JudikaturJustiz14Os99/03

14Os99/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. August 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2003 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Habl, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Claudio B***** und Carmine Antonio F***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 25. April 2003, GZ 10 Hv 61/03d-57, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Claudio B***** und Carmine Antonio F***** (zu 1.) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie (zu 2.) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach haben sie am 6. Februar 2003 in Graz im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter

1. ein Fahrzeug, dass zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW der Marke Fiat Uno, amtliches Kennzeichen *****, der Andrea K***** in Gebrauch genommen, wobei sie sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der in den §§ 129 - 131 StGB geschilderten Handlungen verschafften, indem sie die Fahrertüre aufbrachen und das Zündschloss herausrissen;

2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe Bediensteten der R***** reg GenmbH - Bankstelle A*****, 22.496,87 EUR mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie sich maskierten und mitgeführte Fleischmesser drohend gegen Angestellte und Kunden richteten.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde, und zwar Claudio B***** aus Z 6, 10a und 13 des § 345 Abs 1 StPO und Carmine Antonio F***** aus Z 5 leg cit.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde des Angeklagten B*****:

Die Fragenrüge (Z 6) ist mit der bloßen Behauptung, aufgrund des (im Rechtsmittel allerdings nicht näher dargelegten) Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung habe die "Möglichkeit" bestanden, dass der Beschwerdeführer den Raub ohne Verwendung einer Waffe hätte begehen können, weshalb eine Eventualfrage nach dem Grunddelikt des § 142 Abs 1 StGB zu stellen gewesen wäre, nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Für die gesetzgemäße Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes wäre ua die deutliche und bestimmte Bezeichnung des eine Eventualfrage indizierenden Tatsachensubstrats notwendig (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).

In der Tatsachenrüge (Z 10a) nennt der Nichtigkeitswerber jene Zeugen, die ihn nicht als Täter erkannten, und bezeichnet die ihn belastenden Aussagen jener vier namentlich angeführten Zeugen als widersprüchlich und als "unzureichend", um seine Verurteilung zu begründen.

Solcherart vermag die Beschwerde jedoch auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die entscheidenden Feststellungen im Wahrspruch zu wecken. Vielmehr trachtet sie nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die zum Nachteil des Angeklagten ausgefallene Beweiswürdigung der Geschworenen, welche im Übrigen nach Inhalt der Niederschrift den Schuldspruch auf das DNA-Gutachten (ON 30) stützen, in Zweifel zu ziehen.

Zu Unrecht reklamiert der Angeklagte schließlich unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall (gemeint: § 345 Abs 1 Z 13) StPO die Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. Dezember 2002, GZ 10 Hv 215/02z-168.

Die Bedachtnahme auf eine frühere Verurteilung setzt indes deren Rechtskraft voraus (Fabrizy StGB8 § 31 Rz 10). Das bezeichnete Urteil war aber - wie schon dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist - bei Verkündung des hier zu überprüfenden Urteils (am 25. April 2003) noch nicht rechtskräftig.

Für die im Rahmen der Sanktionsrüge vorgetragene Behauptung, die dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. Dezember 2002, GZ 10 Hv 215/02z-168, zugrundeliegenden Taten vom 17. April 2002 und die vorliegend abgeurteilten seien nur als Teilakte eines einzigen fortgesetzten Deliktes anzusehen (der Sache nach § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO zufolge Verstoßes gegen das ne-bis-in-idem-Gebot des XX. Hauptstückes der StPO), fehlt jeder tatsächliche Hinweis, sodass es keiner rechtlichen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes zur behaupteten Geltung dieser Rechtsfigur bedarf (vgl Ratz, WK2 Vorbem §§ 28-31 Rz 83 ff sowie WK-StPO § 281 Rz 405, 520).

Zur Beschwerde des F*****:

Dieser Nichtigkeitswerber wirft dem Schwurgerichtshof unter Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (der Sache nach Z 5 des § 345 Abs 1 StPO) eine Verletzung der Manuduktionspflicht vor, weil er nicht belehrt worden sei, formelle Anträge betreffend Beischaffung von Alibibeweisen (Vorlage eines Briefes und Vernehmung seiner Schwester als Zeugin) zu stellen.

Dem genügt zu erwidern, dass der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung durch einen Verfahrenshilfeverteidiger vertreten war und eine aus der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO relevante Anleitungspflicht gegenüber einem Verteidiger nicht besteht (Ratz aaO § 281 Rz 315). Im Übrigen hat F***** weder im Vorverfahren (ON 4) noch in der Hauptverhandlung (S 67/II) eine ladungsfähige Adresse jener Familienmitglieder angegeben, die seine behauptete Anwesenheit in Mailand zur Tatzeit bezeugen könnten.

Demnach waren beide Nichtigkeitsbeschwerden gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten (§§ 285i, 344 StPO). Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 390a, 344 StPO.