JudikaturJustiz14Os8/00

14Os8/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Greinert als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Herbert Z***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1; 107 Abs 1 und Abs 2 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29. November 1999, GZ 39 Vr 2.094/99-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, und des Verteidigers Mag. Szabo, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Herbert Z***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, seine Sachwalterin Dr. Ursula Z*****

1.am 2. August 1999 durch die Äußerung, er werde sie zusammenlegen und er könnte sie umbringen, wenn er sie auf der Straße treffe, sohin durch Drohung mit dem Tod, zur Freigabe eines Geldbetrages von 8.000 S zu nötigen versuchte, sowie

2. seit April 1999, zuletzt am 25. August 1999, durch die mehrfache Drohung sie umzubringen, mit dem Tod gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, somit - für ihn straflos - das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1.) und das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (2.) beging.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen versagt.

Rechtliche Beurteilung

Dem einleitenden Vorwurf der Mängelrüge, das Erstgericht habe Aktenstücke der im § 252 Abs 1 und Abs 2 StPO genannten Beschaffenheit ungeachtet ihrer Nichtverlesung "zum Gegenstand des Urteils" gemacht, ist der aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtliche ausdrückliche Verzicht (auch) des Beschwerdeführers auf die tatsächliche Verlesung dieser Schriftstücke entgegenzuhalten (S 265); in diesem Fall ist nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung (14 Os 129/98, 13 Os 153/99) die Art , wie ein solches Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO), der nachträglichen Kritik aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO entzogen. Dass diese Aktenstücke in der Hauptverhandlung überhaupt nicht vorgekommen wären, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Die Annahme, dass der Betroffene mit den inkriminierten Äußerungen bei der Bedrohten den Eindruck der ernst gemeinten Ankündigung des bevorstehenden Anschlags auf ihr Leben erwecken wollte, findet in den vom Schöffengericht für glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Dr. Ursula Z*****, Hans R***** und Mag. Astrid K*****, die durchwegs ein äußerst feindseliges, durch unmissverständliche Aggressionsgesten begleitetes Verhalten gegenüber der Sachwalterin beschreiben, eine tragfähige Basis; einzelne Passagen dieser Aussagen, aus denen der Beschwerdeführer unzulässigerweise unter Missachtung des Zusammenhangs, in dem sie gefallen sind, einen für ihn günstigeren Sinngehalt abzuleiten sucht, bedurften angesichts der Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner näheren Erörterung.

Die ins Treffen geführte persönliche Einschätzung der Eignung der inkriminierten Äußerungen als qualifizierte Drohung mit dem Tod durch die Zeugen ist nicht entscheidungsrelevant, weil diese Frage in den der Bekämpfung durch Mängelrüge entzogenen Bereich der rechtlichen Beurteilung fällt ( Jerabek in WK 2 § 74 Rz 34).

Dem Beschwerdevorbringen zuwider bezeichnete der Sachverständige Dr. Heinz P***** nicht die Alkoholisierung im Tatzeitpunkt, sondern die attestierte Alkoholerkrankung und dadurch ausgelöste paranoide Entwicklung, die eine seelische Abartigkeit höheren Grades bewirkte (S 189, 265), als Ursache für die im Tatzeitpunkt vorgelegene Zurechnungsunfähigkeit. Die Ausführungen des Sachverständigen stehen demgemäß nicht im Widerspruch zu den den Konsum berauschender Getränke bejahenden, lediglich eine schwere Alkoholisierung verneinenden Depositionen des Zeugen Hans R*****.

Für die vom Beschwerdeführer vermisste Auseinandersetzung mit der Erklärung des Sachverständigen Dr. P*****, er halte für eine Behandlung des Betroffenen "den § 22 für geeigneter" (S 261), bestand schon deshalb kein Anlass, weil die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gemäß § 22 StGB eine - vorliegend mangels Zurechnungsunfähigkeit nicht in Betracht kommende - Verurteilung des Rechtsbrechers voraussetzt.

Dazu kommt, dass auch § 21 Abs 2 StGB gegenüber § 22 StGB prävaliert (§ 22 Abs 2 zweiter Fall StGB) und therapeutische Gesichtspunkte bei der Abgrenzung der Maßnahmen zueinander als sachfremd nicht anzustellen sind ( Ratz in WK 2 Vorbem zu §§ 21-25 Rz 5).

Die unterbliebene Erörterung der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck als Pflegschaftsgericht vom 17. September 1999 erfolgten Aufhebung der Sachwalterschaft zu AZ 27 P 22/98m bewirkte schon im Blick auf die verschiedenen Voraussetzungen und Ziele von Sachwalterschaft bzw Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung. Mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Gutachten des Sachverständigen Dr. Peter P***** hinwieder setzte sich das Erstgericht umfassend auseinander (US 10 ff).

Die vom Schöffengericht zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, der Beschwerdeführer werde ohne Unterbringung in der Anstalt mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen (US 9), wird der in § 21 Abs 1 StGB als Unterbringungsprämisse normierten Gefährlichkeitsprognose gerecht ( Leukauf/Steininger Komm 3 § 21 RN 12); sie ist, soweit sie auf richterlichem Ermessen beruht, im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpfbar ( Leukauf/Steininger aaO RN 17). Die Forderung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), diese Befürchtung müsse "mit der für das Strafverfahren erforderlichen Gewissheit" anzunehmen sein, umschreibt - sollte sie nicht bloß auf Verkennung des Wesens einer Prognose beruhen - lediglich mit anderen Worten den vom Erstgericht ohnehin zugrunde gelegten hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.

Die einen Widerspruch zwischen der Absicht des Betroffenen, Dr. Ursula Z***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, und der Konstatierung fehlender Dispositions-und Diskretionsfähigkeit reklamierende weitere Rechtsrüge übersieht, dass die festgestellte deliktische Vorsatzform dogmatisch dem inneren Tatbestand und nicht der Schuld zuzurechnen ist. Die Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB beruht auf biologischen Zuständen, die dem Täter die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit nehmen. Auch eine nicht schuldfähige Person kann ungeachtet dessen in der erweiterten Vorsatzform der Absicht (hier: die Bedrohte in Furcht und Unruhe zu versetzen) handeln ( Leukauf/Steininger aaO § 21 Rz 10).

Dem sich gegen die Gefährlichkeitsprognose wendenden Berufungsvorbringen zuwider bedingt die vom Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Heinz P***** attestierte paranoide Entwicklung - der Alkoholmissbrauch des Betroffenen hat sich auf eine zykloide Persönlichkeitsstruktur aufgepfropft - im Zusammenhalt mit dem Vorleben (Vorstrafe wegen mehrfacher qualifizierter Bedrohung unter anderem des Vorstehers des Bezirksgerichts Imst in Bezug auf die Anordnung der Sachwalterschaft; AZ 39 EVr 2.510/98 des Landesgerichtes Innsbruck) die naheliegende Befürchtung, der Rechtsmittelwerber werde ohne Anhaltung in der Anstalt Aggressionsdelikte mit schweren Folgen begehen. Dass die Sachwalterschaft zwischenzeitig aufgehoben ist, ist für die ungünstige Prognose ohne Belang, weil sich der Betroffene auch von Vater und Bruder nachteilig behandelt, ausgenützt und betrogen fühlt (S 189), und auch zu befürchten ist, dass er gegen andere Personen "ausrastet", wenn er sich beleidigt, herabgesetzt oder gekränkt fühlt (S 265).

Rechtssätze
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