JudikaturJustiz15Os123/22k

15Os123/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Juli 2022, GZ 13 Hv 26/22v 38a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* zweier Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 10. September 2001 und Anfang Sommer 2002 in S* die am * geborene * M* und die am * geborene * St* „in seiner Funktion als Bademeister“ eines Hallenbades in dessen Keller gelockt und dort mit diesen den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie aufforderte, sich nackt auszuziehen und auf eine Liege zu legen, sie am ganzen Körper mit Öl einrieb und zumindest mit einem Finger vaginal in die Opfer eindrang und (erfolglos) versuchte, mit seinem Penis vaginal in diese einzudringen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9“ gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

[4] Das Schöffengericht hat die Feststellungen zur objektiven Tatseite (wie von der Beschwerde ohnehin erkannt) „vorwiegend“ auf die „nachvollziehbaren und glaubwürdigen Angaben“ der Zeugin M* gestützt und sich mit den „Unstimmigkeiten“ bei der zeitlichen Einordnung eines von ihr in der Kindheit erlittenen schweren Unfalls ebenso auseinandergesetzt wie mit der Identifizierung des Angeklagten durch das Opfer (US 7 ff). Der Vorwurf (Z 5 vierter Fall), das Urteil enthalte keine Begründung zum Tathergang, zum Tatzeitpunkt (vgl aber US 9, wonach die Zeugin „von Anfang an“ geschildert habe, „dass sich der Vorfall in der vierten Volksschule ereignet habe“) und zum Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit Dienst im Hallenbad hatte (vgl zur Täterbeschreibung der Zeugin aber US 8), trifft daher nicht zu.

[5] Warum diese Begründung wiederum offenbar unzureichend sein, also den Kriterien der Logik und Empirie widersprechen sollte (RIS-Justiz RS0116732), wird mit der bloßen Behauptung, ein „einfacher Verweis“ auf eine Zeugenaussage und „Ausführungen, dass die Aussagen glaubwürdig wären“, sei keine zureichende Begründung, nicht dargelegt. Im Übrigen wird mit dieser Argumentation nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl US 6 ff zur Würdigung der Verantwortung des Angeklagten sowie der Aussagen der Zeugen * T*, * F* und St*) in den Blick genommen (RIS Justiz RS0119370).

[6] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite haben die Tatrichter aus der „objektiven Vorgehensweise“ abgeleitet (US 10), was – der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider – auch mit Blick auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS Justiz RS0116882 [T1], RS0098671). Dass das Erstgericht das Wissen des Angeklagten von der Unmündigkeit der Opfer (US 5) aus dem Umstand schloss, dass die Mädchen zum Tatzeitpunkt erst zehn Jahre alt waren (US 10), begegnet nach Maßgabe des vierten Falls der Z 5 ebenfalls keinen Bedenken (RIS Justiz RS0108609).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit Hinweisen auf die (vom Schöffengericht gewürdigten [US 8 ff]) Widersprüche in den Aussagen der Zeugin M* zum Tatzeitpunkt keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0118780).

[8] Durch die in diesem Zusammenhang erfolgte Berufung auf den Grundsatz „in dubio pro reo“ wird ein aus Z 5a beachtlicher Mangel nicht releviert (RIS Justiz RS0102162). Soweit „aus advokatorischer Vorsicht“ eine prozessual unrichtige Missachtung des Zweifelsgrundsatzes behauptet und auf „§ 281 Abs 1 Z 9 StPO“ gestützt wird, werden der Sache nach bloß die Urteilsfeststellungen in Zweifel gezogen, ohne von diesen ausgehend einen allfälligen Rechtsfehler des Erstgerichts aufzuzeigen (RIS Justiz RS0098325, RS0099756).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[10] Dieses wird zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil durch die erschwerende Wertung (US 11) der „Begehung unter Missbrauch einer Autoritätsstellung (§ 33 Abs 2 Z 3 StGB)“ an vom Angeklagten nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall leidet.

[11] Eine Autoritätsstellung iSd § 33 Abs 2 Z 3 StGB erfordert eine im Verhältnis zum Opfer übergeordnete (Macht )Position, wie sie insbesondere in Erziehungs-, Betreuungs-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen besteht (vgl Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 36; EBRV 689 BlgNR 25. GP 9; zu § 212 Abs 1 Z 2 StGB siehe auch Philipp in WK 2 StGB § 212 Rz 5).

[12] Diese Stellung missbraucht, wer die Autorität gezielt (sei es auch nur durch schlüssigen Einsatz eines Täter und Opfer bewussten Abhängigkeitsverhältnisses) zur Deliktsverwirklichung einsetzt, die Autorität des Täters solcherart für die Tatausführung mitbestimmend ist, nicht aber derjenige, der bloß eine sich im Zusammenhang mit seiner Stellung bietende Gelegenheit zur Tatbegehung nützt (vgl zu § 212 StGB RIS Justiz RS0095185, RS0095266).

[13] Gegenständlich enthält das Urteil (US 4 f) schon keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem Angeklagten als Bademeister eines Hallenbades gegenüber den beiden Opfern eine Autoritätsstellung im oben dargestellten Sinn zukam.

[14] Ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist nicht erforderlich, weil das Oberlandesgericht diesem Umstand im Rahmen seiner Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung Rechnung tragen kann (RIS Justiz RS0109969, RS0119220).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

Rechtssätze
6