JudikaturJustiz15Os31/18z

15Os31/18z – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung der Ida K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 18. Jänner 2018, GZ 18 Hv 27/17d 29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ida K***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat sie am 27. April 2017 in K***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer bipolaren Störung, wobei bei ihr eine manisch psychotische Phase mit wahnhafter Realitätsverkennung vorlag, versucht, mit Gewalt der 76 jährigen Edeltraud L***** Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen, indem sie, nachdem diese ihr trotz vehementer Aufforderung kein Geld für den Kauf alkoholischer Getränke gegeben hatte, mehrfach und intensiv an der von L***** in den Händen gehaltenen Handtasche zerrte und mehrfach mit der Hand auf deren Hände schlug, damit diese die Handtasche loslasse, mithin eine Tat begangen, die als Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099547). Die von den Erstrichtern aus den erhobenen Beweisen mängelfrei gezogenen Schlussfolgerungen können hingegen nicht unter dem Aspekt einer Aktenwidrigkeit angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).

Da das Erstgericht nicht einzelne Angaben der Zeugin L***** zu von ihr durch die Gewalteinwirkung erlittenen Schmerzen oder Verletzungen referiert hat, sondern deren Angaben insgesamt als „unbedenklich und widerspruchsfrei“ bewertete (US 6), kommt Aktenwidrigkeit von vornherein nicht in Betracht. Indem die Rüge unter Verweis auf Details der Aussage des Opfers eine (erhebliche) Gewaltanwendung durch die Betroffene bestreitet, kritisiert sie bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld. Im Übrigen wäre auch bei Annahme nicht erheblicher Gewalt und – bei Vorliegen der weiteren Kriterien – eines sogenannten „minderschweren“ Raubes nach § 142 Abs 2 StGB eine für § 21 Abs 1 StGB erforderliche Anlasstat gegeben (vgl § 21 Abs 3 StGB; Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 4).

Soweit die Rüge die Annahme des Erstgerichts, die Betroffene habe nicht nur Gewalt angewendet, sondern auch mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben drohen wollen (US 5; vgl aber das Referat der entscheidenden Tatsachen US 1), kritisiert, spricht sie mit Blick auf den gleichfalls konstatierten Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel beim alternativen Mischtatbestand des § 142 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0093803) keine entscheidende Tatsache an (vgl zum Begriff RIS Justiz RS0117264).

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs und Vernunftssätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen (RIS-Justiz RS0119583).

Mit dem Hinweis auf das Fehlen objektivierter Verletzungen an den Händen des Opfers und dem Verweis auf Divergenzen in dessen Aussage (etwa ob es 50 Euro oder 20 Euro Bargeld in seiner Handtasche mitgeführt habe) gelingt es der Tatsachenrüge nicht, solche erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken. Auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) wird keine Nichtigkeit aus Z 5a aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (RIS Justiz RS0102162).

Die (leugnende) Verantwortung der Betroffenen wurde – der Kritik zuwider (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) – nicht „völlig außer Acht“ gelassen, sondern von den Tatrichtern in ihre Erwägungen einbezogen, aber als nicht beweiskräftig verworfen (US 7).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (vgl RIS Justiz RS0116565), weshalb die Urteilsannahmen (US 5 f; versuchtes Abnötigen von Bargeld durch Gewalt und mit Bereicherungsvorsatz) den Tatbestand der „Nötigung im Sinne des § 105 Abs 1 StGB“ und nicht jenen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB erfüllen sollten (vgl im Übrigen zum Scheinkonkurrenztyp der Spezialität Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 32 ff [34]).

Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider erschöpfen sich die Urteilsannahmen zur Prognosetat nicht in der substanzlosen Zitierung des Gesetzeswortlauts (vgl US 6, 8 f: „Raube, aber auch gefährliche Drohungen und Widerstände gegen die Staatsgewalt“). Mit der weiteren Behauptung, das Erstgericht habe diesbezüglich „schlicht die Ausführungen des Sachverständigen übernommen“, wird nur ein Berufungsgrund angesprochen (RIS-Justiz RS0113980 [insb T11, T12]).

Dass die Betroffene die Tat unter dem Einfluss ihrer Erkrankung, die einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades entspricht, begangen hat (Z 11 erster Fall; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 9), haben die Tatrichter festgestellt (US 6, 7). Soweit die Beschwerde aus dem Umstand des – von den Tatrichtern mitberücksichtigten (US 6) – Alkoholkonsums der Betroffenen andere Schlüsse zieht, zeigt sie kein Begründungsdefizit auf (Z 11 erster Fall iVm Z 5; vgl RIS-Justiz RS0099455).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).