JudikaturJustiz15Os72/03

15Os72/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Eduard L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten L***** und der Staatsanwaltschaft sowie die Berufungen der Angeklagten Eduard L***** und Milos R***** und der Staatsanwaltschaft bezüglich beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10. Februar 2003, GZ 24 Hv 168/02i 132, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, der Angeklagten Eduard L***** und Milos R***** sowie der Verteidiger Dr. Werner und Mag. Podiwinsky zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L***** wird verworfen.

Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang an den - unter Beachtung des § 68 Abs 2 StPO - gemäß §§ 443 Abs 2, 445 Abs 2 StPO zuständigen Vorsitzenden des Schöffengerichtes des Landesgerichtes Linz als Einzelrichter zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten L***** und der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung des Angeklagten R***** wird teilweise Folge gegeben und die Strafe unter Anwendung der §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. Juni 2002, AZ 21 Hv 63/02a, auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt.

Der Berufung des Angeklagten R***** im Übrigen wird nicht Folge gegeben

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung betreffend den Angeklagten R***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unangefochten gebliebene Freisprüche enthält, wurden (soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz) Eduard L***** (richtig:) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, 28 Abs 4 Z 3 SMG (A I) und Milos R***** der Verbrechen (E I) nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und (F) des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in Linz, Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge 28 Abs 6 SMG) folgenden Personen verkauft bzw übergeben, und zwar:

Eduard L*****, wobei er die Taten mit Beziehung auf eine zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge ausmachende Suchtgiftmenge beging,

1) im Juni 2001 ca ein Gramm Kokain an Milos R***** und Abidin M*****

2) im Sommer 2001 in zwei "Teilmengen" 200 Gramm Cannabiskraut an Milos R*****

3) im Juli oder August 2001 drei Kilogramm Cannabiskraut an Milos R***** und Oswald P*****

4) Ende August 2001 ca 0,2 Gramm Kokain an Abidin M*****

5) von Dezember 2001 bis Anfang April 2002 in mindestens 21 "Teilmengen" ca 10 Kilogram Cannabiskraut, 1200 bis 1500 Ecstasy Tabletten und fünf Gramm Kokain an Werner und Viktoria K*****

6) von Dezember 2001 bis Mitte April 2002 in ca 40 "Teilmengen" insgesamt ca 500 Gramm Kokain an eine Person namens "Mi*****

7) von Februar bis Anfang Mai 2002 in mehreren "Teilmengen" insgesamt ca 140 Gramm Kokain an unbekannte Personen;

8) Anfang Mai 2002 300 Gramm Cannabisharz an Werner K*****

9) zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2001 oder Anfang 2002 ein Kilogramm Cannabiskraut an zwei Schwarzafrikaner namens "T*****" und "J*****".

Miols R*****

1) im Sommer 2001 jeweils 200 Gramm Cannabiskraut an Kristijan Tr***** und Abidin M*****

2) im Juli oder August 2001 "den überwiegenden Teil der von Eduard L***** stammenden" drei Kilogramm Cannabiskraut an Oswald P***** und unbekannte Personen;

3) von September bis Dezember 2001 in mehreren "Teilmengen" ca 50 Gramm Kokain an den Jugendlichen Josip C*****

4) im Dezember 2001 30 Gramm Cannabiskraut an Alexander J*****

(Reingehalt der Cannabisprodukte 4 %, vgl US 14)

Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft wurde von der Abschöpfung einer Bereicherung "gemäß § 20 StGB" abgesehen, weil der Schöffensenat eine 21.802 Euro übersteigende Bereicherung der Angeklagten (im Zweifel) nicht feststellte (US 19).

Gegen die (zu A erfolgte) Annahme (auch) der Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG richtet sich die allein auf die Z 5a des § 281 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard L*****.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Unterbleiben der Abschöpfung der Bereicherung in Ansehung beider Angeklagter mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 11 (dritter Fall) des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Nur der Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde kommt Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard L*****:

Indem der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge (Z 5a) mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die Urteilsannahme bezweifelt, dass allein durch die in Verkehr gesetzten Cannabisprodukte die "Übermenge" im Sinne des § 28 Abs 4 Z 3 SMG überschritten wurde (US 11, 14), bekämpft er lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Außerdem lässt der Angeklagte prozessordnungswidrig die ihm darüber hinaus zur Last liegende Übergaben von anderen suchtmittelhältigen Substanzen, nämlich von insgesamt "1200 bis 1500 Ecstasy Tabletten" und "706 Gramm Kokain" (US 11) außer Acht, deren Wirkstoffmengen zu den auf die Cannabisprodukte entfallenden Reinsubstanzquantität addiert werden müssen (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl III.2. und 3.).

Insgesamt vermag das Beschwerdevorbringen auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten Tatsachen zu wecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Anklagebehörde wendet in ihrer gegen den Abschöpfungsausspruch gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) zu Recht ein, dass bei Bejahung der präventiven Gründe des § 20a Abs 2 Z 1 zweiter Halbsatz StGB ein durch die strafbare Handlung erlangter Vermögenvorteil auch dann abgeschöpft werden kann, wenn dieser (wie hier) 21.802 Euro nicht übersteigt.

Vorliegend hat jedoch das Erstgericht die - bis zu dieser Wertgrenze - erforderliche Prüfung der bezeichneten Präventionserfordernisse vollends unterlassen und somit rechtsirrig vom gesetzlich eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht (vgl 13 Os 46/03). Deshalb werden im zweiten Rechtsgang die verabsäumten Feststellungen zu den Grundlagen jener Ermessensentscheidung zu treffen sein.

Somit war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard L***** zu verwerfen, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft jedoch das angefochtene Urteil, das im Übrigen im Schuldspruch betreffend beide Angeklagte und im Strafausspruch betreffend L***** unberührt bleibt, in dem beide Angeklagte betreffenden Ausspruch über das Unterbleiben der Abschöpfung der Bereicherung aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den als Einzelrichter zuständigen (vgl §§ 443 Abs 2, 445 Abs 2 StPO, unter Beachtung des § 68 Abs 2 StPO) Vorsitzenden des Schöffengerichtes (15 Os 101/97) verwiesen.

Das Schöffengericht verhängte, jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, über Eduard L***** nach § 28 Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren, über den Angeklagten Milos R***** nach § 28 Abs 3 SMG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.

Dabei wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die massiven einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall, bei Eduard L***** das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen und die Tatwiederholung, bei Milos R***** das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit Vergehen sowie die Tatwiederholung, bei beiden Angeklagten als mildernd das in der Hauptverhandlung großteils abgelegte Geständnis.

Im Übrigen wies es noch darauf hin, dass Eduard L***** in Österreich ein Großhändler für Suchtgift war "und über eine ausgezeichnete Suchtgiftconnection aus dem ehemaligen Jugoslawien" verfügte, es sich somit um einen professionellen Großhändler im Suchtgiftbereich handle.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich je die Berufungen der Angeklagten L***** und R*****, die eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe insoweit begehren, dass Antragstellung nach § 39 SMG ermöglicht würde, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend beide Angeklagte, mit der jeweils eine Erhöhung der Freiheitsstrafe beantragt wird.

Zu den Berufungen betreffend den Angeklagten L*****

Entgegen dem Berufungsvorbringen des Angeklagten tritt bei Annahme der Milderungsgründe die eigene Sucht im Hinblick auf den überwiegend aus Gewinnstreben betriebenen Suchtmittelhandel und das einschlägige belastende Vorleben bedeutungsmäßig ebenso in den Hintergrund wie der Umstand, dass er vom Mitangeklagten um den "Erlös" von 3 Kilogramm Cannabiskraut betrogen wurde. Wenn auch die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt, dass als erschwerend noch der lange Tatzeitraum der Suchtmitteldelinquenz, weiters die mehrfache Qualifikation des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG in Anschlag zu bringen ist, so hat das Schöffengericht doch im Ergebnis in richtiger Gewichtung der (nunmehr ergänzten) Strafzumessungstatsachen eine Freiheitsstrafe ausgemessen, welche der Täterpersönlichkeit und dem Unrechtsgehalt der Taten gerecht wird und somit nicht korrekturbedürftig ist. Demgemäß war der Berufung des Angeklagten L***** und jener der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten der Erfolg zu versagen.

Das Vorbringen zu einem allfälligen Vorgehen nach § 39 StGB bedarf damit keiner weiteren Erwiderung.

Als berechtigt erweist sich hingegen der in der Berufung des Angeklagten R***** erhobene Einwand, dass vom Erstgericht zu Unrecht nicht auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. Juni 2002, AZ 21 Hv 63/02a Bedacht genommen wurde. Der diesen Angeklagten treffende Strafausspruch war somit unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das bezeichnete Urteil zu korrigieren. Somit ist erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gleicher und verschiedener Art, die mehrfache Qualifikation des gewerbsmäßigen schweren Betruges sowie der lange Deliktszeitraum, mildernd hingegen das in der Hauptverhandlung großteils abgelegte Geständnis. Unter Bedachtnahme auf die Vorverurteilung ist die im Spruch festgesetzte Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.

Der Beschuldigte R***** war mit seiner Berufung im Übrigen ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.