JudikaturJustiz2Ob2336/96k

2Ob2336/96k – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr.Paul Doralt und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,438.250,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22.Mai 1996, GZ 2 R 105/96s-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20.Juli 1995, GZ 32 Cg 114/95y-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Partei stand seit 1990 mit der Firma H***** GmbH (folgend: Fa.H) bis zur Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen am 27.2.1992 im Geschäftskontakt. Die beklagte Partei war die Hausbank der Fa.H. Sie stellte im Sommer 1991 fest, daß die Liquiditätslage des Unternehmens äußerst angespannt war. Während es zu ihren Gunsten als Kreditgeberin schon vor dem Sommer 1991 zur Begründung von Hypotheken an der Betriebsliegenschaft, von Sicherungseigentum an Maschinen und der Maschinenanlage und zu einer Globalzessionsvereinbarung sämtlicher Forderungen der Fa.H gekommen war, setzte mit den ab Sommer 1991 durchgeführten Maßnahmen ein noch engerer Kontakt zwischen der beklagten Partei und der Fa.H ein. Der beklagten Partei wurde als Kreditgeberin der Fa.H eine Vollmacht für den Kauf des gesamten Vermögens (der Geschäftsanteile) eingeräumt. In diesem Zusammenhang wurde von der Fa.H eine Liste mit sechs bis sieben Kaufinteressenten vorgelegt. Außerdem verpfändeten die Gesellschafter die Geschäftsanteile an die beklagte Partei. Im Herbst 1991 kam es zwischen der beklagten Partei und zwei weiteren Finanzierern (der O*****bank und dem Beteiligungsfonds *****) zu einer Abstimmung darüber, daß für die Fa.H dringend ein Partner gesucht werden solle. In der Folge kam es zu Verhandlungen mit der als Interessent auftretenden Firma F*****, die sich allerdings Anfang 1992 mangels Einigung über den Kaufpreis zerschlugen.

Zwischen der klagenden Partei und der Fa.H war vereinbart, daß die Zahlung der gelieferten Waren auf drei Monate vorkreditiert sein sollte. Bis Sommer 1991 wurden die vertraglichen Pflichten stets zur vollsten Zufriedenheit beider Parteien erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Rechnungen vom Zeitraum 27.6. bis 31.7.1991 in einer Gesamthöhe von S 195.606,-- in einem 90 Tage übersteigenden Zeitraum nicht beglichen. Im November 1991 entschlossen sich die Geschäftsführer der klagenden Partei, mit der Fa.H wegen der ausständigen Zahlungen Kontakt aufzunehmen. Bei einem Gespräch wurde ihnen ein Scheck in Höhe der offenen Forderung ausgestellt, weiters wurde versichert, daß es der Fa.H gut gehe und eine große Auftragslage existiere. Der klagenden Partei wurden dabei weitere Aufträge erteilt, deren Zahlung mit von der Fa.H akzeptierten Wechseln erfolgen sollte.

Die klagende Partei reichte als Ausstellerin die von der Fa.H akzeptierten Wechsel vom 1.10.1991 und 25.11.1991 mit den Fälligkeitsdaten 1.2.1992 und 25.3.1992 über S 204.834,-- bzw S 445.512,-- bei der beklagten Partei zum Diskont ein. Diese diskontierte die Wechsel am 3.10. und 29.11.1991 und zahlte zunächst die vollen Wechselsummen, denen Warenlieferungen der klagenden Partei an die Fa.H zugrunde lagen, aus. Am 13.2. und 10.3.1992 wurde das Konto der klagenden Partei jedoch um die entsprechenden Summen rückbelastet. Die erwähnten Wechsel trugen den Vermerk: "Diskont vorbehaltlich der Einlösung durch den Akzeptanten". Die klagende Partei wußte im Zeitpunkt, als die Wechsel ausgestellt und akzeptiert (wurden), daß die wirtschaftliche Lage der Fa.H angespannt war und bei dieser Zahlungsschwierigkeiten bestanden. Sie schrieb diese Probleme den Schwierigkeiten zu, die jedes Unternehmen hat, das sich in einer Expandierungsphase befindet, und das außerdem Anlaufschwierigkeiten hat. Die Warenlieferungen der klagenden Partei an die Fa.H wurden erst im Zeitpunkt der Konkurseröffnung eingestellt. Im Konkursverfahren über das Vermögen der Fa.H meldete die klagende Partei eine Konkursforderung für Warenlieferungen in Höhe von S 1,438.250,20 an.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei den Ersatz des im Konkurs erlittenen Forderungsausfalls von S 1,438.250,20 sA und brachte vor, die beklagte Partei habe durch Kreditgewährung zur Konkursverzögerung beigetragen und durch Diskontierung von Wechseln noch im Oktober und November 1991 den Eindruck erweckt, die Fa.H wäre zahlungsfähig. Auch habe sie ihre Aufklärungspflichten dadurch vernachlässigt, daß sie bei Abschluß der Diskontverträge die klagende Partei nicht auf die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Fa.H hingewiesen habe. Hätte die beklagte Partei sorgfaltsgemäß gehandelt, wäre das Konkursverfahren bereits 1988, spätestens jedoch 1989 zu eröffnen gewesen. Somit wäre es zu keinem Forderungsausfall der klagenden Partei gekommen, weil diese bei Kenntnis der wahren Sach- und Rechtslage nur gegen Barzahlung an die Fa.H geliefert hätte. Aus dem Bericht des Masseverwalters im Konkurs ergebe sich, daß es einen ernsthaften Interessenten für eine Beteiligung oder Übernahme des gemeinschuldnerischen Unternehmens nie gegeben habe. Es sei gänzlich auszuschließen gewesen, daß dieses Unternehmen fortgeführt werde. Die beklagte Partei habe alle diese Umstände gekannt und dennoch über ihre Filiale in Ried weitere Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt und damit die Fortführung des Unternehmens für weitere drei Jahre ermöglicht. Bei Diskontierung der Wechsel im Oktober und November 1991 hätte die klagende Partei wissen müssen, daß diese Wechsel wieder rückgelöst werden müßten. Durch die Verpfändung der Geschäftsanteile verbunden mit unwiderruflicher Verkaufsvollmacht habe die beklagte Partei auch tatsächlich maßgeblichen Einfluß auf die spätere Gemeinschuldnerin ausgeübt. Sie könne daher nicht als "außenstehender Geschäftspartner" des späteren gemeinschuldnerischen Unternehmens bezeichnet werden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die klagende Partei sei insbesondere im Jahr 1991 über die wirtschaftliche Situation der Fa.H informiert gewesen. Die beklagte Partei habe sich zu einer Weiterfinanzierung der Fa.H entschlossen, weil ein Bericht der I***** GmbH und eine Planerfolgsrechnung des Wirtschaftstreuhänders F***** der Fa.H gute Überlebenschancen attestiert hätten und es mit vierzehn potentiellen Kaufinteressenten ernste und erfolgversprechende Verhandlungen gegeben habe. Die Verpfändung von Geschäftsanteilen habe ihr keinen entscheidenden Einfluß auf die Fa.H gebracht. Sie habe die aussichtslose Lage der Fa.H aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Buchhaltung erst im Dezember 1991 erkennen können. Im Zeitpunkt der Diskontierung der beiden Wechsel habe die klagende Partei der Fa.H bereits jeweils Warenkredite gewährt, weshalb diese Kreditierung nicht durch die Diskontierung der Beklagten begründet sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf - über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus - noch folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei habe im Sommer 1991 in den Bilanzen der Fa.H für die Jahre 1988, 1989 und 1990 Anlaufverluste entdeckt. Daraufhin sei nach Absprache mit dem Unternehmen ein Betriebsberater mit einer Berichterstellung beauftragt worden. Der im Sommer 1991 erstellte Bericht habe die beklagte Partei schließen lassen, daß eine Sanierung (der Fa.H) nicht aussichtslos sei. Dabei sei sie sich darüber im klaren gewesen, daß für eine erfolgreiche Sanierung neues Kapital notwendig sei, welches entweder durch den Verkauf oder eine Beteiligung beigeschafft werden sollte. Diese Schwierigkeiten hätten die beklagte Partei im Rahmen des Sanierungskonzeptes veranlaßt, ihre hauseigene Abteilung "Kreditprüfung und betriebswirtschaftliche Beratung" für das zweite Halbjahr 1991 mit der Prüfung der Fa.H zu betrauen. Das der Sanierung zugrunde liegende Planungskonzept des Wirtschaftstreuhänders, welches nach Auffassung der beklagten Partei ebenfalls die Sanierungsmöglichkeit attestiert habe, hätte überprüft werden sollen. Dem eingesetzten Prüfer, einem aus Wien entsandten Angestellten der beklagten Partei, seien im November 1991 für die Prüfung die Prognose des Wirtschaftstreuhänders, die vollständigen Bilanzen der Wirtschaftsjahre 1988, 1989 und 1990 sowie eine vorläufige Bilanz des Jahres 1991 vorgelegen, die erst im Dezember 1991 von der Fa.H vervollständigt worden sei. Nachdem der Prüfer im Dezember 1991 schließlich sämtliche zur Überprüfung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gehabt habe, sei er zur Überzeugung gelangt, daß das Sanierungsprogramm aussichtslos und die Fa.H zahlungsunfähig sei. Im Jänner 1992 seien die Konten der Fa.H gesperrt worden. Im Zeitpunkt der Einreichung der beiden Wechsel bei der beklagten Partei habe diese nichts von der Zahlungsunfähigkeit der Fa.H gewußt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, eine Haftung der beklagten Partei wegen Verletzung der Aufklärungspflichten beim Wechseldiskont setze stets eine subjektive Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten voraus. Das bloße "Wissenmüssen" von der Unfähigkeit des Akzeptanten, den Wechsel einzulösen, reiche nicht. Da die Wechsel schon im Herbst 1991 zur Diskontierung eingereicht worden seien, die Beklagte aber erst im Dezember 1991 Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Fa.H erlangt habe, scheide eine Haftung aus dem Grunde der Verletzung von Aufklärungspflichten aus. Denkbar sei auch eine Haftung des Kreditgebers nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der §§ 12 und 159 StGB, wenn sich dieser als Beitragstäter am Delikt der fahrlässigen Krida beteilige. Dies sei grundsätzlich auch durch die Kreditgewährung möglich. Den Beitragstäter müsse aber eine spezifische Sorgfaltspflicht treffen. Eine solche bestehe nur dann, wenn sie vom Geschäftsinhaber abgeleitet werde, so etwa wenn die Bank (als Konzern) die Geschäftsführungsentscheidungen übernehme und einen maßgebenden Einfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft ausübe. Eine Haftung könne bei tatsächlicher Einmischung in die Geschäftsführung in Betracht kommen, was jedoch wiederum eine faktische Einbindung in die Geschäftsleitung voraussetze. Grundsätzlich hafte ein Kreditunternehmen auch dann, wenn es zwar weder Konzernherr noch Gesellschafter, aber bereits so stark mit der Geschäftsführung verknüpft sei, daß die Entscheidungsfreiheit des (späteren) Gemeinschuldners beeinträchtigt und die richtungweisenden geschäftspolitischen Entscheidungen von Organen der Bank im Einvernehmen mit der Geschäftsführung getroffen würden. Werde ein solcher maßgeblicher Einfluß grundsätzlich bejaht, dann hafte der Kreditgeber, wenn er nicht überzeugt sein durfte, daß das Sanierungskonzept aussichtsreich und seine Verwirklichung ernsthaft möglich sein werde, weil er durch die Kreditgewährung seine Zustimmung zur Geschäftsfortführung ausdrücke. Im vorliegenden Fall läge aber kein maßgeblicher Einfluß der beklagten Partei auf die Fa.H vor. Sowohl die Verpfändung der Geschäftsanteile als auch die Begründung der Sicherheiten stellten eine durchaus übliche "Garantie" für den Kreditgeber dar und seien nicht geeignet, einen wie immer gearteten Einfluß auf die Geschäftsführung zu gewähren. Auch die Verkaufsvollmacht biete keinen Anhaltspunkt für die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der (nachmaligen) Gemeinschuldnerin. Es sei nicht ersichtlich, daß die Entscheidung zum Verkauf nicht von der Geschäftsführung der Fa.H selbst ausgegangen wäre. Da die Beklagte somit mangels maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung keine spezifische Sorgfaltspflicht getroffen habe, sei auf die Frage, ob sie von einer Sanierungsfähigkeit der Fa.H ausgehen habe dürfen, nicht mehr näher einzugehen.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes auf, trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es ließ die in der Berufung enthaltene Beweisrüge (in der vor allem die erstgerichtlichen Feststellungen bekämpft wurden, daß der beklagten Partei erst im Dezember 1991, also nach den beiden Wechseldiskontverträgen, die Zahlungsunfähigkeit der Fa.H bekannt geworden und ihr bis zu diesem Zeitpunkt auch "Gutgläubigkeit" bezüglich der Sanierungsaussichten der Fa.H zuzubilligen sei) unbehandelt und äußerte folgende Rechtsansicht: Das Erstgericht habe zwar die Rechtslage zur Aufklärungspflicht einer Hausbank beim Wechseldiskontvertrag mit dem Geschäftspartner des Kreditnehmers sowie zur Haftung einer Hausbank, der maßgebliche Einflußnahme auf die Geschäftsführung ihres Kreditnehmers zustehe, als Beitragstäter der fahrlässigen Krida in der Form des § 159 Abs 1 Z 2 StGB zutreffend dargelegt. Seiner Auffassung, daß die beklagte Partei trotz der festgestellten Sicherheiten und Verkaufsvollmacht keinen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Fa.H ausgeübt/gehabt hätte, könne jedoch nicht gefolgt werden. Schon die umfangreichen Sicherungsmaßnahmen hätten der beklagten Partei eine maßgebliche Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Fa.H ermöglicht. Die Verkaufsvollmachten hätten überdies Handlungsmöglichkeiten eröffnet, welche über jene eines Geschäftsführers sogar hinausgegangen seien. Ferner hätten zwei Angestellte der beklagten Partei im November 1991 an einer Betriebsversammlung bei der Fa.H teilgenommen und der Belegschaft erklärt, daß die Situation der Fa.H genauestens geprüft und die finanziellen Probleme nach Möglichkeit gelöst würden, und habe außerdem den Arbeitnehmern die Zahlung der Novemberlöhne garantiert. Auch dies stelle eine Tätigkeit dar, wie sie normalerweise nur Geschäftsführern oder leitenden Angestellten zukomme. Treffe die beklagte Partei somit aber nach der Rechtslage seit den "EUMIG-Entscheidungen SZ 59/132 und SZ 61/26" eine derartige spezifische Sorgfaltspflicht, so hafte sie wegen der Verschleppung der Konkursanmeldung, wenn sie der insolvent gewordenen Gesellschaft noch Geld- und Kreditmittel zugeführt habe, obwohl sie bei sorgfältiger Prüfung der Sanierungschancen eine Fortführung des Betriebes durch weitere Kreditgewährung als nicht oder nicht mehr aussichtsreich erkennen mußte. Die Bank habe dann für eine strafrechtlich zu ahndende Fehlbeurteilung durch ihre leitenden Repräsentanten zivilrechtlich einzustehen. Hätten ernste Zweifel am Gelingen des Sanierungsversuches bestehen müssen und sei deshalb damit zu rechnen gewesen, daß der Zusammenbruch des Unternehmens nur verzögert, aber nicht verhindert hätte werden können, so hätte die Fortführung des Betriebes durch Gewährung weiterer Geldmittel nicht erfolgen dürfen. Diese Frage könne aber nur durch das Gutachten eines Buchsachverständigen geklärt werden, dessen Einholung die klagende Partei im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, das Erstgericht jedoch aufgrund der von ihm vertretenen Rechtsansicht als entbehrlich erachtet habe. Ergäbe das einzuholende Gutachten, daß schon Ende September 1991 oder noch früher (in Ansehung des zweiten Wechseldiskonts allenfalls erst Ende November 1991) die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (der Fa.H) vorgelegen sei und die beklagte Partei bei der weiteren Kreditgewährung am Gelingen einer Sanierung ernsthaft zweifeln hätte müssen, so werde im fortgesetzten Verfahren auch die Höhe des von der beklagten Partei verursachten Schadens festzustellen sowie auch zu prüfen sein, inwiefern die klagende Partei an dem ihr entstandenen Schaden ein Mitverschulden treffe. Wenn die klagende Partei den ihr aus der Rückverrechnung der beiden Wechsel entstandenen Schaden nicht schon aufgrund der behaupteten Beitragstäterschaft der beklagten Partei zur verspäteten Konkursanmeldung ersetzt erhalte, wäre noch zu prüfen, inwieweit die klagende Partei diesen Schaden wegen der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht anläßlich der Wechseldiskontierung durch die beklagte Partei verlangen könne. Dabei wäre zunächst zu prüfen, ob die behauptete Verletzung der Aufklärungspflicht für den Schaden kausal sein konnte. Auch sei zu beachten, daß im Falle einer faktischen Beherrschung des Kreditnehmers durch die kreditgewährende Bank diese anläßlich des Abschlusses eines Wechseldiskontvertrages den Dritten nicht nur dann warnen und aufklären müsse, wenn ihr bekannt sei, daß die Finanzierung des Kreditnehmers (Wechselakzeptanten) eingestellt werde und der Wechsel daher nicht eingelöst werden könne, sondern daß bereits dann eine Warnpflicht bestehe, wenn keine bindenden Kreditzusagen mehr für die gesamte Laufzeit des Wechsels vorlägen und die diskontierende Bank daher jederzeit durch eigenen Willensentschluß die Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten auslösen könne (SZ 61/26). Dazu müßten allenfalls weitere Feststellungen getroffen werden.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur maßgebenden Frage, ob auch bei den hier gegebenen, im Vergleich zu den "EUMIG-Entscheidungen" etwas geringeren Einflußmöglichkeiten des Kreditgebers auf die Geschäftsführung der insolventen Gesellschaft die gleiche, eine Haftung für verspätete Konkursanmeldung auslösende spezifische Sorgfaltspflicht anzunehmen sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.

In der für das vorliegende Verfahren mitentscheidenden Frage, ob der beklagten Partei nach den insoweit nicht bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen ein - die oben dargestellten speziellen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten auslösender - maßgebender Einfluß auf die Führung der Geschäfte der Fa.H zukam, vermag der erkennende Senat der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zu folgen. Sowohl in den - in zahlreichen Schriftsätzen der Parteien sowie den Entscheidungen der Vorinstanzen mehrfach zitierten "EUMIG"-Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes SZ 59/132 und SZ 61/26 als auch in den dazu erstatteten Äußerungen der Lehre (beispielhaft: Karollus, ÖBA 1990, 337 ff und 438 ff je mit zahlreichen weiteren Nachweisen) wird für die Annahme eines qualifizierten maßgebenden Einflusses der Bank auf die Geschäftsführung des in Liquiditätsschwierigkeiten befindlichen Kreditnehmers (hier einer "Personen"-GmbH) vorausgesetzt, daß die Bank durch von ihr eingesetzte Personen die Geschäfte des Kreditnehmers nicht bloß überwacht oder überprüft, sondern in entscheidenden Punkten tatsächlich bestimmend führt (Karollus, ÖBA 441 f je mwN). Solche Einflußnahmen können - abgesehen von der (hier nicht vorliegenden) Übernahme der Geschäftsanteile und einer damit verbundenen Einflußmöglichkeit auf die (Änderung der) Geschäftsführung - in konkreten Weisungen bestehen, an deren Befolgung die weitere Kreditgewährung oder -belassung geknüpft ist, oder auch in der mit Zwangsmitteln bedrohten Befolgung eines jeweils für bestimmte Zeiträume zu erstattenden Finanzplanes odgl, woraus die Beseitigung oder doch erhebliche Einengung des Handlungsrahmens des Kreditnehmers ersichtlich wird. Gerade solche Maßnahmen hat aber hier die beklagte Bank gegenüber der Fa.H nicht gesetzt. Betrafen die bis Sommer 1991 gesetzten Kreditsicherungsmaßnahmen (Hypothek an der Betriebsliegenschaft, Sicherungseigentum an den Betriebsmaschinen, Globalzessionen aller Forderungen) gerade die allgemein üblichen Kreditsicherungsmittel bei (überwiegend) fremd finanzierten Unternehmen, so erwuchsen der beklagten Partei auch aus der Verpfändung der Geschäftsanteile der Kreditnehmerin und der ihr erteilten Verkaufsvollmacht (nach der Auffassung beider Parteien:

betreffend die Geschäftsanteile zum Zwecke der Gewinnung eines neuen finanzkräftigen Teilhabers oder Übernehmers) keine solchen tatsächlichen Einflußmöglichkeiten. Die Verpfändung der Geschäftsanteile berechtigte nicht zur Ausübung der dazu gehörenden Stimm- und Verwaltungsrechte und eröffnete der beklagten Partei daher noch keine Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Fa.H. Gleiches ist aber auch für die ihr erteilte "Verkaufsvollmacht" zu sagen, die nach den - im Rahmen der Darlegungen zur rechtlichen Beurteilung ersichtlichen - Tatsachenannahmen des Erstgerichtes (Ersturteil S 18:

"Doch war aufgrund der Beweislage nicht ersichtlich, daß die Entscheidung zum [allfälligen, hier allerdings nicht zustandegekommenen] Verkauf nicht von der Geschäftsführung der Fa.H selbst ausging, sondern von Organen der Beklagten unter Ausübung von Druck getroffen wurde") wohl nur eine Verhandlungsvollmacht war. Damit bediente sich die Fa.H der (Dienste und überregionalen Möglichkeiten der) beklagten Partei im Zusammenwirken mit anderen Finanzierungsinstitutionen bei der Suche nach einem weiteren Geldgeber, ohne jedoch der beklagten Partei einen Verkaufsabschluß zu jedem Preis zu gestatten, zumal sonst das Scheitern der konkret geführten Verkaufs-/Beteiligungsgespräche am Preis nicht leicht erklärlich wäre. Im übrigen diente diese Verkaufsvollmacht durchaus auch der mit der Verpfändung der Geschäftsanteile ins Auge gefaßten Verwertung derselben, ohne daß die beklagte Partei damit Einfluß auf die Führung der Geschäfte der Fa.H gewonnen hätte. Weiters ist auch das Auftreten von zwei Angestellten der beklagten Partei bei einer (nicht auf Veranlassung oder unter Einladung der beklagten Partei zustandegekommenen) Betriebsversammlung im November 1991, bei welcher ein Angestellter der beklagten Partei auf Ersuchen der "Firmenchefin" der um ihre Löhne bangenden Belegschaft die Zahlung der Novemberlöhne zusagte, noch keine derartige Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Fa.H, welche dieser keine eigenständigen Handlungsspielräume mehr gelassen hätte. Insgesamt ist daher nach Auffassung der erkennenden Senates ein maßgebender Einfluß der beklagten Partei auf die Geschäftsführung der Fa.H nicht vorgelegen.

Aus diesem Grunde scheiden aber die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen, an das Vorliegen einer solchen Stellung der kreditierenden Bank geknüpften rechtlichen Schlußfolgerungen aus der rechtlichen Betrachtung des vorliegenden Falles aus. Dies betrifft insbesondere die Haftung der beklagten Partei als potentieller Beitragstäter gemäß §§ 12, 159 Abs 1 Z 2 StGB iVm § 1311 ABGB (im Sinne der Entscheidung SZ 59/132), aber auch eine spezifische, über die bloße Warnpflicht bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers und Wechselakzeptanten hinausgehende Aufklärungspflicht über das Nichtvorliegen bindender Kreditzusagen für die Laufzeit des Wechsels beim Abschluß des Wechseldiskontvertrages (im Sinne der Entscheidung SZ 61/26). Damit gewinnen andererseits die erstgerichtlichen Feststellungen über die "Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Unsanierbarkeit der Fa.H erst im Dezember 1991", die von der klagenden Partei in der Berufung bekämpft wurden, wieder an Bedeutung. Haben diese Feststellungen nämlich weiterhin Bestand, dann ist die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend.

Das Berufungsgericht, welches aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung die Beweisrüge der Berufung nicht erledigte, wird dies sohin im fortgesetzten Verfahren - allenfalls nach Durchführung einer weiteren Berufungsverhandlung - nachzuholen haben. Erst dann wird eine abschließende Beurteilung der Streitsache möglich sein. Sollte das fortgesetzte Verfahren ergeben, daß der beklagten Partei im Zeitpunkt der beiden Wechseldiskontierungen bereits die Zahlungsunfähigkeit der Fa.H bekannt war und daher eine Warn- und Aufklärungspflicht gegenüber der klagenden Partei oblag, dann wird die Kausalität des aus der Verletzung dieser Pflichten behaupteten Schadens im Sinne der zutreffenden Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung (S 11 f der Ausfertigung) zu prüfen sein (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Dies erfordert die Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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