JudikaturJustiz2Ob29/24i

2Ob29/24i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der M*, vertreten durch Mag. Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Bestellung einer einstweiligen Erwachsenenvertreterin, über den „Rekurs“ der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. November 2023, GZ 44 R 423/23a 62, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 26. Juli 2023, GZ 1 P 192/22i 50, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Scheidungsverfahren sowie das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren wurden ebenso wie ein anhängiges Sicherungsverfahren wegen Zweifel an der Prozessfähigkeit der Betroffenen unterbrochen, obwohl die Betroffene zumindest zeitweise anwaltlich vertreten war.

[2] Daraufhin bestellte das Erstgericht eine einstweilige Erwachsenenvertreterin für die Vertretung der Betroffenen in gerichtlichen Verfahren.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die Frage zulässig sei, ob die Prozessvollmacht der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters entgegensteht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der als „Rekurs“ bezeichnete Revisionsrekurs der Betroffenen ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[5] 1. Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen (RS0026560). Selbst wenn der Mandant Weisungen erteilt, die für ihn nachteilig sind, hat er ihn nicht davon abzuhalten, sondern bloß auf die nachteiligen Folgen hinzuweisen (RS0026560 [T1, T5]). Damit besteht auch in einem Anwaltsprozess die Gefahr, dass sich eine Partei selbst schädigt, weshalb der Oberste Gerichtshof (auch zur Rechtslage nach dem 2. ErwachsenenschutzG) bereits angesprochen hat, dass die Bestellung eines Erwachsenenvertreters trotz erteilter Prozessvollmacht erforderlich sein kann ( 6 Ob 124/21k mwN ). Das zieht der Revisionsrekurs auch grundsätzlich nicht in Zweifel, er befasst sich vielmehr mit einer Verbesserung des psychischen Zustands.

[6] 2. Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls (RS0106166; RS0087091 [T2]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Betroffene aufgrund einer psychopathologischen Störung ungeachtet ihrer anwaltlichen Vertretung nicht in der Lage ist, die anhängigen Gerichtsverfahren zielgerichtet zu führen, lässt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.

[7] 3. Richtig ist, dass auch Sachverhaltsänderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss von der Rechtsmittelinstanz zu berücksichtigen sind, wenn dies das Interesse des Betroffenen erfordert (vgl RS0006893). Das bezieht sich auf unstrittige und aktenkundige Umstände (RS0048056 [T11]; RS0122192 [T3]). Dem nach kann auch ein nachträglich erstattetes psychiatrisches Gutachten zu berücksichtigen sein (3 Ob 205/14i), wenn es eine wesentliche Veränderung der Tatsachengrundlage aufzeigt (vgl RS0048056 [T6, T10]). Nachdem auch das nachträglich erstellte, im Revisionsrekurs erwähnte und vom Rekursgericht bereits berücksichtigte Ergänzungsgutachten vom 26. 10. 2023 der Betroffenen trotz bestehender Medikation ein „ausgeprägtes Wahnsystem“ diagnostiziert, besteht kein Grund zur Annahme, dass die Voraussetzungen für die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin weggefallen wären.

[8] 4. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Rechtssätze
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