JudikaturJustiz2Ob213/04v

2Ob213/04v – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****Ltd., 9999 Taiwan***** wider die beklagte Partei f***** AG, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Grassner Lenz Thewanger Partner in Linz, wegen EUR 9,408.653,17 sA, über den namens der klagenden Partei erhobenen Revisionsrekurs des Mag. Anton K*****, Rechtsanwalt in Linz, und den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 14. Juli 2004, GZ 12 R 16/04s 67, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 3. Mai 2004, GZ 31 Cg 22/03f 59, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Zurückweisung der Rekursbeantwortung der beklagten Partei aufgehoben. Zugleich wird auch der Beschluss des Erstgerichtes aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei ist Mehrheitsgesellschafterin der klagenden Partei. Diese begehrt mit der am 4. 9. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage Schadenersatz von der beklagten Partei. Der damalige Klagevertreter berief sich auf eine von Chen Ling W***** in der Funktion als Supervisor (Aufsichtsrat) der klagenden Partei erteilte schriftliche Vollmacht.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage, weil der Klagevertreter vollmachtslos eingeschritten sei. Bei der am 3. 7. 2001 abgehaltenen Gesellschafterversammlung der klagenden Partei seien mit Ausnahme von Josef Ö***** sämtliche Geschäftsführer sowie der Supervisor enthoben worden. Josef Ö***** sei daher ab diesem Zeitpunkt allein berechtigt, die klagende Partei zu vertreten, er habe niemals Auftrag und Vollmacht zur Einbringung der Klage erteilt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Zurückweisung der Klage rechtskräftig ab, weil Chen Ling W***** im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung im taiwanesischen Firmenregister als Supervisor eingetragen gewesen sei.

In der Folge bestritt die beklagte Partei neuerlich die Bevollmächtigung des Klagevertreters und brachte ergänzend vor, nach taiwanesischem Recht könne der Supervisor die Gesellschaft nur in einem Rechtsstreit der Gesellschaft mit einem Geschäftsführer wirksam vertreten. Alle anderen Streitigkeiten (auch mit Gesellschaftern) führe aber der Director (Geschäftsführer). Nur dieser könne daher eine gültige Prozessvollmacht erteilen.

Die klagende Partei brachte dazu vor, nach dem damaligen Stand des Firmenregisters seien Supervisor Chen Ling W***** und Geschäftsführer Thomas T***** zur Vertretung befugt gewesen, beide hätten den Klagevertreter bevollmächtigt.

Im Zuge verschiedener Verfahren vor taiwanesischen Gerichten, in denen geklärt werden sollte, wer für die klagende Partei vertretungsbefugt ist, wurde mit rechtskräftigem Beschluss des District Court Taoyuan vom 7. 11. 2002 der Gesellschafter Chang Tsao R***** (andere Schreibweise: Chang Chao L*****) zum vorübergehenden Geschäftsführer der klagenden Partei bestimmt. In dieser Funktion hat Chang Tsao R***** dem nunmehr für die klagende Partei einschreitenden Rechtsanwalt Dr. Andreas M***** Prozessvollmacht erteilt und gleichzeitig alle im bisherigen Verfahren getätigten Rechtshandlungen der klagenden Partei ausdrücklich genehmigt.

In der Streitverhandlung vom 9. 2. 2004 brachte die beklagte Partei vor, der interimistische Geschäftsführer Chang Tsao R***** sei nunmehr abberufen worden, bei der Gesellschafterversammlung am 4. 8. 2003 seien neue Organe der klagenden Partei bestellt worden. In der daraufhin erstreckten Streitverhandlung vom 3. 5. 2004 schritt neben Rechtsanwalt Dr. M***** auch Rechtsanwalt Mag. Anton K***** unter Vorlage einer von Josef Ö***** erteilten Vollmacht für die klagende Partei ein und legte in beglaubigter Übersetzung einen aktuellen Auszug aus dem taiwanesischen Firmenregister vom 27. 4. 2000 vor. Daraus ergibt sich, dass nunmehr Josef Ö***** Vorstandsvorsitzender der klagenden Partei ist. Gleichzeitig widerrief Mag. K***** namens der klagenden Partei die bisher (allenfalls) an Dr. M***** erteilte Vollmacht.

Dr. M***** entgegnete, seine Prozessvollmacht könne nach taiwanesischem Recht nur durch einen Gesellschafterbeschluss wirksam widerrufen werden. Eine solche Beschlussfassung, von der die beklagte Partei wegen Interessenkollision ausgeschlossen wäre, sei aber bislang nicht erfolgt. Die Interessenkollision äußere sich in der vorliegenden Rechtssache gerade auch dadurch, dass Josef Ö***** sowohl Vorstandsvorsitzender der klagenden als auch der beklagten Partei sei. Josef Ö***** sei als (neuer) Vorstandsvorsitzender der klagenden Partei jedenfalls nicht berechtigt gewesen, die Vollmacht des Klagevertreters zu widerrufen, die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Mag. K***** sei nichtig.

Die beklagte Partei beantragte hingegen, Mag. K***** als Prozessvertreter der klagenden Partei zuzulassen, weil Josef Ö***** nach dem taiwanesischen Firmenregister uneingeschränkte Vertretungsbefugnis für die klagende Partei habe. Der Widerruf der Vollmacht von Dr. M***** und die Bevollmächtigung von Mag. K***** mit der weiteren Vertretung der klagenden Partei seien daher rechtswirksam.

Das Erstgericht ließ Mag. K***** als Rechtsvertreter für die klagende Partei zu. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Prüfung der Vollmacht habe sich auf den im § 30 ZPO enthaltenen Vollmachtsnachweis zu beschränken. Eine Überprüfung des Innenverhältnisses zwischen Partei und Bevollmächtigtem sei im Bereich der Prozessvollmacht aber unzulässig. Wenn eine ordnungsgemäße Prozessvollmacht vorliege, sei der Bevollmächtigte zu allen Vertretungshandlungen berechtigt. Josef Ö***** sei nunmehr im taiwanesischen Firmenregister als Vorstandsvorsitzender eingetragen und habe demnach rechtsgültig die bisherige Vollmacht des Klagevertreters widerrrufen und Mag. K***** mit der weiteren Vertretung bevollmächtigen können.

Das von Rechtsanwalt Dr. M***** namens der klagenden Partei angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin, dass Rechtsanwalt Mag. K***** als Vertreter der klagenden Partei zurückgewiesen wurde; das bisherige Verfahren wurde, soweit Prozesshandlungen infolge der ungültigen Vertretung der klagenden Partei durch Mag. K***** betroffen sind, als nichtig aufgehoben.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wurde zurückgewiesen.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Das Rekursgericht führte aus, dass ungeachtet einer nach taiwanesischem Gesellschaftsrecht für den Widerruf der strittigen Vollmacht allenfalls beachtlichen Interessenkollision die Bevollmächtigung von Mag. K***** durch Josef Ö***** schon deshalb nichtig sei, weil offenkundig eine mit dem österreichischen Zivilprozessrecht nicht vereinbare Kollision vorliege. Die beklagte Partei sei nämlich nicht nur Mehrheitsgesellschafterin der klagenden Partei, sondern zeichne sich der hier zu beurteilende Fall dadurch aus, dass Josef Ö***** in einer Person zugleich Vorstand der beklagten Partei und nunmehr auch Vorstandsvorsitzender der klagenden Partei sei.

Auszugehen sei davon, dass die klagende Partei jedenfalls aufgrund der späteren Vollmachtserteilung an Dr. M***** durch den vorübergehenden Geschäftsführer Chang Tsao R*****, der auch die gesamten früheren Prozesshandlungen genehmigt habe, im vorliegenden Verfahren wirksam vertreten werde. Diese Prozessvollmacht gelte gemäß § 35 ZPO auch bei einer Änderung in der gesetzlichen Vertretung einer Partei weiter. Davon unberührt bleibe aber das Recht des (neuen) Organvertreters zum jederzeitigen Widerruf der Vollmacht. Es sei zu prüfen, ob Josef Ö***** als Vorstand der beklagten Partei nach seiner nunmehr erfolgten Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden der klagenden Partei die Vollmacht Dris. M***** wirksam widerrufen und Mag. K***** bevollmächtigen habe können. Dem stehe aber das Interesse der klagenden Partei und ihrer Gesellschafter an der Fortführung des gegenständlichen Rechtsstreites zur Durchsetzung der Schadenersatzansprüche gegenüber. Damit bestehe aber ein evidentes Kollisionsproblem. Es sei mit dem kontradiktorischen Charakter des Zivilprozesses nicht vereinbar, dass der organschaftliche Vertreter einer Partei in demselben Verfahren auch die andere Partei vertrete (bzw Prozessvollmacht erteile). Diese Unzulässigkeit ergebe sich auch aus allgemeinen Grundsätzen des Vertretungsrechts: Es sei für die rechtsgeschäftliche Stellvertretung anerkannt, dass Selbstkontrahieren und Doppelvertretung von der Vertretungsmacht nicht gedeckt seien, sofern die Gefahr einer Interessenkollision bestehe. Handle demnach eine Partei gleichzeitig als Vertreter ihres Gegners, so liege keine gültige Vertretung im Prozess vor. Alle Prozesshandlungen, die durch eine später eingetretene ungültige Vertretung dieser Art berührt werden, seien nichtig. Auch wenn Josef Ö***** in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der klagenden Partei nach außen grundsätzlich unbeschränkt vertretungsberechtigt sei, sei er infolge Interessenkollision in Bezug auf den bereits anhängigen Rechtsstreit nicht befugt, die klagende Partei zu vertreten und die Vollmacht des gegnerischen Rechtsanwaltes wirksam zu widerrufen bzw einen anderen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Gegen diesen Beschluss erhob Rechtsanwalt Mag. Anton K***** namens der klagenden Partei Revisionsrekurs, desgleichen auch die beklagte Partei. Beide beantragten die Entscheidung des Rekursgerichtes dahingehend abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wurden Aufhebungsanträge gestellt.

In beiden Rechtsmitteln wird unter anderem geltend gemacht, maßgeblich sei taiwanesisches Recht und nicht österreichisches.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Bei einer im Ausland erteilten prozessualen Vollmacht ist ihre Gültigkeit für die Prozessführung vor einem inländischen Gericht nach inländischem Recht zu beurteilen, auch für Form, Umfang, Wirkung und Dauer einer Prozessvollmacht ist die lex fori maßgeblich (Zib in Fasching/Konecny² II/1 § 26 ZPO Rz 74 mwN). Eine im Prozess ungültige, weil mit dem kontradiktorischen Charakter des Zivilprozesses unvereinbare Vertretung liegt vor, wenn der Vertreter beide Parteien vertritt oder wenn die Partei gleichzeitig als Vertreter eines Gegners handelt (4 Ob 31/04v; siehe auch Zib, aaO, § 26 ZPO Rz 66 mwN).

Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die nach inländischem prozessualen Recht zu beurteilende Ungültigkeit einer prozessualen Vollmacht wegen Doppelvertretung, sondern darum, ob Josef Ö***** als Vorstandsvorsitzender der klagenden Partei Rechtsanwalt Dr. K***** bevollmächtigen konnte. Es geht also um die Frage der Vertretungsmacht des Organvertreters einer ausländischen Gesellschaft zur Erteilung prozessualer Vollmacht. Für die Beurteilung dieser Frage ist aber das Sitzrecht der Gesellschaft maßgebend (Zib, aaO, § 26 ZPO Rz 75). Dem Sitzrecht unterliegen alle Fragen, die das Leben der juristischen Person oder Gesellschaft begleiten, namentlich die Bereiche der inneren und äußeren Organisation. Das umfasst die Regelung von Satzung und Satzungsänderung, der Organe und ihrer Rechtsstellung im Innen und Außenverhältnis, insbesondere auch Fragen der Geschäftsführung und Vertretungsmacht (RIS Justiz RS0077038). Die auf österreichisches Prozessrecht gestützte Argumentation des Rekursgerichtes, wonach Josef Ö***** wegen Interessenkollision Rechtsanwalt Mag. K***** nicht bevollmächtigen konnte, ist daher nicht zutreffend. Vielmehr wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob nach taiwanesischem Recht diese von Josef Ö***** gesetzte Vertretungshandlung rechtswirksam ist, insbesondere ob dieses in Kollisionsfällen Besonderes vorsieht (auf § 4 IPRG wird hingewiesen).

Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.