JudikaturJustiz15Os102/90

15Os102/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.September 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred K*** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 23. März 1990, GZ 18 U 20/90-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren zum AZ 18 U 20/90 des Bezirksgerichtes Linz wurde am 23.März 1990 durch die Beschlußfassung dieses Gerichtes gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO über die dem Manfred K*** mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26.August 1987 unter dem AZ 30 E Vr 1048/87 gewährte bedingte Strafnachsicht und über die ihm dabei bestimmte Probezeit das Gesetz in den Bestimmungen des § 494 a Abs. 1 StPO sowie des § 53 Abs. 2 (iVm Abs. 1) StGB verletzt. Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden der (in die Strafverfügung vom selben Tag, ON 3, aufgenommene) bezeichnete Beschluß sowie alle darauf beruhenden gerichtlichen Verfügungen aufgehoben.

Text

Gründe:

Im Verfahren zum AZ 30 E Vr 1048/87 des Landesgerichtes Linz war Manfred K*** mit Urteil vom 26.August 1987 zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden; jene bedingte Strafnachsicht hatte das genannte Gericht am 27.Dezember 1989 rechtskräftig widerrufen. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 7. Februar 1990, AZ 11 Ns 48/90, wurde dem Verurteilten die in Rede stehende Strafe gemäß § 410 Abs. 1 StPO erneut bedingt nachgesehen. Am 23.März 1990 erließ das Bezirksgericht Linz unter dem AZ 18 U 20/90 wegen einer am 19.Oktober 1989 von K*** begangenen weiteren strafbaren Handlung gegen ihn eine Strafverfügung (ON 3), in die es (iS § 494 a Abs. 6 StPO) auch den (nicht ausdrücklich als solchen deklarierten) Beschluß aufnahm, daß nach § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO vom Widerruf der "mit Urteil des LG Linz vom 26.8.1987 zu 30 E Vr 1048/87" gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und (iS Abs. 7 der bezeichneten Verfahrensbestimmung) die Probezeit (ersichtlich gemäß § 53 Abs. 2 StGB) auf fünf Jahre verlängert werde.

Rechtliche Beurteilung

Diese Beschlußfassung war sowohl prozessual unzulässig als auch materiellrechtlich verfehlt.

Denn zum einen ist im Fall der Verurteilung eines Täters, in Ansehung dessen zur Zeit der Urteilsfällung noch eine Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht offensteht, die Zuständigkeit des später erkennenden Gerichts zur Entscheidung auch über jene bedingte Nachsicht nach § 494 a Abs. 1 StPO nur dann vorgesehen, wenn dabei (gemäß §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1 StGB) noch ein Widerruf (Z 4) oder ein Absehen vom (an sich noch zulässigen) Widerruf (Z 2), allenfalls in Verbindung (Abs. 7) mit begleitenden Maßnahmen iS § 53 Abs. 2 StGB, in Betracht kommt (idS 15 Os 73,74/90); dazu aber war hier sowohl in bezug auf die seinerzeit mit Urteil angeordnete bedingte Strafnachsicht, weil sie mittlerweile bereits widerrufen worden war, als auch mit Beziehung auf die in der Folge gemäß § 410 StPO neuerlich gewährte bedingte Nachsicht von vornherein kein Raum: war doch in Ansehung der zuletzt relevierten Rechtswohltat im Hinblick darauf, daß die mit der Strafverfügung abgeurteilte neue Tat schon im Oktober 1989, also nicht während der (nunmehr wirksamen, erst im März 1990 beschlußmäßig in Gang gesetzten) Probezeit, verübt worden war und daß ihretwegen (mit der Strafverfügung) auch nicht eine (mit Beziehung auf das seinerzeitige Urteil vom August 1987) nachträgliche Verurteilung gemäß § 31 StGB ausgesprochen wurde, ein Widerruf nach § 53 Abs. 1 StGB ebenso wie nach § 55 Abs. 1 StGB gleichfalls überhaupt unaktuell. Die von der Generalprokuratur mit Recht gerügte Beschlußfassung vom 23.März 1990 war daher primär nach § 494 a Abs. 1 StPO schon prozessual unzulässig; zur Entscheidung über einen - nach dem Gesagten hier jedenfalls unberechtigten - allfälligen Widerrufsantrag wäre das Landesgericht Linz (im Verfahren zum AZ 30 E Vr 1048/87) zuständig gewesen (§ 495 Abs. 1 StPO). Zum anderen aber war der bekämpfte Beschluß in bezug auf die damit angeordnete Verlängerung der seinerzeit mit dem Urteil festgesetzten Probezeit in der Tat auch materiellrechtlich verfehlt, weil diese (solcherart verlängerte) Probezeit nach dem mittlerweiligen Widerruf der ihr zugrunde gelegenen bedingten Strafnachsicht gar nicht mehr existent war sowie demgemäß die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 (iVm Abs. 1) StGB insoweit gleichfalls nicht vorlagen.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren sohin die aufgezeigten Gesetzesverletzungen wie im Tenor festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO zu beheben.

Rechtssätze
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