JudikaturJustiz15Os40/16w

15Os40/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Isep als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard E***** wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 12 Hv 130/15h des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 7. Jänner 2016, AZ 10 Bs 424/15a (ON 95a der HV Akten) bezogenen Antrag der Generalprokuratur auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens in Bezug auf den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29. Oktober 2015, AZ 19 HR 200/15h, verfügt, der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 7. Jänner 2016, AZ 10 Bs 424/15a, aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zur neuen Entscheidung über die Beschwerde des Gerhard E***** verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund der von der Staatsanwaltschaft Graz zu AZ 11 St 38/15s am 29. Oktober 2015 erlassenen, mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom selben Tag, AZ 19 HR 200/15h, bewilligten Anordnung der Festnahme wurde der Angeklagte Gerhard E***** am 29. Oktober 2015 festgenommen (ON 8 bis 10 in ON 81 des Aktes AZ 12 Hv 130/15h des Landesgerichts für Strafsachen Graz) und es wurde ihm im Zuge dessen eine schriftliche Ausfertigung der Festnahmeanordnung samt Rechtsmittelbelehrung übergeben (ON 90a).

Mit per 12. November 2015 datierter Eingabe (ON 87a) erhob der inhaftierte Angeklagte gegen den die Festnahmeanordnung bewilligenden Beschluss Beschwerde, die am 16. November 2015 zur Post gegeben wurde (vgl Kuvert bei ON 87a).

Mit Beschluss vom 7. Jänner 2016, AZ 10 Bs 424/15a (GZ 12 Hv 130/15h 95a), wies das Oberlandesgericht Graz die Beschwerde des Angeklagten als unzulässig zurück, weil es aufgrund des auf dem Eingabekuvert der Beschwerde befindlichen Postvermerks davon ausging, dass das Rechtsmittel erst am 16. November 2015, sohin nach Ablauf der 14 tägigen Beschwerdefrist (§ 88 Abs 1 StPO), eingebracht worden wäre.

Mit Eingabe vom 19. Jänner 2016 (ON 99) brachte der Angeklagte vor, dass er die Beschwerde fristgerecht am 12. November 2015 an die Justizanstalt Graz Jakomini zur Weiterleitung übergeben habe, was der Anstaltsleiter bestätigte (ON 101 S 1).

Wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, wies das Oberlandesgericht Graz die Beschwerde des Beschuldigten rechtsfehlerfrei zurück, weil sie nach der im Entscheidungszeitpunkt gegebenen Aktenlage verspätet eingebracht worden war. Die nachträglich vorgelegte Bestätigung der Justizanstalt weckt aber erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Sachverhaltsbasis dieser Entscheidung. Dies greift die Generalprokuratur zulässigerweise mit einem auf außerordentliche Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens gerichteten Antrag auf, weil die analoge Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO durch den Obersten Gerichtshof stets dann in Betracht kommt, wenn sich wie hier herausstellt, dass letztinstanzliche Entscheidungen, die nicht vom Obersten Gerichtshof gefällt worden sind, auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv unrichtigen Verfahrensgrundlage ergangen sind, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist (RIS Justiz RS0117312 [insb T4, T8]).

Bei rechtzeitiger Abgabe eines Rechtsmittels einer in Haft befindlichen Person an die Leitung der Justizanstalt ist die Rechtsmittelfrist auch dann gewahrt, wenn es erst nach Fristablauf weitergeleitet wird (RIS Justiz RS0106085 [T1, T3]; Murschetz , WK StPO § 84 Rz 9).

Vorliegend fiel der letzte Tag der gemäß § 88 Abs 1 StPO 14 tägigen Beschwerdefrist auf den 12. November 2015. Die Weiterleitung der an diesem Tag einem Beamten der Justizanstalt übergebenen Beschwerde erst am 16. November 2015 kann dem in Haft befindlichen Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen (RIS Justiz RS0106085).

Demnach war in Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens zu verfügen, der bezeichnete Beschluss des Oberlandesgerichts Graz aufzuheben und diesem Gericht die neue Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten vom 12. November 2015 aufzutragen.