JudikaturJustiz1Ob202/14h

1Ob202/14h – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** V*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei Gemeinde D*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen 200.000 EUR sA, Feststellung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Juli 2014, GZ 4 R 81/14i 49, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. Februar 2014, GZ 8 Cg 187/12w 41, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 Satz 1 B VG an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag ,

in der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde D***** über die Erlassung eines Fahrverbots auf dem Güterweg „D*****“ vom 2. 9. 2010, Zl. 710/GW K***** 9/2010 § 3 mit der Wortfolge „Gemäß Spruchpunkt III./1.1.4. des Bescheides Zahl: II/412 340 vom 24. 07.1985 der Agrarbezirksbehörde Bregenz über die Gründung der Güterweggenossenschaft D*****, ist der Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren.“ sowie im § 2 die Wortfolge „außerhalb der in § 3 angeführten Zeit“

nach Art 139 B VG als gesetzwidrig aufzuheben.

Gemäß § 57 Abs 2 VfGG wird mit der Fortführung des Verfahrens bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer einer aus drei Grundstücken bestehenden Liegenschaft in D*****, Vorarlberg, mit einem Haus, das er mit seiner Familie ganzjährig bewohnt. Die Liegenschaft ist mit dem öffentlichen Wegenetz durch einen Güterweg verbunden. Der Güterweg wird von einer Schiabfahrt (H*****) und der Trasse eines seit 1955 bestehenden Schlepplifts (P*****) gekreuzt. Der Schlepplift wird von der beklagten Partei betrieben.

Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob der Kläger ganzjährig zur Benützung des Güterweges berechtigt ist.

Im Jahr 1985 hatte der Kläger mit anderen Anliegern in „freier Übereinkunft“ eine Güterwegegenossenschaft gegründet, die mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde (ABB) Bregenz vom 24. 7. 1985 anerkannt wurde. Anlässlich der diesem Bescheid vorangegangenen kommissionellen Verhandlung vom 5. 3. 1985 hatte der Kläger erklärt, den für die Weganlage erforderlichen Grund kostenlos zur Verfügung zu stellen und den Mitgliedern der Genossenschaft das erforderliche land- und forstwirtschaftliche Bringungsrecht einzuräumen.

Laut Gründungsbescheid kommt der Genossenschaft Rechtspersönlichkeit zu (Punkt I.1.). In Punkt II. wurde ua die neue Trassierung des geplanten Güterwegs, einer landwirtschaftlichen Bringungsanlage iSd §§ 1, 2 und 13 des vorarlbergischen Güter- und Seilwegegesetzes, festgelegt. Der Bescheid enthält in Punkt III. mehrere Auflagen betreffend die Kreuzungsstelle des Güterwegs mit der Trasse des Schlepplifts „P*****“:

„1.1.1. Die Kreuzungsstelle ist im Einvernehmen mit dem seilbahntechnischen Amtssachverständigen beim Amt der Vorarlberger Landesregierung zu planen und auszuführen.

[…]

1.1.3. Der durch den Wegebau vergrößerte Hangeinschnitt ist während der Wintersaison mit Schnee so auszufüllen, dass ein einwandfreies Befahren der Schlepplifttrasse durch die Liftbenützer gegeben ist.

1.1.4. Während der Wintersaison ist der Güterweg für Kraftfahrzeuge zu sperren. Der Güterweg darf im Bereich der Kreuzungsstelle nicht vom Schnee geräumt werden. Eine händische Räumung als Fußweg ist im Einvernehmen mit der Liftgesellschaft durchführbar.

[…]

1.6. Ab dem ganzjährig bewohnten Hof V***** darf der Güterweg nur für land- und forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden.

[...]“

Punkt IV. enthält die mit dem Bescheid genehmigte Satzung der Genossenschaft, Punkt V. den Wegkataster, in dem auch die einbezogenen Grundstücke des Klägers angeführt sind. In Punkt VI. („Allgemeine Bestimmungen“) findet sich ua folgende Regelung:

„1. Am Beginn des Güterweges ist eine Fahrverbotstafel mit der Zusatztafel 'Ausgenommen Genossenschaftsmitglieder/Berechtigte' anzubringen.“

Die Güterwegegenossenschaft ist grundbücherliche Alleineigentümerin des Güterwegs.

Am 10. 2. 2006 erließ die ABB Bregenz einen Bescheid, mit dem während der Wintersaison die Entfernung der im Gründungsbescheid unter VI.1. erwähnten Zusatztafel angeordnet wurde. In der Begründung dieses Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Voraussetzung für die Errichtung des Güterwegs der ausdrücklich erklärte Verzicht der Genossenschaftsmitglieder auf die Benützung des Wegs im Winter gewesen sei. Die strikte Beachtung dieser Auflage sei weiterhin aktuell. Die Zusatztafel könnte dahin verstanden werden, dass der Güterweg während des ganzen Jahres mit Kraftfahrzeugen benützt werden dürfe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Klägers blieb erfolglos. Der zuletzt angerufene Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 17. 9. 2009, 2007/07/0164, die Beschwerde des Klägers als unbegründet ab.

Der Klagevertreter und der Bürgermeister der beklagten Partei hatten sich vor diesem Erkenntnis noch um eine Streitbeilegung bemüht. Am 20. 1. 2008 richtete der Bürgermeister ein Schreiben an den Klagevertreter, dessen Inhalt auszugsweise lautete:

„[...]

Der Gemeindevorstand D***** hat sich in seiner 30. Sitzung vom 22. 11. 2007 ausführlich mit deinen Schreiben vom 4. 11. 2007 und vom 18. 11. 2007 auseinander gesetzt. Bezug nehmend auf die im Schreiben vom 4. 11. 2007 genannten Bedingungen kann der Gemeindevorstand D***** mit Ausnahme der Punkte 3., 6. und 7. allen zustimmen.

Der Gemeindevorstand D***** hat beschlossen folgende Punkte während des Betriebes des P*****liftes zu berücksichtigen bzw wahrzunehmen:

1. Die Zufahrtsstraße muss jederzeit gerade auch für Notfälle von einem durchschnittlichen Kraftfahrzeug (zB VW Golf) benützt werden können.

2. Die Gemeinde D***** (der Bürgermeister) wird uns schriftlich über die jeweiligen Betriebszeiten und etwaige Veranstaltungen bzw auch diesbezügliche Abweichungen informieren.

3. Die Kreuzungsstelle Lift-Zufahrtsstraße wird künftig so gestaltet, wie dies am 13. 01. 2006 festgehalten wurde (Fotos liegen vor).

4. Die Kreuzungsstelle H***** wird auf ein Mindestmaß von 15 Metern reduziert und entsprechend gestaltet (Schreiben vom 08. 07. 2006).

5. […]

6. […]

Betreffend den Punkt 4. wird die Gestaltung des Zufahrtsweges am 17. 11. 2007 (welche auch du in deinem Schreiben vom 18. 11. 2007 als 'gut gestaltet' angesehen hast) als genauere Definition herangezogen.

[…]“

In der Folge erstellte der Klagevertreter den Entwurf einer „Vereinbarung“ zwischen der „Familie M***** und E***** V*****“ und der beklagten Partei, dessen Regelungsinhalt dem im Schreiben vom 20. 1. 2008 erwähnten Beschluss des Gemeindevorstands entsprach. Statt der Formulierung „berücksichtigen bzw wahrzunehmen“ enthielt der Entwurf allerdings den Passus, dass die beklagte Partei die geregelten Punkte „garantiert bzw gewährleistet“.

In der 39. Sitzung des Gemeindevorstands am 28. 10. 2008 trug der Bürgermeister den drei Vorstandsmitgliedern den ihnen schon mit der Einladung zur Sitzung übermittelten Text der Vereinbarung vor, ohne sich zu äußern, ob er die Vereinbarung befürworte oder nicht. Die Vorstandsmitglieder gingen aber von seiner Zustimmung aus, „da er ihnen dies im Vorfeld so vermittelt hatte“. Sie sprachen sich (ohne Stimme des Bürgermeisters) mit 2 : 1 Stimmen für die Vereinbarung aus. Anlässlich einer Gemeinderatssitzung wurde die Vereinbarung vom Kläger und vom Klagevertreter (E***** V*****) sowie vom Vizebürgermeister und einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstands, nicht aber vom - anwesenden Bürgermeister unterfertigt. Die Gründe für das Verhalten des Bürgermeisters konnten nicht festgestellt werden.

Mit der gemäß § 43 Abs 1 lit b (und Abs 2 lit a) StVO 1960 iVm § 1 Abs 1 der VO über den übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde in Angelegenheiten der Straßenpolizei erlassenen Verordnung des Bürgermeisters vom 2. 9. 2010, in Kraft getreten am 3. 9. 2010, wurde ua festgehalten, dass „der Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren“ ist.

Den auf Art 139 B VG gestützten, auf die Aufhebung dieser Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit gerichtete Antrag des Klägers wies der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. 11. 2011, V 123/10, zurück. Dem Kläger mangle es an der Antragslegitimation, weil ihm noch die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 StVO 1960 offen stehe.

Über den Antrag des Klägers, ihm eine solche Ausnahmegenehmigung zu erteilen, wurde bisher nicht entschieden.

Der Kläger begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ab sofort sämtliche Störungen rund um das Zufahrtsrecht des Klägers zu seinem Anwesen P***** in ***** D*****, insbesondere durch die Errichtung und/oder Absperrung einer Schrankenanlage oder eines gleichartigen Hindernisses (Sperrvorrichtung) auf der betreffenden Zufahrtsstraße mit der GST NR ***** GB ***** D*****, welche ausgehend von der P***** (öffentliches Gut, GST NR ***** GB ***** D*****) zur Liegenschaft in EZ ***** GB ***** D***** beziehungsweise zum Anwesen P***** führt, zu unterlassen; außerdem stellt er ein Eventualunterlassungsbegehren.

Überdies begehrt er Zahlung von 200.000 EUR sA und stellt ein Feststellungsbegehren, welche aber nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.

Dazu stützt er sich unter anderem auch auf die im Jahr 2008 mit der Gemeinde geschlossene Vereinbarung, nach der diese garantiert, dass die Zufahrtsstraße jederzeit gerade auch für Notfälle von einem durchschnittlichen Kraftfahrzeug (zB VW Golf) benützt werden kann.

Die Gemeinde stützt sich für die Sperre der Straße durch eine Schrankenanlage darauf, dass nach der gemäß § 43 Abs 1 lit b und Abs 2 lit a StVO 1960 iVm § 1 Abs 1 der Verordnung über den übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde in Angelegenheiten der Straßenpolizei erlassenen Verordnung des Bürgermeisters vom 2. 9. 2010, in Kraft getreten am 3. 9. 2010, angeordnet worden sei, dass der Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren sei.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt, wies aber das Zahlungs und Feststellungsbegehren ab. Über die Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über das Unterlassungsbegehren im Rahmen des von ihm erlassenen Teilurteils dahin ab, dass es die Unterlassungsverpflichtung durch die Wendung „sofern und sobald dem Kläger eine Ausnahme von dem verordneten Fahrverbot von der Zufahrtsstraße bewilligt wird oder die Verordnung des Bürgermeisters über die Erlassung eines Fahrverbots auf dem Güterweg 'D*****' vom 2. 9. 2010 als gesetzwidrig aufgehoben wird“ beschränkte. Das Mehrbegehren im Sinne einer uneingeschränkten Unterlassung ab sofort wies es ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Zahlungs und Feststellungsbegehrens stellte das Berufungsgericht gemäß „§“ 89 Abs 2 B VG und Art 139 Abs 1 B VG den Antrag, den bereits zuvor genannten § 3 jener VO als gesetzwidrig aufzuheben, und hielt mit der Fortführung des Rechtsmittelverfahrens über die Berufung des Klägers inne.

Der Oberste Gerichtshof ist nach Art 89 Abs 2 Satz 1 B VG verpflichtet, dann, wenn er gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung zu stellen. Das Gericht kann den Antrag nur dann stellen, wenn es die Verordnung unmittelbar anzuwenden hat oder wenn die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung darstellt (RIS Justiz RS0053720; RS0053998). Welche Auswirkungen eine allfällige Aufhebung der Norm auf die Entscheidung hat, ist vorweg nicht Gegenstand der Prüfung der Präjudizialität (RIS Justiz RS0054015; zur mangelnden Bindung auch 9 ObS 16/93 = RS0043722). Jene Teile der Verordnung sind aber auch für das Unterlassungsbegehren präjudiziell, weil dann, wenn der als gesetzwidrig angefochtene Teil der Verordnung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden sollte, das Fahrverbot der Vereinbarung nicht mehr entgegenstünde und ein gänzliches Obsiegen des Klägers mit seinem Begehren einer Unterlassung ab sofort denkmöglich wäre.

Der Oberste Gerichtshof teilt die schon vom Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung:

1. § 43 Abs 1 lit b und Abs 2 lit a StVO 1960 idF BGBl I 2005/52 (Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise) lauten:

„(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

[...]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

[...].

(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,

[...]“

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs hat die Behörde vor Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 StVO 1960 die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzugs zu berücksichtigen (vgl VfSlg 18.579 mwN). Verkehrsbeschränkungen dürfen daher auch nur in jenem sachlichen, zeitlichen, örtlichen und personellen Umfang erlassen werden, in dem der im Einzelnen angestrebte, vom B VG und der StVO 1960 geschützte Zweck dies rechtfertigt. Die Schwere des Eingriffs in die ungehinderte Benützung und Zweck der Verkehrsbeschränkung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen ( Pürstl StVO 13 § 43 Anm 7).

3) Der in der Verordnung der Gemeinde in ihrem § 3 verwendete Begriff „Wintersaison“ enthält keine ausreichend konkrete zeitliche Definition oder Einschränkung des darin verfügten Fahrverbots. Für die Berechtigten und vom Verbot Ausgenommenen dies sind nach § 2c) der Verordnung nicht bloß die Mitglieder der Gütewegegenossenschaft, sondern auch deren Lieferanten, Arbeitskräfte, Handwerker und andere ist weder durch die Verordnung selbst, noch durch ein in der Natur aufgestelltes Fahrverbotsschild ersichtlich, auf welchen zeitlichen Rahmen (Beginn und Ende) sich der Begriff Wintersaison bezieht. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht ausgeführt, dass unklar sei, ob dieser Begriff auf Öffnungszeiten der örtlichen Fremdenverkehrsbeherbungsbetriebe, auf Betriebszeiten des Schilifts, auf kalendarisch oder meteorologische Determinanten abstelle.

4) Hat sich der Umfang einschränkend durch die Verordnung am Verbotszweck zu orientieren, dann bedarf es des Schutzes der auf oder abfahrenden Schifahrer im Kreuzungsbereich mit dem Güterweg nur während der Pistenöffnungszeiten und es wäre die Einschränkung durch das Fahrverbot auch der zeitlichen Ausnutzung durch den Betrieb des Lifts gegenüberzustellen. Nach dem Prüfbericht des Prüfungsausschusses der Gemeinde D***** „P*****lift vom August 2009, in dem die Wirtschaftlichkeit des Lifts stark bezweifelt wird, war der Lift in den letzten Jahren vor 2009 je nach Schneelage jeweils Montag, Mittwoch, Freitag von 13 16 Uhr, Samstag und Sonntag sowie in den Weihnachts und Semesterferien aber von 9 16 Uhr in Betrieb; in einem Zehnjahresschnitt ergaben sich 29,6 Betriebstage pro Jahr. Wird der Lift nicht an allen Tagen genutzt, bedarf es eines Fahrverbots nach dessen Zweck an solchen Tagen nicht. Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass gelindere Maßnahmen, etwa in Form einer Ampelregelung, denkbar sein könnten.

Ob der Güterweg im Ortsgebiet liegt, ergibt sich nicht aus dem Akt, damit bleibt fraglich, ob mit der Verordnung allein überhaupt eine § 87 Abs 1 StVO 1960 (Wintersport auf Straßen) entsprechende Ausnahme vom Verbot der Ausübung von Wintersport verfügt wurde.

5) Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die am 2. 9. 2010 erlassene Verordnung der Gemeinde D*****, nach ihrem § 4 Abs 2 am 3. 9. 2010 in Kraft trat und nach ihrem Text der Obmann der Gütewegegenossenschaft D***** ersucht wurde, einen Hinweis auf die Geltung dieser Verordnung unter Verwendung des Verbotszeichens gemäß § 52 lit 1 Z 1 StVO 1960 im Kleinformat und der Anbringung einer Zusatztafel mit der Aufschrift „Ausgenommen Berechtigte laut VO vom 02. September 2010“ an den angeordneten Stellen anzubringen. Die Anbringung der Zusatztafel oberhalb des Verbotszeichens mit der Aufschrift „Güterweg D*****“ sei zweckmäßig.

Weder sind die angeordneten Stellen näher umschrieben, noch entspricht die Anordnung der Anbringung der Zusatztafel oberhalb des Verbotszeichens der Bestimmung des § 54 Abs 1 bzw 3 StVO, wonach die Zusatztafel unter dem genannten Straßenverkehrszeichen anzubringen ist bzw die Zusatztafeln das darüber befindliche Verkehrszeichen nicht überragen darf.

Ob mit dieser Vorgangsweise unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 44 StVO 1960 idF BGBl I 2005/52 entsprochen wurde, nach dessen Abs 3 dann, wenn sich Verordnungen durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ausdrücken lassen, eine solche Verordnung an dem dem Anschlag folgenden zweiten Tag in Kraft tritt, den Vorschriften über die gehörige Kundmachung entsprochen wurde, kann fraglich sein, weil es keinen Unterschied zwischen einer „überhaupt nicht“ und einer „mangelhaft kundgemachten“ Rechtsvorschrift gibt (RIS Justiz RS0053910).

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