JudikaturJustiz15Os101/17t

15Os101/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Sergio P***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 4. Mai 2017, GZ 39 Hv 6/17g 137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Sergio P***** – soweit gegenständlich von Relevanz – des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. Juni 2016 in Z***** Anett S***** zu töten versucht, indem er mehrfach mit einem Messer auf ihren Oberkörper einzustechen versuchte und ihr mehrere Faustschläge versetzte, wobei es aufgrund der Gegenwehr der Genannten beim Versuch blieb.

Die Geschworenen haben die diesem Schuldspruch zugrunde liegende (anklagekonforme) Hauptfrage bejaht und (demgemäß) die Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene (und als Ganzes zu betrachtende) Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen (RIS-Justiz RS0125434).

Indem die Beschwerde behauptet, es würden in der Belehrung zur Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB einerseits „für eine Beurteilung der Tat nach § 87 Abs 1 StGB bzw. § 83 Abs 1 StGB wesentliche Tatbestandsmerkmale“ und andererseits eine „wesentliche und notwendige Abgrenzung zu (schlichten) Körperverletzungsdelikten“ fehlen, nimmt sie nicht an diesen Kriterien Maß.

Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang die Rechtsbelehrung zur – im Ergebnis nicht gestellten (vgl § 317 Abs 3 StPO) – Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB kritisiert und eine solche zur (ebenfalls unberücksichtigt gebliebenen) Eventualfrage in Richtung des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB vermisst, negiert sie den Inhalt der Rechtsbelehrung (ON 136 S 8 f und 14 ff) und legt nicht dar, inwieweit sich die behaupteten Fehler auf die Beantwortung der (bejahten) Hauptfrage ausgewirkt haben sollten (RIS-Justiz RS0110682, RS0111311; Ratz , WK-StPO § 345 Rz 63).

Die vermisste Darlegung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander sowie der Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage befindet sich (wie der Beschwerdeführer letztlich selbst darlegt) in ON 136 S 17 ff. Welche darüber hinausgehenden Belehrungen zur Erfüllung der Kriterien des § 321 Abs 2 StPO erforderlich gewesen wären, bleibt unklar.

Der Nichtigkeitsgrund nach Z 10a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn die Beschwerde aktenkundige Beweisergebnisse aufzuzeigen vermag, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, somit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Schuldberufung im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

Mit Hinweisen auf die Verantwortung des Angeklagten und das aus Sicht des Beschwerdeführers unverständliche Verhalten des Opfers weckt die Beschwerde ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur gegenständlichen Hauptfrage festgestellten entscheidenden Tatsachen wie mit den Behauptungen, die Schilderungen des Opfers seien unglaubwürdig und es würden nicht nur ein Tötungsmotiv sondern auch Schnittverletzungen beim Opfer fehlen (vgl RIS-Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO). Im Rahmen der Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung des Angeklagten kann auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Zusprüchen an Privatbeteiligte (§ 366 Abs 2 StPO) eine Leistungsfrist zu setzen ist (RIS-Justiz RS0126774).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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