JudikaturJustiz1Ob144/03p

1Ob144/03p – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Florian G*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** AG, vertreten durch Preslmayr Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen 453.266,28 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2003, GZ 3 R 190/01k 75, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juni 2001, GZ 15 Cg 157/97y 70, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 4. 3. 1996 wurde über das Vermögen einer Bauaktiengesellschaft (in der Folge nur: Gemeinschuldnerin) das Ausgleichsverfahren und am 5. 8. 1996 der Anschlusskonkurs eröffnet; der Kläger ist der Masseverwalter. Die beklagte Partei, die zum Abschlussprüfer der Gemeinschuldnerin bestellt war, erteilte am 12. 5. 1995 dem Jahresabschluss zum 31. 12. 1994 den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. In der Bilanz war ein Gewinn von 56,671.858,18 ATS ausgewiesen. Die Aktionäre der Gemeinschulderin beschlossen am 2. 6. 1995 die Ausschüttung einer Dividende von 50 Mio ATS und den Vortrag des restlichen Gewinns auf neue Rechnung. Für die Prüfung des Jahresabschlusses erhielt die beklagte Partei ein Honorar von 1,237.080 ATS.

Der Kläger begehrte zuletzt die Rückzahlung dieses Honorars und weitere 5 Mio ATS aus dem Titel des Schadenersatzes, weil die beklagte Partei einerseits von der Bestellung zum Jahresabschlussprüfer gesetzlich ausgeschlossen gewesen sei, und weil sie andererseits den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk nicht hätte erteilen dürfen. Der Ausschluss als Jahresabschlussprüfer ergebe sich aus dem Umstand, dass sie bei der Bilanzerstellung mitgewirkt habe, und der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk sei wegen des Fehlens gebotener Rückstellungen in der Höhe von mehreren 100 Mio ATS sowie infolge unrichtiger Bewertung von Forderungen gegen Konzerngesellschaften und von Beteiligungen an diesen nicht zulässig gewesen. In der Ausschüttung eines Gewinns von 50 Mio ATS, obwohl die Gemeinschuldnerin zum 31. 12. 1994 bereits insolvenzrechtlich überschuldet gewesen und ihre Zahlungsunfähigkeit spätestens am 15. 9. 1995 eingetreten sei, bestehe der Schaden der Gemeinschuldnerin, deren Überschuldung die beklagte Partei hätte erkennen müssen. Dann wäre das Ausgleichsverfahren früher eröffnet worden und allenfalls noch die Erfüllung des Ausgleichs möglich gewesen, jedenfalls aber wären die Konkursforderungen wesentlich geringer gehalten worden. Insbesondere hätten Rückstellungen für drohende Verluste aus Unternehmensbeteiligungen gebildet werden müssen, und die Werthaltigkeit der Forderungen gegen verbundene Unternehmen sei nur zu höchstens 50 % gegeben gewesen. Dem Umstand der finanziellen und wirtschaftlichen Krisensituation der Gemeinschuldnerin sei nicht Rechnung getragen worden.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, sie habe den Jahresabschluss 1994 sorgfältig geprüft. Von der Abschlussprüfung sei sie nicht ausgeschlossen gewesen, weil sie weder die Bilanz erstellt noch die Höhe einzelner Positionen festgesetzt habe. Nach umfangreichen Gesprächen über die einzelnen Bauvorhaben mit den Entscheidungsträgern des Konzerns habe sie die Überzeugung gewonnen, dass die Bilanz richtig sei. Es sei von der Fortführung des Unternehmens auszugehen gewesen, das Vorsichtsprinzip habe Beachtung gefunden, und es sei einer vernünftigen, nach kaufmännischen Kriterien zu erwartenden tatsächlichen Entwicklung Rechnung getragen worden. Die in der Bilanz aufscheinenden Rückstellungen und Abschreibungen seien ausreichend gewesen, ein darüber hinausgehender Wertberichtigungsbedarf habe nicht bestanden. Die Zukunftsprognosen der einzelnen, mit der Gemeinschuldnerin verflochtenen Unternehmen seien positiv und der Umfang der späteren Haftungen nicht vorhersehbar gewesen. Ende 1994 sei die Gemeinschuldnerin ebenso wie die konzernverbundenen Unternehmen nicht überschuldet gewesen. Die uneingeschränkte Bestätigung des Jahresabschlusses sei nicht kausal für die behaupteten Schäden, jedenfalls aber treffe die Organe der Gemeinschuldnerin ein erhebliches Mitverschulden wegen unrichtiger Aufklärung der beklagten Partei. Diese wendete offene Gegenforderungen von 564.327 ATS gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es stellte fest, die Gemeinschuldnerin habe die beklagte Partei zum Abschlussprüfer für die Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 1991 bis 1994 bestellt. In sämtlichen Prüfungsberichten habe die beklagte Partei für die Durchführung ihres Auftrags und ihre Verantwortlichkeit die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Abschlussprüfungen als maßgeblich erklärt. Danach hafte ein Wirtschaftstreuhänder nur für vorsätzliche und grob fahrlässig verschuldete Verletzungen der von ihm übernommenen Verpflichtungen; weiters könne ein Schadenersatzanspruch nur fristgebunden geltend gemacht werden. Die Gemeinschuldnerin habe die Bilanz zum 31. 12. 1994 ohne Mitwirkung der beklagten Partei erstellt, diese habe insbesondere den Ansatz von Rückstellungen und die Bewertung in der Bilanz nicht festgelegt.

Eine für Deutschland gegründete Gesellschaft mbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Gemeinschuldnerin, habe sich 1993 zu 35 % an einer ARGE beteiligt, die zwei Großaufträge für Wohnungsbauten in zwei russischen Städten ausführen sollte. Aus verschiedenen Gründen sei entgegen der ursprünglichen Kalkulation ein Verlust dieser Gesellschaft zu erwarten gewesen, es hätten aber auch zum Teil realisierbare Nachtragsforderungen bestanden. Die bilanzielle Bewertung der Bauvorhaben "mit DP O" (= Deckungsbeitrag Null) sei gerechtfertigt gewesen, und auch von den Abschlussprüfern der erwähnten Tochtergesellschaft sei diese Ansicht geteilt worden. Noch vor Erteilung des Bestätigungsvermerks durch die beklagte Partei habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die diese Tochtergesellschaft geprüft habe, mitgeteilt, sie erteile dieser Gesellschaft den Bestätigungsvermerk uneingeschränkt.

Die Gemeinschuldnerin sei Partnerin einer ARGE gewesen, die es ohne Berücksichtigung eingeklagter Mehrkosten zum Zeitpunkt der Jahresabschlussprüfung durch die beklagte Partei einen bereits eingetretenen Verlust von etwa 195,4 Mio ATS aufgewiesen habe. Da die Mehrkosten bereits eingeklagt gewesen seien und der in diesen Verfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten günstig beurteilt habe, sei ein Betrag von 100 Mio ATS die als mindestens zu erzielende Nachtragsforderung angesetzt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Verluste höher sein könnten, habe es nicht gegeben, und daher sei unter Bedachtnahme auf allfällige zusätzliche Risken eine bilanzielle Rückstellung im Ausmaß von etwa 101,3 Mio ATS vorgenommen worden.

Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung habe die Gemeinschuldnerin Forderungen gegen eine andere Tochtergesellschaft in Höhe von 105,519.000 ATS besessen. Diese Gesellschaft habe zum 31. 12. 1994 ein negatives Eigenkapital von etwa 53 Mio ATS und einen Jahresfehlbetrag von knapp 62 Mio ATS aufgewiesen. In der Planrechnung 1995 sei für das Jahr 1995 ein negatives Betriebsergebnis von 8,428.000 ATS prognostiziert worden. Die Finanzierung der genannten Tochtergesellschaft habe über die Gemeinschuldnerin erfolgen sollen. Für 1996 sei ein positives Ergebnis dieser Tochtergesellschaft erwartet worden. Die beklagte Partei habe alle Problembereiche (ordnungsgemäß) geprüft, sich erkundigt und Besprechungen abgehalten; das negative Eigenkapital sei durch Einbringung einer "Grundstücksgesellschaft" weitgehend abgedeckt worden.

Für eine weitere Tochtergesellschaft der Gemeinschuldnerin sei in die Bilanz eine Rückstellung für Haftungsverpflichtungen in Höhe von 3,8 Mio ATS vorgenommen worden, wobei deren Jahresverlust zum 31. 12. 1994 etwa 9 Mio ATS betragen habe und sich die Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen diese Tochtergesellschaft auf etwa 8,6 Mio ATS belaufen hätten. Man habe mit einer positiven Entwicklung, insbesondere mit der Akquisition mehrerer Aufträge gerechnet; in der Bilanz der Gemeinschuldnerin sei (lediglich) eine Abschreibung des Buchwerts der Beteiligung von rund 54 auf 32 Mio ATS vorgenommen worden.

Für eine Kommanditgesellschaft, die sich "über die Gemeinschuldnerin" finanziert habe, sei zum 31. 12. 1994 eine Rückstellung von 21,3 Mio ATS erfolgt.

Der Buchwert der Beteiligungen der Gemeinschuldnerin an zwei slowakischen Unternehmen habe zum 31. 12. 1994 je 124.000 ATS betragen. Trotz negativen Eigenkapitals und eines negativen Jahresabschlusses dieser Unternehmen und trotz des Bestehens einer Forderung gegen eine dieser Gesellschaften, jeweils in der Höhe mehrerer Millionen ATS, habe die Gemeinschuldnerin eine spezielle zusätzliche Vorsorge nicht für notwendig gehalten, weil die Slowakei ein ausgesprochener Hoffnungsmarkt gewesen sei.

Bei mehreren Projekten, an denen die Gemeinschuldnerin beteiligt gewesen sei, sei deren Scheitern nicht absehbar gewesen, habe man die Höhe der Verbindlichkeiten unterschreitende Rückstellungen gebildet, und sei eine Wertberichtigung großteils für nicht erforderlich angesehen worden.

Die beklagte Partei habe mehr als 1000 Prüfungsstunden für die Abschlussprüfung zum 31. 12. 1994 aufgewendet. Die Holding AG des Konzerns sei daran interessiert gewesen, dass die Gemeinschuldnerin Gewinne ausschütte.

Frühestens am 26. 2. 1997 habe der Kläger Kenntnis von der Möglichkeit eines Fehlers der beklagten Partei im Zuge der Abschlussprüfung der Bilanz der Gemeinschuldnerin zum 31. 12. 1994 gehabt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die beklagte Partei als Abschlussprüferin nicht ausgeschlossen gewesen sei, weil sie weder die Bilanz der Gemeinschuldnerin erstellt, noch einzelne deren Positionen festgelegt habe. Die Prüfung des Jahresabschlusses habe sich darauf zu erstrecken gehabt, ob die gesetzlichen Vorschriften und die ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung beachtet worden seien. Da die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, nach welchen die Bewertung zu erfolgen habe, gesetzlich kodifiziert seien, sei die Beiziehung eines Buchsachverständigen nicht nötig. Die beklagte Partei habe die Bilanz sorgfältig geprüft und eine Unzahl von Gesprächen mit Entscheidungsträgern des gesamten Konzerns geführt. Auf Grund dieser Informationen seien die das Vorsichtsprinzip beachtenden, aber nicht vom ungünstigsten Fall ausgehenden Rückstellungen durchaus genehmigungsfähig gewesen. Die Bilanz der deutschen Tochtergesellschaft habe die beklagte Partei nicht prüfen müssen, weil ohnehin bereits das Prüfungsergebnis eines deutschen Wirtschaftsprüfers vorgelegen sei. Selbst wenn bei einzelnen Positionen der Bilanz der zulässige Bewertungsspielraum überschritten worden sein sollte, hätte dies zu einer Gewinnausschüttung von 50 Mio ATS geführt, weil die Holding AG an der Ausschüttung eines Gewinns durch die Gemeinschuldnerin interessiert gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Prüfung des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft habe sich darauf zu erstrecken, ob die gesetzlichen Vorschriften und ergänzenden Bestimmungen der Satzung beachtet worden seien. Der Lagebericht sei darauf zu prüfen, ob er mit dem Jahresabschluss in Einklang stehe und ob die sonstigen Angaben im Lagebericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des Unternehmens erweckten. Ein Abschlussprüfer müsse zwar unverzüglich berichten, wenn er Tatsachen feststelle, die den Bestand des geprüften Unternehmens gefährdeten, es treffe ihn aber keine besondere Nachforschungspflicht. Die beklagte Partei habe die Einschätzungen des Vorstands der Gemeinschuldnerin geteilt, also deren Zukunftsprognose nicht widersprochen. Maßgeblich sei, wie plausibel die Darstellung der Situation durch den Vorstand der Gemeinschuldnerin und ob der beklagten Partei aus konkreten Umständen die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Scheiterns der geplanten Vorgangsweisen erkennbar gewesen sei. Es seien nur erkennbare Risken und drohende Verluste zu berücksichtigen und nur die am Abschlussstichtag verwirklichten Gewinne auszuweisen; die Chancen und Risken seien sorgfältig abzuwägen, wobei im Zweifel jenen Faktoren, die zu einem niedrigeren Erfolgs- und Vermögensausweis führten, höheres Gewicht beizumessen sei. Weitreichende Unterbewertungen und die Bildung stiller Reserven seien angesichts des "Vorsichtsprinzips" aber nicht zu rechtfertigen. Für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften seien Rückstellungen zu bilden, mit dem Verlusteintritt müsse aber ernstlich zu rechnen sein. Es sei daher lediglich zu prüfen, ob die beklagte Partei die jeweilige Gesamteinschätzung des Ergebnisses bei den verschiedenen Projekten durch den Vorstand der Gemeinschuldnerin habe billigen dürfen. Dies sei - im Einzelnen konkret dargestellt - der Fall gewesen. Auf die Angaben und Einschätzungen der die deutsche Tochtergesellschaft der Gemeinschuldnerin prüfenden Abschlussprüfer habe die beklagte Partei vertrauen dürfen. Es würde den Rahmen einer Abschlussprüfung sprengen, wollte man von den Prüfern verlangen, Baustellen in zwei russischen Städten selbst zu besichtigen. Die Rückstellungen hätten den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen entsprochen. Die Werte der verschiedensten Forderungen der Gemeinschuldnerin seien entsprechend berichtigt worden; es habe kein (weitergehender) Wertberichtigungsbedarf bestanden. Soweit die beklagte Partei eine "Nachrangigerklärung" für Forderungen der Gemeinschuldnerin so bewertet habe, dass diese Verbindlichkeit langfristig getilgt werden sollte und demnach eine Wertberichtigung nicht nötig sei, sei dies - zumal eine positive Fortbestehensprognose bestanden habe - nicht zu beanstanden. Forderungen seien nur dann geringer als die Anschaffungskosten zu bewerten, wenn ihre Einbringlichkeit zweifelhaft sei. Die Einschätzungen des Vorstands der Gemeinschuldnerin dazu seien durchaus plausibel gewesen; der Kläger habe nicht vorgebracht, aus welchen Umständen die beklagte Partei habe erkennen müssen, dass die jeweilige Einschätzung durch den Vorstand bzw die Geschäftsführung der jeweiligen Tochterunternehmen nicht richtig gewesen sei. Negatives Eigenkapital begründe lediglich die Notwendigkeit, eine Fortbestehensprognose zu erstellen. Sei diese positiv, so bestehe kein Anlass, von der Uneinbringlichkeit oder einer teilweisen Uneinbringlichkeit einer Forderung auszugehen. Dann bedürfe sie aber auch keiner Abschreibung iSd § 207 HGB. Dass die beklagte Partei die Situation des Gesamtkonzerns unrichtig beurteilt habe und hätte erkennen müssen, dass es zu einem Zusammenbruch dieses Konzerns kommen werde, lasse sich ex ante nicht begründen. Die Übernahme einer Haftung aus einem Kredit sei nur dann bedenklich, wenn dieser nicht zurückgezahlt werden könne, wofür es im Prüfungszeitraum keine Anhaltspunkte gegeben habe. Es komme nicht darauf an, ob die Einschätzung durch die beklagte Partei im Prüfungszeitpunkt tatsächlich richtig gewesen sei, sondern nur darauf, ob die Unrichtigkeit der Annahme einer positiven Fortbestehensprognose nicht plausibel gewesen sei. Der Kläger habe aber auch keine Behauptungen aufgestellt, in welchen konkreten Punkten die Planrechnungen unrichtig gewesen seien und weshalb dies der beklagten Partei habe auffallen müssen.

Der Jahresabschluss müsse ein möglichst getreues Bild der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln. Fragen der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung seien keine Tatfragen, weshalb die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Wirtschaftsprüfer zu Recht abgelehnt worden sei. Die generelle Eignung der beklagten Partei als Abschlussprüfer habe der Kläger nie in Frage gestellt. Es könne nicht gesagt werden, dass eine Beweisaufnahme zu der Frage, ob bestimmte konkrete Umstände vorgelegen seien, die die beklagte Partei hätten veranlassen müssen, die Plausibilität der positiven Einschätzung der Lage durch die Gemeinschuldnerin in Zweifel zu ziehen, nur durch Zuziehung eines Sachverständigen möglich sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Überschuldung wäre ein unzulässiger Erkundungsbeweis gewesen, denn der Kläger habe nicht konkret behauptet, welche Krisenindikatoren vorgelegen seien, auf Grund derer die beklagte Partei die Plausibilität der Einschätzung durch die Organe der Gemeinschuldnerin über die Lage des Unternehmens hätte in Frage stellen müssen. Ob die festgestellten Umstände bei mehreren Projekten die beklagte Partei dazu hätten nötigen müssen, Zukunftseinschätzungen durch die Gemeinschuldnerin in Frage zu stellen, sei eine Rechtsfrage.

Allein aus der Dauer einer Abschlussprüfung könne nicht darauf geschlossen werden, dass allenfalls die gebotene Sorgfalt nicht beachtet worden wäre.

Die Schlussfolgerung des Klägers, bei Verweigerung des Bestätigungsvermerks wäre es zu keiner Gewinnausschüttung gekommen, sei nicht zwingend. Insbesondere bei der Holding AG sei ein prinzipielles Interesse an einer solchen Gewinnausschüttung gegeben gewesen. Das Erstgericht sei ersichtlich der Überzeugung gewesen, die Beanstandung einzelner Bewertungen hätte nur zu einer vermehrten Auflösung von Rücklagen geführt; eine Ausschüttung der Dividende wäre trotzdem erfolgt. Es bleibe aber unklar, "bis zu welchem Ausmaß einer abweichenden Beurteilung ein Ausgleich durch Auflösung von Rücklagen vorgenommen worden wäre". Die Gewinnausschüttung an die beiden an der Gemeinschuldnerin beteiligten Beteiligungsgesellschaften stelle lediglich eine Vermögensverschiebung innerhalb des Konzerns dar, sodass dieser Vorgang für den Konzern keinen Schaden bewirkt habe. Es sei aber schadenersatzrechtlich maßgeblich, dass das Vermögen der Gemeinschuldnerin um den entsprechenden Betrag verringert worden sei, sofern die Gewinnausschüttung infolge eines zu Unrecht erteilten Testats erfolgt sei. Deshalb sei eine "Aufrechnung mit den Zahlungen, die der Masseverwalter von den Vorstandsmitgliedern der Gemeinschuldnerin erlangt habe", nicht zulässig.

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Kernfrage des Verfahrens ist es, ob die beklagte Partei bei der Prüfung des Jahresabschlusses der Gemeinschuldnerin zum 31. 12. 1994 bei Erteilung des (positiven) Bestätigungsvermerks mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist. Die Grundsätze, wie einerseits der Jahresabschluss aufzustellen und wie andererseits dessen Prüfung vorzunehmen ist, sind dem Gesetz zu entnehmen und wurden vom Berufungsgericht einwandfrei dargestellt.

So hat der Jahresabschluss ein möglichst getreues Bild der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln (§ 195 HGB), er hat sämtliche Vermögensgegenstände, Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten (§ 196 Abs 1 HGB). Insbesondere sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber in deren Höhe oder dem Zeitpunkt deren Eintritts unbestimmt sind (§ 198 Abs 8 Z 1 HGB). Bei der Bewertung ist grundsätzlich von der Fortführung des Unternehmens auszugehen, und vor allem ist auch der sogenannte "Grundsatz der Vorsicht" einzuhalten (§ 201 Abs 2 Z 2 und 4 HGB). Vorzunehmende Rückstellungen sind gemäß § 211 Abs 1 HGB in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend dargelegt, was Gegenstand und Umfang der Prüfung des Jahresabschlusses ist (§ 269 HGB), welchen Inhalt der Prüfungsbericht aufweisen muss (§ 273 HGB), und was der Prüfer iSd § 274 HGB zu bestätigen bzw in welchem Fall er die Bestätigung zu versagen hat. Insbesondere ist festzuhalten, dass der Abschlussprüfer gemäß § 275 Abs 1 und 2 HGB zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet ist und dass er im Falle der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung dieser Pflicht der (geprüften) Gesellschaft einen allenfalls aus seiner Prüftätigkeit entstehenden Schaden - im vorliegenden Fall jedenfalls betragsbeschränkt - zu ersetzen hat, sind doch die Vorschriften der §§ 273 bis 275 HGB Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB, die gerade auch den Zweck haben, die geprüfte Gesellschaft vor Vermögensschäden zu schützen (SZ 73/157).

Die Fragen, ob bei Erstellung des Jahresabschlusses die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung eingehalten wurden 195 HGB) und ob die beklagte Partei als Abschlussprüfer die gesetzlich gebotene Sorgfalt eingehalten hat, sind gewiss auch Fragen der rechtlichen Beurteilung. Es geht dabei aber nicht nur um die Lösung von Rechtsfragen, vielmehr bedarf es eines entsprechenden Tatsachensubstrats, das erst die erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerungen ermöglicht. Zum notwendigen Tatsachensubstrat gehört es ua, in welchem Ausmaß und bis zu welcher "Tiefe" eine Abschlussprüfung vorzunehmen ist, denn nur dann kann verlässlich beurteilt werden, ob diesen tatsächlichen Erfordernissen Rechnung getragen wurde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts geht es nicht "nur darum", ob bestimmte konkrete Umstände vorlagen, die die beklagte Partei hätten veranlassen müssen, die Plausibilität der positiven Einschätzung der Lage durch die Organe der Gemeinschuldnerin in Zweifel zu ziehen. Gewiss ist es iS des im § 201 Abs 2 Z 4 HGB verankerten Vorsichtsprinzips nötig, dass der Abschlussprüfer die von der Unternehmensführung vorgenommene Bewertung im Sinne deren Plausibilität nachvollziehen kann und dass an Hand vernünftiger kaufmännischer Kriterien der zu erwartenden tatsächlichen Entwicklung Rechnung getragen wird, wobei freilich bei der Risikoeinschätzung ein Ermessensspielraum bestehen muss (vgl 7 Ob 179/98v). Gerade bei einer in einen weiterverzweigten Konzern eingeflochtenen Gesellschaft wie der Gemeinschuldnerin, die die Inanspruchnahme ihrer Haftung für mehrere Tochtergesellschaften zu gewärtigen hatte, vertritt der erkennende Senat die Auffassung, dass es dezidierter Feststellungen dazu bedarf, wie Abschlussprüfer in dermaßen komplexen Fällen vorzugehen haben. Dies lässt sich schon angesichts der Verwendung zahlloser unbestimmter Rechtsbegriffe nicht allein aus dem Gesetz beantworten, vielmehr bedarf es auch der fachtechnischen Erörterung durch geeignete Sachverständige aus dem Fachbereich der Betriebswirtschaftslehre, um auf deren Ausführungen gestützte Feststellungen über den nach dem Stand dieses Fachgebiets erforderlichen Prüfungsumfang, insbesondere die "Prüfungstiefe" treffen und um diese so gewonnenen Feststellungen sodann einer verlässlichen rechtlichen Wertung unterziehen zu können. Insoweit haftet den Urteilen der Vorinstanzen ein Feststellungsmangel (§ 508 Z 4 iVm § 496 Abs 1 Z 3 ZPO) an, dem nur durch Ergänzung des Beweisverfahrens abgeholfen werden kann. Das Erstgericht wird nach Zuziehung eines insoweit versierten Sachverständigen entsprechende Feststellungen darüber zu treffen haben, in welcher Tiefe die Abschlussprüfung nach dem Stand der Betriebswirtschaftslehre und deren Praxis konkret hätte erfolgen müssen, insbesondere auch bei Bedachtnahme auf die im Einzelnen dargestellten Verflechtungen im Konzern und die dadurch entstandenen bereits realisierten oder doch potentiellen Haftungen der Gemeinschuldnerin für Gesellschaften, an denen sie in welcher Form immer - beteiligt war.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch, dass der Kläger eine Fehlleistung der beklagten Partei im Zusammenhang mit der Prüfung des Jahresabschlusses auf drohende Verluste bei der ARGE, an der sie beteiligt war, in der Revision (S 35 f) nicht mehr releviert, weshalb sich eine Prüfung dieses ursprünglich behaupteten Sorgfaltsverstoßes erübrigt (vgl JBl 2004, 252).

Was die ARGE, an der die deutsche Tochtergesellschaft beteiligt war, betrifft, ist festzuhalten, dass die beklagte Partei auf den von der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erteilten Bestätigungsver- merk, in dessen Kenntnis die beklagte Partei war, obwohl er formell noch nicht erteilt war - was der Kläger auch nicht in Abrede stellt , grundsätzlich vertrauen durfte, es sei denn, es wären dem Prüfbericht der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des von dieser beabsichtigten Bestätigungsvermerks zu entnehmen gewesen. Letzteres ist nach den bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu unterstellen (S 16 bis 18 des Ersturteils). Eine selbständige (neuerliche) Prüfung des Jahresabschlusses der Tochtergesellschaft war für die beklagte Partei nach derzeitigem Sachstand daher grundsätzlich nicht geboten. Ob die von der deutschen Abschlussprüferin insoweit zur Verfügung gestellten Unterlagen allerdings ausreichten, um von der Richtigkeit des von ihr schließlich erteilten Bestätigungsvermerks ausgehen zu dürfen, ist eine Frage der "Prüfungstiefe", die erst beantwortet werden kann, wenn entsprechende Feststellungen, die aus dem erforderlichen Sachverständigengutachten zu gewinnen sein werden, vorliegen. Dies gilt auch für die Frage, ob die beklagte Partei bzw die deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der vorgefundenden Sachlage Erhebungen "vor Ort" hätten vornehmen müssen, um überhaupt eine verlässliche Prüfung vornehmen zu können.

Ob der Kläger der beklagten Partei zu Recht oder aber ohne zureichende Rechtfertigung Nachlässigkeit vorwirft, weil diese der Gemeinschuldnerin den Bestätigungsvermerk, der auch deren Wertberichtigungen, Rechnungsabgrenzungen, Abschreibungen und Rückstellungen deren Grund und Höhe nach mitumfasst, kann in rechtlicher Hinsicht nicht verlässlich beurteilt werden, solange nicht feststeht, was nach dem Stand der Betriebswirtschaftslehre gerade bei jener überaus komplexen Sachlage - wie hier - notwendig ist, um sich jene Kenntnisse und sonstigen Beurteilungsgrundlagen zu verschaffen, die dem Abschlussprüfer erst jenes zuverlässige Bild erstehen lassen, das ihn in die Lage versetzt, die anstehende Prüfung nach den gesetzlichen Wertungen vorzunehmen; dazu bedarf es der Hilfe eines insoweit versierten Sachverständigen. Es mag sein, dass - isoliert betrachtet - der eine oder der andere Vorwurf des Klägers als nicht berechtigt erscheint, doch erfordert hier gerade die Fülle von Beteiligungen bzw die große Anzahl von Konzerngesellschaften eine Gesamtschau , für deren Erstellung die Beiziehung eines solchen Sachverständigen unentbehrlich ist.

Dem Kläger ist darin beizupflichten, dass sein Antrag auf Zuziehung eines Sachverständigen (aus dem Fache der Wirtschaftsprüfer) nicht als "unzulässiger Ausforschungs- oder Erkundungsbeweis" abgetan werden kann. Er hat an Hand konkreter "Geschäftsfälle" vorgebracht, dass dort keine entsprechenden Wertberichtigungen, Rückstellungen oder sonstigen Vorkehrungen vorgenommen worden seien, hat also einen konkreten rechtserheblichen Sachverhalt zum Beweisthema gemacht, sodass sein darauf abzielender Beweisantrag durchaus zulässig ist (vgl VersR 2003, 1195). Abgesehen davon wären die Vorinstanzen im Sinne der weiter oben angestellten Erwägungen ohnehin auch von Amts wegen verpflichtet gewesen, den dort umschriebenen Sachverständigenbeweis aufzunehmen.

Die Frage, ob die Dauer der Jahresabschlussprüfung durch die beklagte Partei zu gering bemessen gewesen sei, stellt sich derzeit nicht. Diese Frage wird aber wohl auf Grund der nach der gebotenen Begutachtung zu treffenden Feststellungen zu beantworten sein, denn erst dann wird rechtlich verlässlich beurteilt werden können, ob ein Sorgfaltsverstoß der beklagten Partei - in welcher Form immer - gegeben ist.

Den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht zu entnehmen, dass auch bei Versagung des Bestätigungsvermerks eine Gewinnausschüttung - insbesondere in Höhe der Dividende von 50 Mio ATS - erfolgt wäre. Es mag sein, dass die Holding AG Interesse an der Ausschüttung dieser Dividende gehabt haben mag, doch lässt sich daraus noch nicht ableiten, dass jedenfalls der hier streiterhebliche "Gewinn" ausgeschüttet worden wäre. Es müssten auch insoweit eindeutige Feststellungen getroffen werden, um an der Kausalität des behaupteten Sorgfaltsverstoßes der beklagten Partei für die Gewinnausschüttung zweifeln zu müssen.

In Stattgebung der Revision sind die Urteile der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung in erster Instanz aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.