JudikaturJustiz1Ob354/98k

1Ob354/98k – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen Gertraud S*****, nach dessen Behauptung vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Peter S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Kraler, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Ehescheidung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. November 1998, GZ 4 R 291/98t 46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Einschreiter hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 10. 4. 1998 wurde die zwischen der Erblasserin und dem Beklagten am 16. 2. 1980 geschlossene Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden. Dagegen erhob der Beklagte Berufung; noch vor Abhaltung der auf den 7. 10. 1998 anberaumten Berufungsverhandlung verstarb die Erblasserin. Demzufolge sprach das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht aus, daß das Scheidungsurteil zufolge Todes der klagenden Partei wirkungslos und der Rechtsstreit gemäß § 460 Z 8 ZPO in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen sei.

Am 8. 10. 1998 beantragte der im Scheidungsverfahren für die Erblasserin eingeschrittene Rechtsanwalt als Vertreter der klagenden Partei die Fortsetzung des Verfahrens zwecks Zuspruchs der Prozeßkosten. Im Hinblick darauf, daß der Einschreiter der Erblasserin als Verfahrenshelfer beigegeben worden war und gemäß § 68 Abs 1 ZPO die Verfahrenshilfe mit dem Tod des Begünstigten erlischt, trug das Berufungsgericht dem Erstgericht auf, gemäß § 6 Abs 2 ZPO zu veranlassen, daß der Mangel der Vertretung der nunmehr als klagende Partei „auftretenden Verlassenschaft“ behoben werde. Auf dessen Verbesserungauftrag reagierte der Einschreiter mit dem Hinweis auf die ihm bereits vor seiner Bestellung zum Verfahrenshelfer erteilte Prozeßvollmacht und verwies überdies darauf, daß er in allen weiteren Eingaben auf das Bestehen der ihm erteilten Prozeßvollmacht aufmerksam gemacht habe.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht den vom Einschreiter namens der Verlassenschaft gestellten Fortsetzungsantrag zurück. Es führte aus, er sei als bestellter Verfahrenshelfer nicht legitimiert, den Fortsetzungsantrag zu stellen, weil die Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 ZPO mit dem Tod der Erblasserin erloschen sei. Der Verlassenschaft sei die Verfahrenshilfe nicht bewilligt worden. Daß dem einschreitenden Rechtsanwalt nach seiner Bestellung als Verfahrenshelfer neuerlich Prozeßvollmacht durch die Erblasserin bzw die Verlassenschaft erteilt worden sei, habe er nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Beantragt eine Prozeßpartei die Bewilligung der Verfahrenshilfe und im Zuge dessen die Beigebung eines Rechtsanwalts, so wird zwar grundsätzlich das bis dahin bestandene Vollmachtsverhältnis der Partei zu ihrem bis zu diesem Zeitpunkt für sie einschreitenden, frei gewählten Vertreter nicht aufgelöst, doch obliegt es dem Prozeßgericht, eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei, die die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, über die allfällige Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem bisherigen Rechtsvertreter zu befragen und zu einer Anzeige im Sinne des § 36 Abs 1 ZPO anzuleiten. Unterläßt es eine solche Anleitung, so ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Vertreter zu werten (10 ObS 276/98f; JBl 1997, 465; RZ 1995/80; VersRdSch 1994, 281; JBl 1991, 195; 7 Ob 692/89; RZ 1987/9; 1 Ob 699/85; SZ 48/93 uva). Eine Befragung der Partei zur allfälligen Auflösung des Vollmachtsverhältnisses kann aber dann unterbleiben, wenn der bisher bevollmächtigte Rechtsanwalt nach seinem und des Vollmachtsgebers Willen in der Folge wie hier - als Verfahrenshelfer einschreiten soll. Ein als Verfahrenshelfer beigegebener Rechtsanwalt kann aber in ein und demselben Rechtsstreit nicht auch als gewählter Parteienvertreter auftreten, zumal die Partei durch ihren Verfahrenshilfeantrag klar zum Ausdruck gebracht hat, daß sie die mit den Handlungen ihres frei gewählten Vertreters verbundenen Kosten nicht mehr zu tragen imstande ist (vgl 1 Ob 699/85). Ab der Zustellung des Bestellungsbescheids an den Verfahrenshelfer kann dieser solange die Verfahrenshilfe aufrecht bleibt - nur als Verfahrenshilfevertreter und keinesfalls als frei gewählter Parteienvertreter einschreiten. Sein Vollmachtsverhältnis ist mit diesem Zeitpunkt erloschen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß der Verfahrenshilfevertreter im vorliegenden Rechtsstreit im Rubrum verschiedener Schriftsätze auf die „erteilte Bevollmächtigung“ hingewiesen hat (ON 15, 20, 27 und 37). Dieser Hinweis war verfehlt, weil worauf der einschreitende Rechtsanwalt in den Schriftsätzen ON 27 und 37 ohnehin verwiesen hat der Partei nach wie vor die Verfahrenshilfe bewilligt und er als Verfahrenshelfer bestellt war. Bis zum Tod der Erblasserin ist der für sie tätig gewesene Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer eingeschritten; mit deren Ableben ist die Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 ZPO erloschen. Ein Vollmachtsverhältnis zu ihr, das sich auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogen hätte, hat zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) bestanden; der Einschreiter hat auch nicht vorgebracht, daß ein solches, etwa durch Bevollmächtigung seitens der Verlassenschaft danach begründet worden wäre.

Mangels Vertretungsbefugnis des einschreitenden Rechtsanwalts hat das Berufungsgericht dessen Fortsetzungsantrag daher zu Recht zurückgewiesen.

Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.