JudikaturJustiz15Os151/17w

15Os151/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald L***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3, Abs 3 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Matthias G***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 18. September 2017, GZ 39 Hv 3/17w 111, sowie über dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494 Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch die rechtskräftigen Schuldsprüche zweier Mitangeklagter enthält, wurde Matthias G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3, Abs 3 zweiter Fall SMG (I./A/) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz und Abs 4 SMG (I./B/) schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Harald L***** und Patrick K*****

I. von März 2015 bis Oktober 2016 in F***** vorschriftswidrig, wobei sie an ein Suchtmittel gewöhnt waren und die Straftat überwiegend deshalb begingen, um sich für ihren persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen,

A./ Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem er in vier Aufzuchtvorgängen Cannabispflanzen anbaute, aufzog und zumindest 4.948 Gramm Cannabisblüten mit einem Reinheitsgrad von 0,25 % THCA, hinsichtlich 850 Gramm, von 4 % THCA hinsichtlich 1.105 Gramm und 16,1 % THCA hinsichtlich 2.993 Gramm (sohin eine Reinsubstanz von zumindest 528,19 Gramm THCA) sowie mit einem Reinheitsgrad von 0,05 % Delta 9 THC hinsichtlich 1.955 Gramm und von 1,23 % Delta 9 THC hinsichtlich 2.993 Gramm (sohin einer Reinsubstanz von zumindest 37,78 Gramm Delta 9 THC) aberntete;

B./ zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift, nämlich von Delta 9 THC und THCA hältigen Cannabisblüten, 149 Setzlinge der Cannabispflanze, mit dem Vorsatz angebaut, dass dieses durch Verkauf zu szeneüblichen Preisen in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*****, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 erster und vierter Fall) sind die Konstatierungen des Erstgerichts zur Menge der bei der vierten Tranche geernteten Cannabisblüten („2.993 Gramm getrocknet“; US 8) weder undeutlich noch offenbar unzureichend begründet, sondern wurde von den Tatrichtern auf die Sicherstellung eben einer solchen Menge gestützt (US 18; ON 44 S 3). Dass auf einem dem polizeilichen Abschlussbericht beigefügtem Lichtbild (neben anderen Dingen) auch „Stängel“ ersichtlich sind (ON 44 S 157), steht diesen Annahmen nicht entgegen.

Die Tatrichter gründeten ihre Feststellungen zum Reinheitsgehalt des Cannabis – ohne Verstoß gegen die Grundsätze logischen Denkens und allgemeine Erfahrungssätze (Z 5 vierter Fall) – auf den Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts (ON 30). Soweit der Beschwerdeführer den Beweiswert dieses Berichts bezweifelt und in diesem Zusammenhang die Einholung eines Sachverständigengutachtens, alternative Analysemethoden sowie „Beweisergebnisse“, wonach die Probenziehung korrekt erfolgte, vermisst (der Sache nach Z 5a), legt er nicht dar, wodurch er an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823).

Unter Bezugnahme auf Erläuterungen im Untersuchungsbericht, wonach die Messwerte „den Mittelwert aus mindestens drei Analysen“ mit einer statistischen Sicherheit von 95 % darstellen (ON 30 S 5), kritisiert die Rüge, es sei „im Sinn der Unschuldsvermutung“ im Zweifel nur der geringste (im Untersuchungsbericht nicht gesondert ausgewiesene) Wert heranzuziehen, verkennt damit aber, dass mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz keine Nichtigkeit aus Z 5 oder 5a aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft wird (RIS-Justiz RS0102162).

Auch mit der Behauptung eines (angeblichen) Rechenfehlers des Untersuchungsberichts bei Berechnung des THCA- bzw Delta 9 THC Gehalts aus dem ermittelten Gesamtgehalt macht die Beschwerde keinen formalen Begründungsmangel (Z 5) der erstgerichtlichen Konstatierungen geltend, die auf dem Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung (ON 30 S 7 f; vgl RIS Justiz RS0097433) basieren. Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung auf einen gar nicht ausgewiesenen (komplexen, weil auf unterschiedlichen Molekulargewichten und anderen Faktoren basierenden) Zwischenschritt der Untersuchung rekurriert und eine alternative Berechnungsmöglichkeit präsentiert, zeigt er gerade kein erörterungsbedürftiges in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis auf, sondern kritisiert die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld. Ein (aus Z 4 garantiertes) Recht auf Überprüfung von Beweismitteln (hier des relevierten Untersuchungsberichts) besteht nur bei sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung; eine solche behauptet der Rechtsmittelwerber aber nicht einmal.

Schließlich wird auch – wie schon angemerkt – mit der (mehrfachen) Berufung auf den Zweifelsgrundsatz keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS Justiz RS0102162).

Der Wunsch nach einem „15%igen Abzug für Restfeuchtigkeit“ (der Cannabisblüten) auch bei der sichergestellten vierten Tranche übergeht die eindeutigen entgegenstehenden Konstatierungen (US 8: „Cannabisblüten [2.993 Gramm getrocknet ]“). Mit den diesbezüglichen Angaben der Angeklagten haben sich die Tatrichter – der Kritik der Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – ausdrücklich auseinandergesetzt (US 16).

Die Aussage des Drittangeklagten K*****, wonach bei der vierten Tranche verschiedene Sorten Cannabis angebaut worden wären (ON 110 S 59), blieb gleichfalls nicht unberücksichtigt, die Tatrichter haben allerdings die den Standpunkt des Zweitangeklagten begünstigenden Aussagen dieses Angeklagten ebenso wie die vom Beschwerdeführer selbst in diesem Kontext getätigten Depositionen als unglaubwürdig bewertet (US 14).

Zu I./B/ haben die Tatrichter den Vorsatz des Angeklagten, dass ein (die Grenzmenge übersteigender) Teil des erzeugten Suchtgifts „durch Verkauf zu szeneüblichen Preisen“ in Verkehr gesetzt werden sollte (US 10), logisch und empirisch mängelfrei auf den Anbau einer mehr als den Eigenbedarf abdeckenden Menge Suchtgift, das Bestreben, einen immer höheren und besseren Ertrag zu erzielen, und den Umstand, dass der Drittangeklagte dem Erstangeklagten 5.000 Euro pro Aufzuchttranche bezahlte, gegründet (US 20; Z 5 vierter Fall, nominell auch zweiter und dritter Fall). Die dies in Zweifel ziehenden Erwägungen der Beschwerde erweisen sich neuerlich lediglich als Bekämpfung des Beweiswürdigungsermessens nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen. Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) die Ausführungen zur Mängelrüge „ausdrücklich als Verstoß gegen § 281 Abs 1 Z 5a StPO“ geltend macht, entspricht sie daher nicht der Strafprozessordnung (RIS Justiz RS0115902).

Als Aufklärungsrüge (Z 5a) moniert sie eine mangelnde Erörterung „des Untersuchungsberichts ON 30 im Rahmen des Beweisverfahrens“, macht aber nicht klar, wodurch der anwaltlich vertretene Angeklagte gehindert gewesen wäre, insofern zweckentsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen (RIS Justiz RS0115823). Weshalb die Angeklagten davon ausgehen hätten können, dass das Erstgericht auch bei der sichergestellten Menge von getrocknet 2.993 Gramm Cannabisblüten (ON 44 S 3; US 8) zugunsten der Angeklagten einen Abschlag von 15 % wegen Restfeuchtigkeit (wie bei der zweiten und dritten – nicht sichergestellten – Tranche) vornehmen werde, vermag die Beschwerde nicht darzulegen. Nur vor überraschenden Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen aber wird der Angeklagte aus Z 5a geschützt (RIS-Justiz RS0125372).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) hält mit der auf die Verantwortung des Angeklagten (ON 110 S 59) gegründeten Forderung nach einer Konstatierung, dass „bei der vierten Tranche verschiedene Sorten von Cannabispflanzen angebaut wurden“ und man daher nicht feststellen könne, „welche genauen Mengen welcher Sorte welchen Reinheitsgehalt“ aufgewiesen hätten, nicht – wie dies bei Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit erforderlich wäre (RIS Justiz RS0099810) – an den tatrichterlichen Feststellungen fest, die Reinheitsgrade und absolute Mengen an Reinsubstanz der Suchtgifte ausweisen (US 8 f). Das weitere Vorbringen, als Konsequenz „wäre überhaupt von der Verfolgung zurückzutreten“ gewesen, geht damit von vornherein ins Leere.

Zu I./B/ macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar, weshalb Feststellungen „betreffend die objektiven Tatbestandsmerkmale“ dazu, dass zumindest 300 Gramm Cannabis durch Verkauf „in Verkehr gesetzt würden“ zur Beurteilung des Tatbestands des § 28 Abs 1 SMG erforderlich wären (zu den Tatbestandserfordernissen vgl RIS Justiz RS0127351, die das Tatbild des § 28 Abs 1 SMG abdeckenden Konstatierungen finden sich auf US 9).

Die Sanktionsrüge (Z 11) macht mit dem Vorbringen, bei der Strafzumessung wären als mildernd die (teilweise) Sicherstellung des Suchtgifts und die Konfiskation (der im Eigentum des Zweitangeklagten stehenden Gegenstände) zu werten gewesen, lediglich Berufungsgründe geltend (RIS-Justiz RS0099911; zur Konfiskation vgl im Übrigen RIS Justiz RS0130619). Schließlich bleibt unverständlich, inwiefern die Ausführungen der Strafberufung zu den „übrigen Fehlbeurteilungen im Rahmen der Strafzumessung“ bei der Beurteilung des Nichtigkeitsgrundes „beachtet“ werden sollten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hierzu erstatteten Äußerung der Verteidigung – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.