JudikaturJustiz1Ob134/03t

1Ob134/03t – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Wasserrechtssache des Antragstellers Ing. Otto W*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Wamprechtshamer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Kostenersatzes gemäß § 31 Abs 3 WRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 14. Jänner 2003, GZ 6 R 257/02i-27, womit infolge von Rekursen beider Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Raab vom 25. Juli 2002, GZ 1 Nc 52/00x-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit seinem am 13. 11. 2000 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte der Antragsteller, es mögen ihm die Kosten der von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft angeordneten notstandspolizeilichen Maßnahmen von ATS 102.959,20 nicht auferlegt werden. Er sei mit Bescheid dieser Behörde vom 5. 10. 2000 zum Ersatz der Kosten notstandspolizeilicher Maßnahmen verpflichtet worden, weil ein nahe seinem Anwesen liegendes Gewässer durch Öl verschmutzt worden sei. Da der Antragsteller weder Verursacher dieser Ölverseuchung gewesen sei, noch als Liegenschaftseigentümer Manipulationen mit Ölgebinden geduldet habe, scheide er als Haftpflichtiger aus.

Die Antragsgegnerin wendete dagegen im Wesentlichen ein, der Antragsteller hätte die Öllache im Bereich seines Anwesens bemerken und sofort Gegenmaßnahmen ergreifen müssen. Er betreibe hobbymäßig die Restaurierung von alten Traktoren und Autos. Das damit verbundene Ablassen von Getriebe- und Altöl sei eine Tätigkeit, die unter den Begriff der Anlage im Sinn des § 31 Abs 1 WRG zu subsumieren sei. Als derartiger Anlageinhaber wäre der Antragsteller aber verpflichtet gewesen, selbst bei Sabotageakten Dritter die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die Haftung des Antragstellers sei darüber hinaus auch aufgrund seiner Eigenschaft als Liegenschaftseigentümer gemäß § 31 Abs 4 WRG gegeben.

Das Erstgericht sprach mit Sachbeschluss aus, dass der Antragsteller von der Bezahlung der Kosten der von der Bezirkshauptmannschaft angeordneten notstandspolizeilichen Maßnahmen befreit werde. Die auf der Liegenschaft vorhandenen Blechteile, Baumaterialien, Schiebetore und Autowracks stellten keine betriebliche Anlage im Sinn des Wasserrechtsgesetzes dar. Selbst wenn man darin eine solche Anlage erblicken wollte, sei die Ölverunreinigung nicht von dieser ausgegangen, weil der Sabotageakt des Ausbringens von Altöl mit den auf dem Hof befindlichen Gegenständen nichts zu tun gehabt habe. Der Antragsteller hafte auch nicht in seiner Eigenschaft als Liegenschaftseigentümer, weil er das Altöl ordnungsgemäß verwahrt und durch das Anbringen eines Eisentores den öffentlichen Zugang zu seiner Liegenschaft "vermindert" habe.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antragsteller schuldig erkannte, der Antragsgegnerin die Kosten der von der Bezirkshauptmannschaft angeordneten notstandspolizeilichen Maßnahmen in Höhe von EUR 7.482,34 zu ersetzen. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der Rechtsprechung müsse die Gewässerbeeinträchtigung mit dem Betrieb einer Anlage nicht "geradezu typisch" verbunden sein, sondern genüge es, dass die Anlage bzw ihr Betrieb zu einer solchen Einwirkung konkret geeignet sei. Das sei im vorliegenden Fall zu bejahen, gerate doch der Antragsteller im Zuge seiner Reparatur alter Autos, Traktoren und Maschinen mit allen möglichen Arten von Öl in Berührung. Als im Sinne des Gesetzes Verpflichteter sei neben dem unmittelbaren Verursacher auch der Anlagenbetreiber zu verstehen, den bei nicht bloß geringfügiger Wasserverunreinigung die Pflicht zum Ersatz des notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwands im Sinn einer verschuldensunabhängigen Verursacherhaftung gemäß § 31 Abs 3 WRG treffe. Bei dieser Sach- und Rechtslage könne es dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller nicht auch als Liegenschaftseigentümer nach § 31 Abs 4 WRG hafte. Dieser Beschluss des Rekursgerichts wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Antragstellers am 28. 1. 2003 zugestellt. Am 20. 2. 2003 überreichte der Antragsteller beim Erstgericht einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Diesen Antrag wies das Erstgericht ab. Gemäß der nach § 117 Abs 6 WRG anzuwendenden Bestimmung des § 30 Abs 3 EisbEG betrage die Rekursfrist 14 Tage. Letzter Tag der Rechtsmittelfrist sei daher der 11. 2. 2003 gewesen, sodass ein Revisionsrekurs, für dessen Einbringung die Bewilligung der Verfahrenshilfe angestrebt werde, jedenfalls als verspätet zurückzuweisen wäre. Die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 AußStrG lägen nicht vor, weil die Entscheidung des Rekursgerichts nicht ohne Nachteil eines Dritten abgeändert werden könnte, weil die Antragsgegnerin bereits Anspruch auf Zahlung von EUR 7.482,34 erworben habe. Dieser dem Vertreter des Antragstellers am 27. 2. 2003 zugestellte Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen. Mit Schriftsatz, zur Post gegeben am 13. 3. 2003, beantragte der Antragsteller, nunmehr vertreten durch einen anderen Rechtsanwalt, die Bewilligung der Verfahrenshilfe sowie der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsrekursfrist und führte den Revisionsrekurs aus. Sein ursprünglicher Rechtsvertreter habe ihn trotz Vollmachtskündigung nicht auf die 14-tägige Rechtsmittelfrist aufmerksam gemacht. Er habe ihm vielmehr eine Beschlussausfertigung ausgefolgt, auf der sich ein Vermerk über das Ende der Rechtsmittelfrist am 24. 2. 2003 befunden habe. Von der Fristversäumnis habe der Antragsteller erst durch Zustellung des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses am 27. 2. 2003 Kenntnis erlangt.

Das Erstgericht wies den neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ebenso wie jenen auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Auf der dem Antragsteller von seinem früher beauftragten Rechtsanwalt ausgefolgten Beschlussausfertigung sei nicht nur das Ende der Rechtsmittelfrist mit 24. 2. 2003 vermerkt gewesen, sondern hätten sich darunter auch noch ein Fragezeichen sowie der Hinweis "14 Tage korrigieren" befunden. Auch sei ihm von diesem Anwalt schriftlich nahegelegt worden, den Verfahrenshilfeantrag "am besten" sofort zu stellen, sodass von einem minderen Grad des Versehens nicht die Rede sein könne. Auch dieser dem Vertreter des Antragstellers am 24. 3. 2003 zugestellte Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers wurde vom Gericht zweiter Instanz unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 141/00t dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Dass der Revisionsrekurs des Antragstellers außerhalb der gemäß § 117 Abs 6 WRG hier anzuwendenden 14-tägigen Rekursfrist des § 30 Abs 3 EisbEG eingebracht wurde und damit verspätet ist, steht nach rechtskräftiger Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags für den Obersten Gerichtshof bindend fest. Fraglich kann somit nur mehr die Anwendbarkeit des § 11 Abs 2 AußStrG sein, wonach es dem Ermessen des Gerichts überlassen ist, auch nach verstrichener Frist auf Vorstellungen und Beschwerden in denjenigen Fällen Rücksicht zu nehmen, wo sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern lässt. Rekurse in nicht streitigen Rechtssachen sind daher - worauf auch die bereits vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 1 Ob 141/00t verweist - gemäß dem letzten Satz der zitierten Gesetzesstelle grundsätzlich auch nach Ablauf der Fristen von der ersten Instanz anzunehmen und der höheren Behörde vorzulegen. Das gemäß § 117 Abs 4 WRG durchzuführende gerichtliche Neufestsetzungsverfahren ist ein außerstreitiges Verfahren, in dem gemäß Abs 6 der genannten Gesetzesstelle die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes sinngemäß anzuwenden sind (Raschauer, WRG § 117 Rz 12). Der unter anderem das Rechtsmittelverfahren regelnde § 30 EisbEG lässt jedoch für die Anwendung des § 11 AußStrG keinen Raum. Er legt die Rechtsmittel und die Fristen, in denen sie zu erheben sind, fest und bestimmt ausdrücklich, dass gegen die Entscheidung nur der Rekurs zulässig ist. Damit ist das im § 11 Abs 1 AußStrG vorgesehene Rechtsmittel der Vorstellung im Enteignungsverfahren ausgeschlossen. § 30 Abs 3 EisbEG bestimmt ferner, dass die Rekursfrist 14 Tage beträgt. Während § 11 Abs 2 AußStrG nach Festlegung der Rekursfrist die Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels ermöglicht, fehlt eine solche Bestimmung in der gleich gerichteten Vorschrift des EisbEG. Die eigenständige Festsetzung der Rekursfrist wäre aber in Anbetracht der allgemeinen Verweisung auf die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen im § 24 EisbEG überflüssig, wenn der Gesetzgeber die Anwendung des § 11 AußStrG uneingeschränkt für zulässig erachtet hätte (JBl 1956, 593). Seit dieser Leitentscheidung ist es ständige und gesicherte Rechtsprechung, dass es den Rechtsmittelgerichten in Verfahren nach dem EisbEG und in Verfahren, in denen die Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäß anzuwenden sind, verwehrt ist, auf verspätete Rechtsmittel Rücksicht zu nehmen (RIS-Justiz RS0007181). Es erübrigt sich daher, auf das vom Erstgericht gebrauchte Argument, die Anwendung des § 11 Abs 2 AußStrG scheide deshalb aus, weil die Antragsgegnerin aus dem Beschluss bereits Rechte erworben habe (vgl RIS-Justiz RS0007107), näher einzugehen.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.