JudikaturJustiz1Ob357/98a

1Ob357/98a – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Norbert P*****, und 2. Sonja P*****, beide ***** vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Katharina P*****, vertreten durch Dr. Josef W. Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Gewährung des jederzeitigen Zutritts (Streitwert S 30.000, ) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 2. Oktober 1998, GZ 2 R 84/98k 18, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 3. Februar 1998, GZ 4 C 723/97b 12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien den Zutritt zu ihrer Mansardenwohnung in ***** zur Wartung, Kontrolle und Reparatur der Gastherme, des Heizhauses und des Haupthahns der Gartenwasserleitung zu gewähren, jedoch außer bei Gefahr im Verzug nur gegen Vorankündigung, die zumindest 48 Stunden vor der beabsichtigten Maßnahme zu erfolgen hat.

Das auf jederzeitigen Zutritt zur Wohnung gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die anteilig mit S 12.207,64 (darin S 1.744,48 Umsatzsteuer und S 2.079, - Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen.

Die klagenden Parteien sind hingegen schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 544,50 bestimmten anteiligen Pauschalgebühren des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Haus samt Garten befindet. Die Beklagte hatte diese Liegenschaft dem Erstkläger ihrem Sohn mit Vertrag vom 4. 9. 1986 übergeben. In diesem Vertrag wurde unter anderem vereinbart, daß der Beklagten die ausschließliche Benützung der in der Mansarde gelegenen abgeschlossenen Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche und Nebenräumen, sowie die Mitbenützung von Keller und Garten zustehe. Damals war die Mansardenwohnung noch nicht fertiggestellt. 1990 und 1991 wurden in der Mansardenwohnung im Einvernehmen zwischen dem Erstkläger und der Beklagten Umbauarbeiten und Adaptierungen vorgenommen. Unter anderem wurde anstelle eines Allesbrenners eine Gastherme angeschafft, die im Badezimmer dieser Wohnung eingebaut wurde. Außerdem wurden auch technische Adaptierungen für die nun neu errichtete Gaszentralheizung vorgenommen. Die Gastherme wurde mit dem bereits in der Mansardenwohnung befindlichen Boiler verbunden; die notwendigen Schaltungen und Pumpventile wurden eingebaut. In dem in der Mansardenwohnung befindlichen Heizverschlag sind neben dem Boiler auch die Umlaufpumpe und diverse Ventile installiert. Über den vor dem Badezimmer der Mansardenwohnung liegenden Gang verläuft eine Wasserleitung zu einer Außenwand, wo sich ein Wasseranschluß für den Garten befindet. Im Gang der Mansardenwohnung ist ein Absperrventil installiert, mit welchem die zum Garten führende Wasserleitung abgesperrt werden kann.

Die Kläger begehrten, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihnen den jederzeitigen Zutritt zur Gastherme, zum Heizhaus sowie zum Haupthahn der Gartenwasserleitung zur Wartung, Kontrolle und Reparatur zu gewähren, insbesondere durch dauerndes Offenhalten der Eingangstür ihrer Mansardenwohnung, durch Ausfolgung eines diese Eingangstür sperrenden Schlüssels oder auf jede andere zweckdienliche Art und Weise. Mit der Zustimmung zum Einbau der Gastherme bzw der Vornahme verschiedener Installationen im Bereich der Mansardenwohnung habe die Beklagte auch der Einschränkung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts an der Mansardenwohnung zugestimmt. Den Klägern müsse als Eigentümern der Liegenschaft der jederzeitige Zutritt zu diesen Gemeinschaftseinrichtungen gewahrt bleiben. Es sei nötig, die Gastherme bei Bedarf ein bzw auszuschalten und diese wie auch die anderen, oben erwähnten Installationen zu kontrollieren. Bis etwa Februar 1997 sei den Klägern ein Schlüssel für die Eingangstür der Mansardenwohnung zur Verfügung gestanden. Damals habe die Beklagte das Schloß der Eingangstür geändert, den Klägern jedoch keinen Schlüssel mehr ausgefolgt. Es sei keinesfalls Zweck der Klage, die Beklagte zu schädigen.

Die Beklagte wendete ein, niemals ihre Zustimmung zu einer Einschränkung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts an der Mansardenwohnung erteilt zu haben. Es liege auch kein Grund vor, den Klägern den jederzeitigen Zutritt zu den in der Mansardenwohnung befindlichen Installationen zu gewähren. Die Überlassung eines Schlüssels bis Februar 1997 sei nicht im Zusammenhang mit der Gastherme und den übrigen Installationen gestanden; das Schloß sei infolge einer Auseinandersetzung mit dem Erstkläger geändert worden. Beim Auftreten von Problemen im Bereich der Gastherme bzw der übrigen Installationen könne jederzeit von der Beklagten, aber auch durch dritte Personen Hilfestellung geleistet werden. Sie halte sich nahezu immer in der Wohnung auf und ein Bruder des Erstklägers sei darüber hinaus im Besitz eines Wohnungsschlüssels, sodaß der allenfalls unbedingt erforderliche Zutritt der Kläger zur Mansardenwohnung gewährleistet sei. Die Klagsführung sei schikanös, es mangle den Klägern an jeglichem Rechtsschutzinteresse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die im Übergabsvertrag im Rahmen eines Ausgedinges eingeräumte Dienstbarkeit der Wohnung stelle ein Wohnungsgebrauchsrecht dar. Der einvernehmliche Einbau der Gemeinschaftsanlagen in die Mansardenwohnung könne nicht eindeutig als Zustimmung zur Einschränkung des ausschließlichen Wohnungsgebrauchsrechts gewertet werden. Für die Ausübung des im § 522 ABGB normierten Aufsichtsrechts der Eigentümer sei die jederzeitige Zutrittsmöglichkeit nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Der Beklagten sei ein Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne der §§ 521, 504 ff ABGB eingeräumt worden. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Übergabsvertrag) habe eindeutig der Wille der Vertragsparteien bestanden, der Beklagten die ausschließliche Benützung der Mansardenwohnung zu ermöglichen. Die einvernehmliche Installierung der Gastherme und der sonstigen Anlagen in den Jahren 1990 und 1991 indiziere tatsächlich keine eindeutige Zustimmung der Beklagten zur Einschränkung ihres Wohnrechts. Es seien aber durch die einvernehmlich vorgenommene Änderung der baulichen Gestaltung (Adaptierungen für die Gaszentralheizung im Bereich der Mansardenwohnung) Anlagen geschaffen worden, die auch der Nutzung des restlichen, von den Klägern bewohnten Hauses dienten. Bei der Heizanlage seien regelmäßig Wartungsarbeiten durchzuführen, weil es dazu kommen könne, daß das Haus nicht mehr ausreichend mit Warmwasser versorgt werde. Das Begehren der Kläger, jederzeitigen Zugang zu Gemeinschafts anlagen, die allen Hausbewohnern dienten, zu erhalten, sei berechtigt, weil ihnen nicht zumutbar sei, im Falle von Gebrechen auf eine allfällige Rückkehr der Beklagten zu warten oder eine dritte Person ausfindig zu machen, die über einen Schlüssel zur Mansardenwohnung verfüge. Dem stünde die Vereinbarung des ausschließlichen Wohnrechts im Jahre 1986 nicht entgegen, weil zu diesem Zeitpunkt die neu geschaffenen Gemeinschaftsanlagen noch nicht vorhanden gewesen seien. Die der Beklagten eingeräumte Dienstbarkeit umfasse die ausschließliche Nutzung der Mansardenwohnung zu Wohnzwecken, nicht aber die ausschließliche Nutzung der nachträglich eingebauten Gemeinschaftsanlagen. Den Klägern stehe daher das Recht zu, zum Zwecke der Wartung, Kontrolle und Reparatur dieser Gemeinschaftsanlagen aber nicht willkürlich die Mansardenwohnung zu betreten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Vorinstanzen haben das der Beklagten im Jahre 1986 eingeräumte Recht auf ausschließliche Benutzung der Mansardenwohnung rechtlich einwandfrei und von den Streitteilen auch nicht in Zweifel gezogen als Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne der §§ 521, 504 ABGB beurteilt. Das Wohnungsgebrauchsrecht gewährt dessen Inhaber die Befugnis, die Wohnräume im Rahmen seiner Bedürfnisse zu benützen (MietSlg 47.029; Petrasch in Rummel, ABGB 2 Rz 4 zu § 521). Gemäß § 522 ABGB behält in jedem Fall der Eigentümer das Recht, über alle Teile des Hauses, die nicht zu der zum Gebrauch überlassenen Wohnung gehören, zu verfügen; es darf ihm die nötige Aufsicht über sein Haus nicht erschwert werden. Die Ausübung dieses Aufsichtsrechts steht bei geteiltem Eigentum jedem der Miteigentümer (hier: beiden Klägern) zu, doch darf hievon nur im notwendigen Ausmaß Gebrauch gemacht werden (WoBl 1998, 311; EFSlg 78.363). Der Dienstbarkeitsberechtigte muß sich jene Einschränkungen des Belasteten gefallen lassen, die die Ausübung der Dienstbarkeit weder ernstlich erschweren noch gefährden. Der Eigentümer darf aber nicht beliebig und grundlos die mit einem Bestandrecht oder einem Wohnungsrecht belastete Liegenschaft betreten, es ist vielmehr jeweils im Einzelfall nach entsprechender Interessenabwägung zu prüfen, ob eine Duldungspflicht des Benutzers besteht (WoBl 1998, 311).

In dem der Entscheidung WoBl 1998, 311 zugrundeliegenden Fall wurde mit dem dort erhobenen Klagebegehren (das auf das Betreten der Liegenschaft und des darauf errichteten Hauses einschließlich aller Räume, die einer Nutzungsberechtigten zur Verfügung gestellt waren, gerichtet war) offenkundig das Ziel verfolgt, unabhängig von der Notwendigkeit hiezu und der gebotenen Schonung der Berechtigten, zumindest einmal monatlich die von der dort Beklagten genutzten Räume in deren Gegenwart und darüber hinaus die sonstigen Teile der Liegenschaft beliebig oft und ohne zeitliche Beschränkung betreten zu können. Dies wertete der Oberste Gerichtshof als unzumutbaren Eingriff in die Rechte der Dienstbarkeitsberechtigten. Dieser Sachverhalt ist aber ebenso wie der zu 1 Ob 533/95 (= EFSlg 78.363 bzw MietSlg 47.027 und 47.029) vom Obersten Gerichtshof beurteilte Sachverhalt nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar. Im zuletzt genannten Fall (1 Ob 533/95) wurde nämlich die Ausfolgung von Schlüsseln begehrt, um jederzeit den Bauzustand des Hauses kontrollieren zu können. Dementgegen sprach der erkennende Senat aus, daß eine Ausfolgung von Schlüsseln nicht erforderlich sei, weil die Ausübung des Aufsichtsrechts nur nach vorheriger Terminvereinbarung keine unbillige Belastung eines Miteigentümers der Liegenschaft sei. Bei Ausfolgung von Schlüsseln könnte sich jeder Miteigentümer jederzeit Zutritt zur Liegenschaft verschaffen und dadurch störend in das Wohnrecht des Gebrauchsberechtigten eingreifen. § 484 ABGB begründe aber keine Verpflichtung des Gebrauchsberechtigten, eine solche Vorgangsweise zu dulden (MietSlg 47.027).

In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall wurden nach Begründung des ausschließlichen Wohnungsrechts der Beklagten im Bereich der von ihr allein genutzten Mansardenwohnung Gemeinschaftsanlagen (Gastherme etc) eingebaut, die auch für die von den Klägern benutzten Räumlichkeiten im Haus bestimmt waren. Angesichts des Einvernehmens der Streitteile bei der Installation dieser Anlagen kann kein Zweifel bestehen, daß die Beklagte damit schlüssig die Zustimmung zur Wartung, Kontrolle und Reparatur dieser Installationen durch die Kläger als Hauseigentümer bzw durch die von diesen beauftragte Personen erteilte, handelt es sich doch dabei um solche gemeinschaftliche Anlagen, die einer regelmäßigen Wartung, Kontrolle und gegebenenfalls auch einer Reparatur bedürfen. Es bedarf deshalb gar nicht erst der Berufung auf § 522 ABGB, nach dem den Klägern als Eigentümern die nötige Aufsicht über ihr Haus nicht erschwert werden darf, sondern ist das Recht auf grundsätzlichen Zutritt zur Mansardenwohnung der Beklagten zum Zweck der Wartung, Kontrolle und Reparatur der Gemeinschaftsanlagen schon aus der deshalb schlüssig anzunehmenden Zustimmung der Beklagten abzuleiten. Dieses Recht kann aber nicht so weit reichen, daß der Zutritt jederzeit wenn auch auf den Zweck der Wartung, Kontrolle und Reparatur eingeschränkt gewährt werden müßte; eine solche Ausdehnung wäre als unzumutbarer Eingriff und unerträgliche Störung des der Beklagten bestellten Wohnungsrechts zu beurteilen. Daß das Recht der Kläger zur Wartung, Kontrolle und Reparatur der Gemeinschaftsanlagen die Wohnung der Beklagten zu betreten, nur nach vorheriger Terminvereinbarung mit der Beklagten ausgeübt werden darf, ist keine unbillige Belastung der Liegenschaftseigentümer. In Abwägung der Interessen aller Beteiligten kann den Klägern zugemutet werden, ihre berechtigten Vorhaben zumindest 48 Stunden vor deren Durchführung anzukündigen. Bei Gefahr im Verzug kann die Beklagte auf einer solchen Ankündigung naturgemäß nicht bestehen, doch muß dies als Ausnahms fall gelten. Das auf jederzeitigen Zutritt zur Mansardenwohnung gerichtete Mehrbegehren der Kläger ist daher abzuweisen; das auf Gestattung des Zutritts (grundsätzlich) nach Vorankündigung gerichtete Begehren ist hingegen berechtigt. Die demonstrativ (arg. „insbesondere“) aufgezählten Möglichkeiten, wie der Zutritt gewährt werden könnte, sind in den Urteilsspruch nicht aufzunehmen, weil es Sache der Beklagten sein wird, den Klägern auf die ihr zumutbare Weise den Zutritt zu verschaffen.

Eine schikanöse Klagsführung liegt nicht vor, zumal die Kläger als Eigentümer und Mitbenutzer von Gemeinschaftsanlagen von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch machen. Daß sie ein rechtliches Interesse daran haben, ihr Recht auf Zutritt zu den Gemeinschaftsanlagen festgestellt zu wissen, kann nicht zweifelhaft sein, zumal die Beklagte das Recht der Kläger generell bestreitet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die verfügte Zutrittsmöglichkeit gegen Vorankündigung stellt im Vergleich zum Begehren auf jederzeitigen Zutritt ein Minus dar. Die Kläger sind mit etwa 3/4 ihres Begehrens als durchgedrungen anzusehen, sodaß ihnen die Beklagte die Hälfte von deren Prozeßkosten (3/4 der Barauslagen) zu ersetzen hat. Für die teilweise erfolgreiche Revision gebührt der Beklagten der Ersatz eines Viertels der von ihr zu entrichtenden Pauschalgebühren.