JudikaturJustiz1Ob169/12b

1Ob169/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl und Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, gegen die beklagte Partei P***** M*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Leistung (Streitwert: 8.000 EUR) infolge „außerordentlicher“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Juni 2012, GZ 3 R 102/12i 15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Rattenberg vom 13. Jänner 2012, GZ 1 C 207/11k 11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, die Wasserzufuhr zum Haus des Klägers entsprechend dem Wasserversorgungsvertrag, der zu Unrecht gekündigt worden sei, aufrecht zu erhalten und die Liegenschaft des Klägers mit Wasser zu versorgen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche“ Revision des Beklagten legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand (wie hier) insgesamt zwar 5.000 EUR, aber 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Dem Rechtsmittel fehlt aber die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Ablehnung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht gestellt werde. Der Beklagte wertet nämlich den Rechtsstreit über die Auflösung des Wasserversorgungsvertrags analog § 49 Abs 2 Z 5 JN als Bestandstreitigkeit, weshalb seiner Ansicht die Erhebung einer außerordentlichen Revision nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO zulässig sei.

§ 49 Abs 2 Z 5 JN ist aber nur auf reine Bestandverträge oder genossenschaftliche Nutzungsverträge oder auf die in § 1103 ABGB genannten Verträge über unbewegliche Sachen anzuwenden, nicht aber auf gemischte Verträge, die neben bestandrechtlichen Elementen auch solche anderer Vertragstypen enthalten (vgl 6 Ob 169/06f mwN; RIS Justiz RS0121125) oder mietähnliche Verhältnisse (2 Ob 233/99z; vgl Mayr in Rechberger 3 § 49 JN Rz 11 mwN). Ein Wasserbezugsvertrag ist zwar ein Dauerschuldverhältnis (1 Ob 143/10a), zählt aber so wie Strom und Gasbezugsverträge zu den sogenannten Zuleitungsverträgen, die den Abnehmer verpflichten, seinen Bedarf beim Versorgungsunternehmen, das seinerseits ständig lieferungsbereit sein muss, zu decken (vgl 1 Ob 759/77 mwN = SZ 51/99). Ein derartiger Vertrag ist den in § 49 Abs 2 Z 5 JN aufgezählten Vertragstypen nicht gleichzuhalten. Der nicht ausdehnend auszulegende (RIS Justiz RS0121125 [T1]) Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO liegt demnach nicht vor.

Das Rechtsmittel wäre demnach, auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird, dem Berufungsgericht, nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen (§ 508 ZPO). Dieser darf über das Rechtsmittel nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hatte, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS Justiz RS0109623). Ob aufgrund des fehlenden ausdrücklichen Antrags auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erforderlich ist, ist von den Vorinstanzen zu beurteilen (RIS Justiz RS0109623 [T8]).