JudikaturJustiz23Ds9/22h

23Ds9/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 20. Februar 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Lovrek als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Mag. Brunar und Mag. Stolz als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 28. September 2021, GZ D 5/20 (1 DV 10/20) 13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Kammeranwalts Dr. Lindner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Beschuldigten gegen den Ausspruch über die Schuld wird nicht Folge gegeben.

In Stattgebung der Berufung des Kammeranwalts gegen den Ausspruch über die Schuld wird das Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die bedingte Nachsicht eines Teils der Geldbuße (ersatzlos) aufgehoben.

Den Berufungen wegen Strafe wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 3.500 Euro verhängt.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er dadurch, dass er als Vertragserrichter von drei Verkaufsverträgen betreffend die Wohnungseigentumsanlage EZ *, KG *, Objekt *, abgeschlossen jeweils zwischen der B* GmbH als Verkäuferin einerseits und * G*, * J*, * S*, * Sc*, * St* und * K* als Käufer andererseits, jeweils die zwingend anzuwendenden Sicherungsbestimmungen des BTVG und des KSchG nicht einhielt, gegen die Bestimmungen des § 9 Abs 1 RAO verstoßen.

[3] Der Disziplinarbeschuldigte wurde hierfür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße in der Höhe von 4.000 Euro verurteilt, wobei gemäß § 16 Abs 2 DSt ein Teil des Betrags in der Höhe von 2.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Berufungen des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwalts jeweils wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen siehe RIS-Justiz RS0128656 [T1]) und die Strafe. Nur der Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) des Kammeranwalts sowie den gegen die Strafe gerichteten Berufungen kommt Berechtigung zu.

Zur Schuldberufung des Disziplinarbeschuldigten:

[5] Der – vor der Rechtsrüge zu behandelnden ( Ratz , WK-StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (im engeren Sinn) gelingt es nicht, Bedenken an der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung zu wecken und solcherart die getroffenen Feststellungen substantiiert in Frage zu stellen.

[6] Der Disziplinarrat hat sämtliche für und wider den Disziplinarbeschuldigten sprechenden Verfahrensergebnisse, so auch dessen in subjektiver Hinsicht leugnende Verantwortung (ES 15 f, 19 f), einer nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und der Lebenserfahrung entsprechenden Würdigung unterzogen (vgl dazu auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 49 DSt Rz 2) und mit schlüssiger Begründung – der sich der Oberste Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Beweise anschließt (vgl Ratz , WK-StPO § 467 Rz 2) – dargelegt, wie er zu den entscheidungswesentlichen Sachverhaltsannahmen gelangte (ES 13 ff).

[7] Soweit der Berufungswerber erneut auf seine Angaben verweist, nach denen er aufgrund der unverzüglichen Unterfertigung der Auszahlungsanordnungen durch die Käufer zum Zeitpunkt der Überweisung eines Großteils des jeweiligen Kaufpreises an die Verkäuferin (am 7. Februar 2019) keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Informationen des Geschäftsführers der Verkäuferin (zur angeblich bereits erfolgten Übergabe der Schlüssel an die Käufer) und auch „überhaupt kein Indiz …., dass irgendetwas nicht passen könnte“, gehabt habe, übersieht er zudem, dass die kritisierten Feststellungen auch auf dem Inhalt der von ihm selbst verfassten Auszahlungsanordnungen fußen (erneut ES 15 f). Diesen ist jeweils ausdrücklich zu entnehmen, dass „die Auszahlungsvoraussetzungen laut dem Kaufvertrag“ (jeweils Punkte IV/5 lit a und c; ES 7), die im Wesentlichen den in § 7 Abs 5 BTVG normierten Kriterien für das Ende der Sicherungspflicht entsprachen, eben gerade noch nicht vorlagen (vgl die Beilagen zur Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 5. Dezember 2019 zu KA 83/2019).

[8] Die weiters hervorgehobene Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, er habe bei Erhalt der ihm (am 28. März 2019) von * H* weitergeleiteten Mitteilung des Bürgermeisters der Marktgemeinde * über die (tatsächlich nur teilweise) Fertigstellung des Vertragsgegenstands nicht auf die geschwärzte Betreffzeile, sondern auf den Text geachtet und der Schwärzung keine Bedeutung beigemessen, weshalb er von der Fertigstellung des gesamten Vertragsgegenstands und der Rechtmäßigkeit der Auszahlung der Restkaufpreise am 29. März 2019 ausgegangen sei, bezieht sich schon deshalb nicht auf eine entscheidende Tatsache, weil zur Tatbestandserfüllung auch Fahrlässigkeit genügt (RIS Justiz RS0055223 [T1]; vgl im Übrigen gleich unten).

[9] Mit der Behauptung, dass die bekämpften Feststellungen keine Deckung im abgeführten Beweisverfahren fänden und (bloß) eigenständiger Würdigung der Verfahrensergebnisse werden den beweiswürdigenden Erwägungen des Disziplinarrats keine stichhaltigen Argumente entgegengesetzt.

[10] Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) bestreitet primär das Vorliegen einer Verletzung der Sicherungspflicht nach § 7 Abs 1 BTVG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht mit der Begründung, eine solche habe – zumindest nach dem damaligen Kenntnisstand des Disziplinarbeschuldigten – im inkriminierten Zeitraum nicht (mehr) bestanden.

[11] Nach § 7 Abs 1 BTVG hat der Bauträger den Erwerber – soweit hier wesentlich – gegen den Verlust der von diesem aufgrund des Bauträgervertrags geleisteten Zahlungen zu sichern. Der zwingend zu bestellende Treuhänder hat außer den (weiteren) Verpflichtungen aus dem BTVG, aus anderen Vorschriften oder aus Vertrag, unter anderem Aufklärungspflichten sowie die Pflicht zur Überwachung der Sicherungspflicht des Bauträgers (§ 12 Abs 3 Z 1 lit a und Z 2 BTVG).

[12] Nach § 7 Abs 4 BTVG werden Ansprüche des Bauträgers erst fällig, wenn und soweit die im BTVG vorgesehenen Sicherungen des Erwerbers vorliegen.

[13] Nach § 7 Abs 5 BTVG endet die Sicherungspflicht (und damit auch die Tätigkeit des Treuhänders; § 12 Abs 1 BTVG) mit der tatsächlichen Übergabe des fertiggestellten eigentlichen Vertragsgegenstands und der Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung.

[14] Nach den wesentlichen – nicht erfolgreich bekämpften – Feststellungen verfasste der Disziplinarbeschuldigte als Vertragserrichter und Treuhänder in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen drei Kaufverträge am 5. Februar 2019 Auszahlungsanordnungen, die jeweils vorsahen, dass die Käufer Vorauszahlungen in Höhe von mehr als 150 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche leisten sollten, obwohl die ursprünglich in den Kaufverträgen vereinbarten Voraussetzungen für eine Auszahlung noch nicht vorlagen. Diese Anordnungen wurden von den Vertragsparteien unterzeichnet.

[15] Dem Disziplinarbeschuldigten war bewusst und er nahm es in Kauf, dass aufgrund derartiger Auszahlungen vor Fertigstellung und tatsächlicher Übergabe der von den Käufern erworbenen Wohnungseigentumsobjekte die Sicherungsbestimmungen des BTVG und des KSchG anzuwenden gewesen wären.

[16] Dennoch klärte er die Käufer nicht über die rechtlichen und wirtschaftlichen Risken einer solchen Vorgangsweise auf und zahlte am 7. Februar 2019 die gesamten Kaufpreise, die auf vom Disziplinarbeschuldigten zur treuhändigen Abwicklung der Kaufverträge errichteten Treuhandkonten erlagen, jeweils bis auf einen Betrag von etwa 10.000 Euro an die Verkäuferin, die B* GmbH, aus, obwohl keinerlei Sicherungen vorlagen und zu diesem Zeitpunkt weder die Eigentumswohnungen noch die Außenanlagen der Wohnungseigentumsanlagen fertiggestellt waren.

[17] Am 8. Februar 2019 wurde das Eigentumsrecht der Käufer an den von ihnen erworbenen Wohnungseigentumsobjekten im Grundbuch einverleibt.

[18] Die Schlüssel zu den Wohnungseigentumsobjekten wurden den Käufern „in weiterer Folge“ übergeben und dabei (zum Teil inhaltlich unrichtige) Übergabeprotokolle unterfertigt.

[19] Am 28. März 2019 leitete der Geschäftsführer der Verkäuferin eine Mitteilung des Bürgermeisters der Marktgemeinde * über die Fertigstellung der EZ *, KG *, Objekt *, an den Beschuldigten weiter, wobei die Betreffzeile, aus der sich die bloß teilweise Fertigstellung der Wohnungsanlage ergeben hätte, geschwärzt war.

[20] Dessen ungeachtet zahlte der Beschuldigte am 29. März 2019 die jeweiligen Restkaufpreise an die Verkäuferin aus.

[21] Die Außenanlagen waren weder zu diesem Zeitpunkt noch zu jenem der Fällung der angefochtenen Entscheidung fertiggestellt (ES 9 ff).

[22] Mit dem Hinweis auf die bereits vor den ersten Auszahlungen am 7. Februar 2019 erfolgte Einbringung der (auch umgehend vollzogenen) „Grundbuchsanträge auf Einverleibung der Eigentumsrechte an den Wohnungsobjekten der Käufer“ (ES 11, 17) spricht der Berufungswerber nur ein einzelnes Kriterium des § 7 Abs 5 BTVG an.

[23] Der Einwand, nach seinem „Informationsstand“ wären die Schlüssel und damit auch die „Wohnungseigentumsobjekte“ gleichzeitig mit der Unterfertigung der Auszahlungsanordnungen am 5. Februar 2019 übergeben worden, orientiert sich dagegen nicht an den getroffenen Feststellungen zum Zeitpunkt der Schlüsselübergabe und zum diesbezüglichen Kenntnisstand des Beschuldigten. Auf die weiteren Sachverhaltsannahmen, nach denen zum Auszahlungszeitpunkt weder die Wohnungseigentumsobjekte noch die Außenanlagen fertiggestellt waren, wovon der Berufungswerber ebenfalls wusste, geht die Berufung überhaupt nicht ein. Aus welchem Grund die Voraussetzungen des § 7 Abs 5 BTVG für das Ende der Sicherungspflicht dennoch schon vorgelegen sein sollten, legt sie nicht dar. Ebenso wenig wird erklärt, inwiefern zur Beurteilung dieser Frage zusätzlich Feststellungen dazu erforderlich gewesen wären, „welche Mängel an den kaufgegenständlichen Wohnungseigentumsobjekten zum Zeitpunkt der Auszahlung am 7. Februar 2019 noch vorhanden“ waren (vgl aber RIS-Justiz RS0099810, RS0118415, RS0116565; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 593).

[24] Auf der Sachverhaltsgrundlage der angefochtenen Entscheidung lagen in objektiver Hinsicht die Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BTVG spätestens seit der Abänderung der ursprünglichen Auszahlungsanordnungen vor, die Sicherungspflicht des Bauträgers (§ 7 Abs 1 BTVG) war mangels Übergabe des fertiggestellten Vertragsgegenstands am 7. Februar 2019 noch nicht iSd § 7 Abs 5 BTVG erloschen.

[25] Ausgehend davon ist der Disziplinarrat in rechtlicher Hinsicht zutreffend zum Schluss gekommen, dass der Disziplinarbeschuldigte als Vertragserrichter und Treuhänder dadurch, dass er in Kenntnis dieser Umstände die Aufklärung der Käufer iSd § 12 Abs 3 Z 1 lit a BTVG bewusst unterließ und die Erfüllung der Sicherungspflicht des Bauträgers nicht überwachte, sondern bereits am 7. Februar 2019 einen Großteil der Kaufpreise (ebenfalls bewusst) ohne Vorliegen einer entsprechenden Sicherung an die Verkäuferin auszahlte, gegen seine Verpflichtungen nach § 12 Abs 3 iVm § 7 Abs 1 BTVG (vgl dazu 8 Ob 79/21g) und damit gegen § 9 Abs 1 RAO verstoßen hat.

[26] Da bereits dieses Verhalten eine Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Satz DSt darstellt (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 1 DSt Rz 3 und 9; vgl auch 28 Ds 5/20d), spricht der Berufungswerber mit Einwänden gegen die Annahme (auch) einer Verletzung von § 1052 ABGB iVm § 6 Abs 1 Z 6 KSchG, der (im Übrigen rein spekulativen) These, allenfalls vorhandene Mängel wären auch für einen Sachverständigen im Zuge der – nach den Feststellungen übrigens gar nicht erfolgten (ES 11) – Baufortschrittsprüfung nicht erkennbar gewesen und der Behauptung, dass zum Zeitpunkt der Auszahlung der Restkaufpreise für den Disziplinarbeschuldigten kein Zweifel am Vorliegen einer Benützungsbewilligung der Marktgemeinde * bestand, keine entscheidenden – also für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage relevanten (RIS-Justiz RS0117264) – Tatsachen an. Ein Eingehen auf dieses Vorbringen erübrigt sich daher.

[27] Die Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) strebt der Sache nach die Ausschaltung der Gewährung bedingter Strafnachsicht an und ist damit nicht zum Vorteil des Beschuldigten ausgeführt (vgl aber § 282 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt).

[28] Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.

Zur Schuldberufung des Kammeranwalts:

[29] Sie macht mit Recht geltend, dass die Gewährung teilbedingter Nachsicht der verhängten Geldbuße nach § 16 Abs 2 DSt idgF rechtsfehlerhaft erfolgte (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; vgl dazu Ratz , WK-StPO § 281 Rz 666 ff, 671).

[30] Dem Disziplinarrat ist insoweit zuzustimmen, als ein – wie hier – durch die Nichterfüllung der Aufklärungs- und Überwachungspflichten nach dem BTVG (erneut § 7 Abs 1, § 12 Abs 3 BTVG) bewirkter Verstoß gegen § 9 Abs 1 RAO ein Dauerdelikt darstellt, weil durch dieses Verhalten ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird, den der Täter in der Folge aufrecht hält und durch dessen Fortdauer der Straftatbestand ununterbrochen weiter verwirklicht wird. Richtig ist außerdem, dass das strafbare Verhalten bei einem Dauerdelikt nach ständiger Rechtsprechung erst mit der Beendigung des verpönten Zustands endet (RIS-Justiz RS0076137, RS0124122; zum Ganzen auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 2 DSt Rz 15).

[31] Mit Blick auf das vorrangige Ziel des BTVG, den Konsumentenschutz in einem Bereich der Immobilienbranche, und zwar primär die Absicherung des Vorauszahlungsrisikos, zu stärken (RIS-Justiz RS0113312 [T1]), besteht der „verpönte Zustand“ in der durch Nichteinhaltung der Bestimmungen nach § 7 Abs 1 iVm § 12 Abs 3 BTVG geschaffenen Gefahrensituation für die Käufer, geleistete Zahlungen mangels vorhandener Sicherheiten zu verlieren. Er endet – entgegen der Ansicht des Disziplinarrats – nicht in jedem Fall erst mit dem in § 12 Abs 1 BTVG normierten Ende der Tätigkeit des Treuhänders zufolge Beendigung der Sicherungspflicht nach § 7 Abs 5 BTVG, sondern (auch) schon dann, wenn – wie hier – bereits vor diesem Zeitpunkt der gesamte Kaufpreis ohne Sicherungen an den Verkäufer ausbezahlt wurde, weil damit das unerwünschte Risiko bereits realisiert wurde, ohne dass es dem Treuhänder möglich wäre, die Verlustgefahr durch Erfüllung seiner Pflichten nachträglich abzuwehren, zumal im hier vorliegenden Fall bereits am 14. September 2019 das Insolvenzverfahren über den Bauträger eröffnet wurde (ES 12).

[32] Das inkriminierte disziplinäre Verhalten endete demnach jedenfalls vor dem 31. März 2020 und nicht erst mit Fertigstellung der Außenanlagen der Wohnhausanlage (ES 13, 27; vgl zur Auslegung des Begriffs „eigentlicher Vertragsgegenstand“ in § 7 Abs 5 BTVG Prader in Schwimann/Kodek BTVG § 7 Rz 13; Gartner , BTVG 4 § 7 Rz 51; ggt Pittl , BTVG³ 86; vgl auch Böhm/Prader , immolex 2022/168; Böhm , wobl 2021, 81).

[33] Weil § 16 Abs 2 DSt idF BGBl I 19/2020 nur auf Disziplinarvergehen anzuwenden ist, die nach dem 31. März 2020 begangen wurden (§ 80 Abs 6 letzter Satz DSt; vgl auch RIS-Justiz RS0133799), hat der Disziplinarrat durch die Gewährung (teil )bedingter Nachsicht der verhängten Geldbuße seine Strafbefugnis überschritten.

[34] Dieser Ausspruch war daher ersatzlos aufzuheben.

Zu den Strafberufungen:

[35] Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat das Zusammentreffen von drei (gleichartigen) Disziplinarvergehen als erschwerend, als mildernd dagegen die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten sowie die unangemessen lange Verfahrensdauer. Letzterem Umstand wurde durch Reduktion der an sich als angemessen angesehenen Geldbuße von 5.000 Euro um 1.000 Euro Rechnung getragen.

[36] Ausgehend von diesen zutreffend und vollständig erfassten Strafzumessungsgründen und dem Unrechtsgehalt des inkriminierten Verhaltens (vgl zuVerletzungen von Treue- und Treuhandpflichten Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 16 DSt Rz 6 mwN; 26 Ds 6/21p, 23 Ds 5/22w) entspricht die im untersten Bereich des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) bemessene Geldbuße Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen und trägt den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung (§ 16 Abs 6 DSt). Mit Blick auf die weitere behördliche Inaktivität seit der Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses war allerdings zum Ausgleich der unverhältnismäßigen Verfahrensdauer eine weitere Reduktion um 500 Euro vorzunehmen. Daher war über den Beschuldigten die aus dem Spruch ersichtliche Geldbuße zu verhängen.

[37] Ein vom Beschuldigten begehrter schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt aufgrund der Schwere der Vergehen in Zusammenhang mit der Übernahme von Treuhandverpflichtungen ebensowenig in Betracht wie ein Vorgehen nach § 39 DSt idF vor BGBl 19/2020 (vgl RIS Justiz RS0075487 [T1]).

[38] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rechtssätze
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