JudikaturJustiz2Ob155/13b

2Ob155/13b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Jank Weiler Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F***** M*****, und 2. H***** H*****, wegen Nichtigerklärung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 17. Juni 2013 zu AZ 2 Ob 24/13p, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsklage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 17. 6. 2013 zu 2 Ob 24/13p wurde der Revision der dort klagenden und hier nichtigkeitsbeklagten Parteien Folge gegeben und die dort beklagte und hier nichtigkeitsklagende Partei wegen fehlerhafter Anlegerberatung zur Zahlung von 26.388,46 EUR sA verurteilt. Dem Senat gehörte auch Hofrat Dr. ***** an. Dieser hatte wie aus seiner Stellungnahme zum Ablehnungsantrag der beklagten Partei im Verfahren 2 Ob 17/13h (7 Nc 19/13y) hervorgeht selbst vor 2007 über den A***** Aktien der I*****f***** AG und der I*****e***** AG erworben und war vom Kursverfall dieser Wertpapiere betroffen. Im Jahr 2009 machte Dr. ***** hinsichtlich allfälliger Ansprüche gegen die I*****f***** AG oder andere in Frage kommende natürliche oder juristische Personen einem Prozessfinanzierer ein Abtretungsangebot zur allfälligen gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche. Wegen dieses Umstands zeigte Dr. ***** zumindest zweimal seine Befangenheit in Verfahren im Zusammenhang mit Wertpapieren der I*****f***** an, und zwar nicht wegen subjektiver Befangenheit, sondern wegen des Anscheins seiner Befangenheit. Die Befangenheit wurde vom zuständigen Senat jeweils als gegeben erachtet (vgl 9 Nc 13/10a 6 Ob 60/10g; 9 Nc 38/12f 6 Ob 224/12b). Nachdem der Prozessfinanzierer den Vertrag mit Dr. ***** betreffend I*****f*****/I*****e***** gekündigt hatte, beschloss dieser allfällige Ansprüche aus Kursverlusten bei I*****f*****/I*****e***** nicht weiterzuverfolgen. Er sah auch keine Notwendigkeit mehr, sich in Verfahren betreffend diese Wertpapiere für befangen zu erklären. Dies betrifft auch das Verfahren 2 Ob 24/13p.

Die nichtigkeitsklagende Partei beantragt, das Urteil 2 Ob 24/13p als nichtig aufzuheben, das dieser Entscheidung vorangegangene Verfahren ab der Einbringung der Revisionsbeantwortung durch die hier nichtigkeitsklagende Partei für nichtig zu erklären und die ordentliche Revision der nichtigkeitsbeklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen bzw ihrer Revision nicht Folge zu geben. Im Hinblick auf Anlegerprozesse gegen die nichtigkeitsklagende Partei betreffend den Erwerb von I*****f***** AG Aktien, insbesondere soweit diese durch den A***** vermittelt worden seien, sei Hofrat Dr. ***** befangen, wie durch seine eigenen diesbezüglichen Anzeigen und mehrere oberstgerichtliche Entscheidungen in Vorverfahren bestätigt werde. Im Zusammenhang mit seiner privaten Veranlagung und seiner Erwägung der Geltendmachung allfälliger Ansprüche läge ein hinreichender Grund iSv § 19 Z 2 JN vor, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Die Nichtigkeitsklägerin habe die Befangenheit des mitwirkenden Senatsmitglieds zum frühest möglichen Zeitpunkt geltend gemacht, weil sie erst mit Zustellung des Urteils von der Senatszuständigkeit und zusammensetzung erfahren habe. Aber auch eine frühere Kenntnis der Zuständigkeit des 2. Senats hätte nichts bewirkt, denn aufgrund der bisherigen Entscheidungen zur Befangenheit von Hofrat Dr. ***** hätte die Nichtigkeitsklägerin zu Recht davon ausgehen können, dass sich der Genannte auch in diesem Verfahren für befangen erklären würde. Durch die Mitwirkung eines befangenen Senatsmitglieds fehlten der Entscheidung 2 Ob 14/03p (gemeint offensichtlich 2 Ob 24/13p) die Voraussetzungen für ein faires Verfahren nach Art 6 MRK. Mit der Nichtberücksichtigung der Befangenheit gemäß § 19 JN als Nichtigkeitsgrund in § 529 ZPO liege eine planwidrige Unvollständigkeit vor. In verfassungskonformer Auslegung des § 529 ZPO sei daher die Befangenheit eines an der Entscheidung mitwirkenden Richters als Nichtigkeitsgrund im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu qualifizieren.

Der Senat hat hierzu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 529 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch die Nichtigkeitsklage angefochten werden. Gemäß § 532 Abs 1 ZPO ist für die Nichtigkeitsklage das Gericht zuständig, von welchem die durch die Klage angefochtene Entscheidung gefällt wurde, hier also der Oberste Gerichtshof.

2. Mangels eines gesetzlichen Anfechtungsgrundes ist die Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO bereits im Vorprüfungsstadium zurückzuweisen.

3. Gemäß § 529 Abs 1 Z 1 ZPO kann die rechtskräftige Entscheidung angefochten werden, wenn ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramts kraft des Gesetzes ausgeschlossen war. Die Befangenheit eines Richters (vgl hier 7 Nc 19/13y) bildet nach dem klaren Willen des Gesetzgebers keinen Grund für die Nichtigkeitsklage (5 Ob 208/06h mwN; vgl auch RIS Justiz RS0041974; RS0041972; RS0042070; RS0044390). Von einer planwidrigen Lücke kann somit keine Rede sein.

4. Der Senat hat jüngst zum Schiedsrecht judiziert (2 Ob 112/12b), dass nachträglich (nach der Fällung des Schiedsspruchs) bekannt gewordene Ablehnungsgründe im Aufhebungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden können, dass aber in krassen, besonders schwerwiegenden Fällen Ausnahmen möglich sind. Das Vorliegen eines derart krassen Falls wäre in der Regel dann zu bejahen, wenn der Ablehnungsgrund einem Ausschließungsgrund iSd § 20 JN nahekommt.

5. Selbst wenn man diese Differenzierung auf den vorliegenden Fall übertragen wollte, würde dies keinen Nichtigkeitsgrund iSv § 529 ZPO begründen, weil die Verfahrensteilnahme eines Richters, welcher in der Vergangenheit Ansprüche aus ähnlichen Geschäften gegen eine der Verfahrensparteien erwog und von einer Geltendmachung in der Folge Abstand nahm, wertungsmäßig nicht mit den in § 20 JN taxativ aufgezählten Ausschließungsgründen vergleichbar ist. Diese verlangen jeweils eine besonders enge Nahebeziehung. Davon kann im hier gegebenen Fall (einer ungünstigen Optik) nicht die Rede sein.

Es bestehen auch keine Bedenken im Lichte des Art 6 MRK (vgl Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 Rz 68).

6. Die Nichtigkeitsklage ist somit schon mangels eines gesetzlichen Anfechtungsgrundes gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, sodass die Frage ihrer Rechtzeitigkeit auf sich beruhen kann.

Rechtssätze
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