JudikaturJustiz1Ob216/15v

1Ob216/15v – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** A*****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch die Schlösser Partner Rechtsanwälte OG, Graz, wegen 33.930 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. August 2015, GZ 13 R 74/15w 55, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 26. Februar 2015, GZ 3 Cg 15/13h 50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist bildende Künstlerin. Ihre Werke werden häufig publiziert. Ein guter Bekannter erlaubte ihr, unentgeltlich als Freundschaftsdienst Bilder und auch Kataloge bei ihm in der Werkstätte einzulagern. Er geriet mit den Mietzinszahlungen in Verzug. Seine Vermieterin, die beklagte Partei, verwahrte zwei sehr große Bilder der Klägerin selbst und ließ dann das Objekt ohne gerichtliche Zuhilfenahme räumen. Die übrigen fünf Bilder und die Kataloge wurden über das beauftrage Räumungsunternehmen mit zu geringen Preisen verkauft, wobei die Kataloge teilweise nicht verkauft, sondern zu den Bildern „dazu gegeben“ wurden. Als die Klägerin davon erfuhr, versuchte sie die Bilder zurückzukaufen. Deren Käufer waren nicht bereit, die von ihnen bezahlten geringen Preise zu akzeptieren. Die Klägerin war finanziell nicht dazu in der Lage, die Bilder zu den gewünschten deutlich höheren Preisen zurückzukaufen.

Nach einem Teilankerkenntnisurteil über das Begehren auf Herausgabe der zwei von der beklagten Partei gesondert verwahrten großen Bilder gab das Erstgericht dem Begehren auf Schadenersatz für die im Zuge der eigenmächtigen Räumung schließlich verkauften Bilder und Kataloge statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es beurteilte das Handeln der beklagten Partei als unerlaubte Selbsthilfe iSd § 19 ABGB. Massive Mietzinsforderungen und der Umstand, dass sich der Mieter „völlig taub“ stelle, rechtfertigten keine eigenmächtige Räumung. Darauf, ob die beklagte Partei oder ihre Leute nicht davon in Kenntnis gewesen wären, dass im Lager Fremdeigentum verwahrt worden sei, komme es gar nicht an, weil maßgebend (und ausreichend) für die subjektive Vorwerfbarkeit nicht die Kenntnis sei, in wessen Eigentumsrecht eingegriffen werde, sondern die Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis („Kennenmüssen“) davon, dass in fremdes Eigentum eingegriffen werde.

Die dagegen von der beklagten Partei erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Ausführungen der Revisionswerberin dazu, dass Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen den Direktanspruch bei Ersatz von bloßen Vermögensschäden aus der Deliktshaftung ablehnten, gehen schon deshalb ins Leere, weil die Klägerin im vorliegenden Fall den Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut, nämlich in ihr Eigentum an den Bildern und an den Katalogen, geltend machte.

2. Gleiches gilt für die Ausführungen zum Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung, aus der sich ableiten lasse, dass jemand, der einem Verwahrer Gegenstände zur Verwahrung übergeben habe, direkte Schadenersatzansprüche gegen den zur Selbsthilfe greifenden Dritten nicht geltend machen könne. Die beklagte Partei behauptet dazu, die Klägerin habe wegen ihres mit dem Mieter abgeschlossenen Verwahrungsvertrags einen eigenen direkten (und deckungsgleichen) Schadenersatzanspruch gegen den Verwahrer.

Es fehlt dabei hier aber schon der von ihr unrichtig unterstellte Verwahrungsvertrag. Bei bloßen Gefälligkeitsverhältnissen, wie dem hier festgestellten, liegt gerade kein Verwahrungsvertrag vor (vgl 3 Ob 274/98k mwN; 3 Ob 234/02m; 7 Ob 233/03w ua; RIS Justiz RS0112642; RS0013956).

3. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 669/80 = EvBl 1981/119 betrifft entgegen den Behauptungen der beklagten Partei nicht das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, sondern jenes zwischen Vermieter und einem Dritten, der in den Bestandräumlichkeiten Möbel abgestellt hatte. Damals wurde der Anspruch der klagenden Vermieterin auf Zahlung der Kosten der Räumung abgewiesen, weil eine eigenmächtige Räumung keine gerechtfertigte Selbsthilfemaßnahme darstellt.

Im Übrigen hatte der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 186/97b einen Eingriff (auch) in das Eigentum eines Dritten (dasjenige des Sohnes der damaligen Klägerin, die die Mieterin gewesen war) zu beurteilen und ging damals beim Verkauf ohne Auftrag durch das Gericht von einem unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin bzw deren Sohnes (der seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatte) als absolutes Recht schlechthin aus (vgl auch 7 Ob 768/78).

Die Bejahung des auf der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts beruhenden Schadenersatzanspruchs der Klägerin wegen der unzulässigen Selbsthilfe iSd § 19 ABGB (vgl RIS Justiz RS0009027; RS0009069) ist daher nicht zu beanstanden.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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