, daß die Rechtshandlung der Zustimmung zu einem außergerichtlichen Ausgleich, der einem Konkursverfahren bei Nichtunternehmern zwingend vorgeschaltet sei, als Rechtsgeschäft, das einen (partiellen) Unterhaltsverzicht für die Vergangenheit beinhalte, nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb des Kindes gehöre und daher einer gerichtlichen Genehmigung im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB bedürfe - dies unbeschadet des § 214 Abs 2 ABGB -, wobei auf die herrschende Judikatur zur Genehmigungsbedürftigkeit eines Unterhaltsverzichtes auch für die Vergangenheit hingewiesen werden könne. Beizupflichten sei im übrigen der Argumentation des Erstgerichtes, daß nach der dem UVG zugrundeliegenden Konstruktion das durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Kind ungeachtet der Gewährung von Vorschüssen vorerst Gläubiger des Unterhaltsanspruches und Schuldner gegenüber dem Bund bleibe; in diesem Sinne blieben etwa auch Ansprüche des Kindes nach § 1327 ABGB aufrecht. Erst mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers gingen die noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen des Kindes gemäß § 30 UVG auf den Bund über, sodaß ab diesem Zeitpunkt nicht mehr das Kind, sondern der Unterhaltspflichtige Schuldner des Bundes sei. Bei dieser Sachlage sei jedoch insgesamt der Rechtsauffassung des Erstgerichtes beizupflichten, daß ein partieller Unterhaltsverzicht des Kindes für die Vergangenheit dieses Regreßansprüchen des Bundes aussetzen könnte, sofern nicht der zuständige Präsident des Oberlandesgerichtes als Vertreter der fiskalischen Interessen des Bundes dieser Vorgangsweise des Kindes zustimme und damit Regreßansprüche des Bundes gegen das Kind ausgeschlossen seien. Die mehr rechtspolitischen Erwägungen der Rekurswerberin dahingehend, daß bei bestehenden Unterhaltsschulden, folge man der Rechtsmeinung des Erstgerichtes, ein außergerichtlicher Ausgleich fast immer zum Scheitern verurteilt sei, weil sämtliche Gläubiger zustimmen müßten, könne nur als Anregung an den Gesetzgeber verstanden werden, diesen allenfalls als regelungsbedürftig anzuerkennenden Sachverhalt einer legistischen Lösung zuzuführen. Allenfalls könnte auch durch eine verwaltungsinterne Regelung im Erlaßweg, wie sie jedoch bisher offenbar noch nicht existiere, eine Lösung gefunden werden, bei der vermögensrechtliche Nachteile des Kindes auch im Falle einer Zustimmung zum außergerichtlichen Ausgleich ausgeschlossen würden und daher eine solche Rechtshandlung des Kindes im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB genehmigungsfähig wäre.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des durch den Unterhaltssachwalter vertretenen Kindes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der begehrten pflegschaftsbehördlichen Genehmigung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, dem Erstgericht wäre die Einholung einer Erklärung des zuständigen Vertreters des Bundes offen gestanden, daß er dem Ausgleich zustimme. Dieser liege wohl auch im finanziellen Interesse des Bundes. Andernfalls müßte eine gesetzliche Regelung in der Weise eintreten, daß Ausgleichsverfahren bei Beteiligung minderjähriger Unterhaltsvorschußempfänger a priori ausgeschlossen seien, um unnötige Verfahrensschritte und einen kostspieligen aussichtslosen Verwaltungsaufwand vermeidbar zu halten.

Hiezu wurde erwogen:

Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß nach der Konstruktion des UVG (vgl dessen §§ 26, 27, 30), das Kind, auf dessen gesetzlichen Unterhalt der Bund Vorschüsse gewährt, vor dem Eintritt der Legalzession mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers Unterhaltsgläubiger bleibt und - hinsichtlich hereingebrachter Beträge im Rahmen der Rangordnung des § 27 Abs 1 UVG - Schuldner des Bundes ist (Knoll, UVG in ÖA § 9 Rz 1, § 26 Rz 1). Die von der Rechtsmittelwerberin angestrebte Zustimmung zum außergerichtlichen Ausgleich des Unterhaltsschuldners würde - ungeachtet der Bevorschussung des Unterhalts durch den Bund - einem Verzicht des Unterhaltsgläubigers gegenüber dem Unterhaltsschuldner auf Unterhaltsleistungen gleichkommen. Ein Unterhaltsverzicht bedarf aber der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (EFSlg 62.810, 71.777), was auch von der Rechtsmittelwerberin nicht bestritten wird.

Für die Erteilung oder Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 154 Abs 3 ABGB ist das Kindeswohl ausschlaggebend. Es versteht sich von selbst, daß ein Unterhaltsverzicht grundsätzlich dem Kindeswohl widerspricht. Besondere Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind dem im vorinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringen nicht zu entnehmen. Keine Änderung der Rechtslage bewirkt die Bevorschussung durch den Bund, weil dessen Leistungen eben bloß Vorschüsse sind und hereingebrachte Unterhaltsbeiträge, auf die Vorschüsse gewährt wurden, gemäß den §§ 26, 27 UVG nach der gesetzlichen Rangordnung teils dem Unterhalt des Kindes zugute kommen, teils vom Kind an den Bund zurückgezahlt werden müssen.

Für die Eintreibung beim Unterhaltsschuldner hat der Jugendwohlfahrtsträger zu sorgen; dieser hat im Interesse des mj.Kindes unter Berücksichtigung der Regreßinteressen des die Vorschüsse auszahlenden Bundes vorzugehen (Knoll aaO § 13 Rz 8). Die Wahrnehmung der Interessen des Unterhaltsschuldners an einer Entschuldung im Rahmen eines Privatkonkurses ist nicht seine Aufgabe.

Eine Zustimmungserklärung des Bundes liegt nicht vor. Zur Einholung einer entsprechenden Erklärung war das Erstgericht schon deshalb nicht verpflichtet, weil der Jugendwohlfahrtsträger vor Antragstellung ohnehin selbst den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz mit der Angelegenheit befaßt hat, ohne eine solche Zustimmungserklärung zu erlangen.

Zur Sorge der Rechtsmittelwerberin um einen unnötigen Verfahrensaufwand im Privatkonkurs des Unterhaltsschuldners wegen Aussichtslosigkeit des Ausgleiches bei Beteiligung minderjähriger Unterhaltsvorschußempfänger ist noch zu bemerken, daß gemäß § 183 Abs 2 KO ein außergerichtlicher Ausgleichsversuch bei Aussichtslosigkeit entbehrlich ist.

Die Vorinstanzen haben somit die beantragte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu Recht versagt, weshalb dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war.