JudikaturJustiz2Ob48/12s

2Ob48/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Gabriel J***** T*****, geboren am *****, über die Revisionsrekurse 1. der Mutter Sieglinde T*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink ua Rechtsanwälte in Klagenfurt, sowie 2. der für die Mutter bestellten Sachwalterin Mag. Karin S*****, Vereinssachwalterin, *****, vertreten durch Mag. Herbert Juri, Mag. Thomas Schuster, Rechtsanwälte in Wolfsberg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 26. Jänner 2012, GZ 4 R 17/12k 94, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 10. Dezember 2011, GZ 1 Ps 212/09t 90, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Für die Mutter des Minderjährigen wurde im Februar 2010 eine Sachwalterin mit dem Wirkungskreis der Einkommens und Vermögensverwaltung, Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsanstalten, sowie dem Abschluss von Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, bestellt. Im September 2011 wurde die Obsorge für den minderjährigen Sohn dem Land Kärnten als Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Ebenfalls im September 2011 wurde eine Besuchsrechtsregelung getroffen.

Am 10. 11. 2011 beantragte die Mutter eine Neuregelung dieses Besuchsrechts. Dieser Antrag wurde der Sachwalterin zur Mitunterfertigung bzw Genehmigung übersandt. Die Sachwalterin vertrat in ihrer Äußerung die Rechtsansicht, dass die Mutter im Hinblick auf die Höchstpersönlichkeit des Besuchsrechts alleine zur Antragstellung berechtigt sei und ersuchte den Antrag der Mutter zu behandeln.

Das Erstgericht wies den Besuchsrechtsantrag mit der Begründung zurück, die Mutter sei nicht prozessfähig bzw postulationsfähig, weil der Wirkungskreis der Sachwalterin auch die Vertretung vor Gerichten umfasse. Auch wenn die Ausübung des Besuchsrechts unbestrittenermaßen ein höchstpersönliches Recht darstelle, ändere dies nichts daran, dass die Mutter mangels Prozess und Postulationsfähigkeit den Besuchsrechtsantrag selbst nicht stellen könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Rechtsdurchsetzung von höchstpersönlichen Rechten sei keineswegs vertretungsfeindlich sondern habe durch den gesetzlichen Vertreter bzw hier Sachwalter zu erfolgen. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu. Es bestehe keine Judikatur zur Frage der Ausübung und Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Verkehr durch einen besachwalterten Elternteil.

Gegen diese Entscheidung richten sich der Revisionsrekurs der Mutter sowie jener ihrer Sachwalterin jeweils mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die weitere Behandlung (unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund) aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab:

1. Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs sind geistig behinderte Personen im Umfang, in dem ihnen ein Sachwalter zur Vertretung beigestellt wurde, prozessunfähig (RIS Justiz RS0103637).

Auch bei Persönlichkeitsrechten, die nur der berechtigten Person zustehen, die somit höchstpersönlich sind, ist die Rechtsdurchsetzung nach der Judikatur keineswegs „vertretungsfeindlich“ (6 Ob 106/03m).

Solche Personen bedürfen, auch wenn sie des Gebrauchs der Vernunft nicht grundsätzlich beraubt sind, im Bereich höchstpersönlicher Rechte, wie zB bei der Erhebung eines Scheidungsbegehrens (ausgenommen solchen nach § 55a EheG) der Zustimmung des Sachwalters (1 Ob 518/96). Dies gilt auch für die Klage auf Nichtigerklärung einer Ehe (7 Ob 230/01a).

In eben diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit einem Ablehnungsverfahren bereits ausgesprochen, dass ein Betroffener in einem außerstreitigen Besuchsrechtsverfahren der Mitwirkung (Genehmigung) seines Sachwalters bedarf, weil er prozessunfähig ist (6 Ob 163/03v).

Da zu der vom Rekursgericht und von den Rechtsmitteln aufgeworfenen Rechtsfrage somit bereits ausreichend Judikatur besteht, waren sie als unzulässig zurückzuweisen.

2. Daran ändert auch die Behindertenkonvention, BGBl III 2008/155, nichts:

Gemäß Art 12 Abs 2 dieser Konvention anerkennen die Vertragsstaaten, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts und Handlungsfähigkeit genießen. Gemäß Abs 3 leg cit verpflichten sich die Vertragsstaaten, geeignete Maßnahme zu treffen, um Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen. Die Materialien zu dieser Bestimmung (564 BlgNR 23. GP, 5) verweisen ausdrücklich darauf, dass Menschen mit Behinderungen rechtlich handlungsfähig sind, aber zur Ausübung dieser Handlungsfähigkeit im unterschiedlichen Ausmaß Hilfe benötigen können, und dass diese Hilfestellung im österreichischen Recht ua durch den gerichtlich bestellten Sachwalter erfolgt.

3. Soweit die Sachwalterin meint, in ihrem Ersuchen um Behandlung des Antrags der Mutter liege ohnehin ihre Zustimmung zum Antrag, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie ausdrücklich die Rechtsauffassung vertreten hat, dass die Mutter zur Stellung des Besuchsrechtsantrags alleine befugt sei. Eine Zustimmung bzw Genehmigung des Antrags kann darin nicht erblickt werden.