JudikaturJustiz2Ob13/23k

2Ob13/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Ramin Mirfakhrai, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*, vertreten durch Mag. Barbara Seebacher, Rechtsanwältin in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. November 2022, GZ 39 R 234/22h 29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen erklärten die auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung des Mietverhältnisses für rechtsunwirksam und wiesen das Räumungsbegehren ab.

[2] Die außerordentliche Revision der klagenden Vermieterin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643; vgl auch RS0043163). Ebenso wenig können vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren neuerlich geltend gemacht werden (RS0043086; RS0042963).

[4] Soweit die Revision daher argumentiert, es wäre eine Ergänzung bzw weitere Erörterung des Sachverständigengutachtens geboten gewesen, sodass das Berufungsgericht den insoweit auch gerügten Verfahrensverstoß aufgreifen hätte müssen, bekämpft sie einerseits die Beweiswürdigung und macht andererseits einen vom Berufungsgericht bereits verneinten Verfahrensmangel erster Instanz erneut geltend. Beides kommt im Revisionsverfahren nicht in Betracht.

[5] 2. Das – der Rechtsrüge zuzuordnende (RS0043404 [T4]; RS0043168) – Argument, der Sachverständige habe mit seiner Behauptung, zwar die Dichtheit der Feuchtigkeitsisolierung nicht beurteilen zu können, aber dennoch von einer ausreichenden Abdichtung gegen Spritzwasserbelastung auszugehen, gegen zwingende Denkgesetze bzw zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoßen, trifft nicht zu. Der Sachverständige hat vielmehr seine (ursprüngliche) Aussage, die ausreichende Dichtheit der Dusche nicht beurteilen zu können, letztlich relativiert und unter Hinweis auf die bereits erfolgte Nutzungsdauer ausgeführt, Undichtheiten hätten sich schon zeigen müssen.

[6] 3.1 Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG und des gleichlautenden Vertragsaufhebungsgrundes nach § 1118 erster Fall ABGB liegt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RS0020940 [T6]; RS0067832; RS0068076; RS0102020; RS0067939), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter gefährdet werden (RS0020940 [T11]; RS0021031; RS0070348).

[7] 3.2 Dies kann bei drohender Substanzgefährdung aufgrund eines unsachgemäßen Einbaus einer Dusche ohne entsprechende Feuchtigkeitsisolierung von einem dazu nicht befugten Gewerbsmann der Fall sein (vgl RS0070359 [T1, T2, T3, T5]).

[8] 3.3 § 30 Abs 2 Z 3 MRG und § 1118 erster Fall ABGB sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RS0020867). Ein Verschulden des Mieters ist nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Mieter des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist (RS0020981; RS0067957 [T5]; RS0070243 [T1]; RS0070433 [T1, T5]; RS0020867).

[9] 3.4 Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt und dies dem Mieter bewusst sein musste, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0021018; RS0068103) und wirft – von krassen Fehlbeurteilungen der Vorinstanzen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0068103 [T3]).

[10] 3.5 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, bloß die fehlende Einarbeitung eines Dichtbandes zwischen Boden und Wand im Duschbereich durch einen nur für Heizungs- und Luft-, nicht aber für Kalt- und Warmwasserinstallationen befugten Gewerbsmann stelle bei sonst fachgerechter Ausführung der – zuvor gar nicht vorhandenen – Feuchtigkeitsisolierung und (daher) fehlender Gefährdung der Substanz des Hauses keinen erheblich nachteiligen Gebrauch dar, ist jedenfalls vertretbar. Dass der vom Beklagten mit den Arbeiten beauftragte – auch Installateure beschäftigende und seit dreißig Jahren vergleichbare Arbeiten ausführende – Gewerbsmann, über keine einschlägige Gewerbeberechtigung verfügt, war dem Beklagten, der von einem Installateurgewerbe ausging, nicht bewusst. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ihm dies im konkreten Fall auch nicht auffallen hätte müssen, hält die Revision nichts Stichhältiges entgegen, sodass auch insoweit keine Fehlbeurteilung aufgezeigt wird.

[11] 3.6 Ebenso ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen jedenfalls vertretbar, die vom Beklagten unterlassene Bauanzeige bzw Einholung einer Baubewilligung sowie der allfällige Verstoß gegen bautechnische Normen (nur) im Zusammenhang mit der Verwendung des Dichtbandes führe zu keiner schwerwiegenden Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin, weil schon der Zustand vor den Arbeiten bei Anmietung nicht dem Baukonsens entsprochen habe und diese den Zustand der Wohnung überdies verbessert hätten.

Rechtssätze
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