JudikaturJustiz14Os27/22k

14Os27/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wagner in der Strafsache gegen M* G* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 46 Hv 75/21s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 14. Oktober 2021 (ON 84) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, und des Verteidigers Dr. Philipp zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 46 Hv 75/21s des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil vom 14. Oktober 2021 (ON 84)

1./ im Schuldspruch der L* G* zu I./A./2./ und II./ hinsichtlich der rechtlichen Unterstellung der Taten unter § 148 erster Fall StGB diese Bestimmung und

2./ im Ausspruch über den Verfall eines Geldbetrags von 85.685 Euro § 20 Abs 3 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird hinsichtlich L* G* in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch zu I./A./2./ und II./ erfassten Taten unter § 148 erster Fall StGB, demzufolge auch in der zu diesem Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil vom 14. Oktober 2021 (ON 84) erkannte das Landesgericht für Strafsachen Wien – soweit hier von Relevanz – L* G* des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (I./A./2./ und II./) schuldig und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe. Weiters erklärte das Schöffengericht einen Betrag von 85.685 Euro für verfallen. Gegen wen sich dieser Ausspruch richtet, geht aus dem Urteil nicht hervor.

[2] Während die Angeklagten auf Rechtsmittel (ON 83 S 20) verzichteten, erhob die Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe [ON 88, 95]), über die das Oberlandesgericht Wien (AZ 31 Bs 383/21g) noch nicht entschieden hat.

[3] Nach dem Inhalt des Urteils hat L* G* in W* und anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) und mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern,

I./A./2./ im November 2020 * E* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, im Urteil beschriebene Gegenstände geringen Wertes zu einem überhöhten Preis zu kaufen, zur Übergabe von Goldschmuck gegen einen unter dem Marktwert liegenden Kaufpreis verleitet, wodurch der Genannte in einem Betrag von 1.200 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

II./ vom 5. Oktober 2019 bis 27. November 2021 durch Entgegennahme von Anrufen, „Vortäuschung“ von Kaufinteresse und Weitergabe von Kontaktdaten an M* G* zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Genannten beigetragen, der (soweit hier relevant) in 14 im Urteil genannten Fällen dort namentlich bezeichnete Personen durch die wahrheitswidrige Vorgabe, im Urteil beschriebene Gegenstände geringen Wertes zu einem überhöhten Preis zu kaufen, zur Übergabe von Gold, Goldschmuck, Münzen, Uhren und eines Armbandes jeweils gegen einen unter dem Marktwert liegenden Kaufpreis verleitet, wodurch diese in einem Betrag von 21.225 Euro am Vermögen geschädigt wurden.

[4] Nach den Entscheidungsgründen fasste M* G* zusammen mit L* G* „zur Aufbesserung seines Einkommens“ den Entschluss, „sich fortan durch Betrügereien den Lebensunterhalt zu verdienen“ (US 13). L* G* wusste vom Tatplan und den Tathandlungen des M* G* (US 15). In einem Fall begleitete sie den Genannten zum Opfer, nahm den Goldschmuck entgegen und händigte den Kaufpreis aus (US 14 f). Im Übrigen unterstützte sie M* G* bei der Entgegennahme von Anrufen der Opfer, denen gegenüber sie ein Kaufinteresse bekundete und Rückrufe versprach (US 15). Soweit hier relevant war die Absicht der L* G* darauf gerichtet, „sich selbst“ unrechtmäßig zu bereichern (US 15 f). Weiters beabsichtigte sie, „durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen, großteils indem sie willentlich und bewusst zu den Taten des M* G* beitrug, sich über mehr als ein Jahr hindurch ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro überstieg“ (US 16).

Rechtliche Beurteilung

[5] Dieses Urteil verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – das Gesetz.

[6] 1./ Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass der Täter die Tat in der Absicht ausführt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Eine (nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu prüfende) Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf ein derartiges Einkommen eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht. Gleiches gilt für die bloße Kenntnis davon, dass ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt (RIS Justiz RS0089670 und – unter dem Blickwinkel des Betrugs – RS0092444).

[7] Da nach der Gesamtheit der Entscheidungsgründe fremdnütziger Betrug zugunsten von M* G* vorlag, lässt die auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkte Urteilspassage, wonach L* G* die Absicht hatte, sich selbst durch die wiederkehrende Begehung von Betrug ein Einkommen iSd § 70 Abs 2 StGB zu verschaffen (US 16), den gebotenen und zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlichen Sachverhaltsbezug vermissen (RIS Justiz RS0119090). Demnach verletzt die Unterstellung der Taten der L* G* (auch) unter § 148 erster Fall StGB mangels Feststellungen zum Verschaffen eines fortlaufenden, eigenen Einkommens das Gesetz in dieser Bestimmung.

[8] 2./ Der Ausspruch über den Verfall eines Geldbetrags nach § 20 Abs 3 StGB ist personenbezogen, weshalb der zur Zahlung Verpflichtete zu bezeichnen und der Geldbetrag zu beziffern ist (vgl RIS Justiz RS0130833; Fuchs/Tipold , WK StPO Vor §§ 443–446 Rz 8; Fuchs/Tipold , WK StPO § 443 Rz 8 und 18). Da das Schöffengericht keinen der Angeklagten zur Zahlung des für verfallen erklärten (sich aus den teils um bezahlte Kaufpreise verminderten [vgl aber zur Berechnung nach dem Bruttoprinzip RIS Justiz RS0133117; Fuchs/Tipold in WK² StGB Vor §§ 19a–20c Rz 2, 5] Wert der tatsächlich erlangten Wertgegenstände ergebenden [US 14 iVm US 17]) Geldbetrags verpflichtete (US 11), entspricht das Verfallserkenntnis erstgenanntem Erfordernis nicht.

[9] Aufgrund nachteiliger Auswirkungen der zu 1./ aufgezeigten Gesetzesverletzung für die Angeklagte L* G* sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO; vgl zur Verweisung an den [hier bei einem 50.000 Euro nicht übersteigenden Schaden gemäß § 31 Abs 4 Z 1 StPO zuständigen] Einzelrichter des Landesgerichts RIS Justiz RS0100271 [T7, T9]).

[10] Lediglich zur Klarstellung sei bemerkt, dass die den Ausspruch des Verfalls betreffende Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil beider Angeklagten wirkt, weil er sich nicht gegen sie richtet und damit keine Rechtswirkungen entfaltet.

[11] Die Berufung der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich auf die Angeklagte L* G* bezieht, ist zufolge Aufhebung des Strafausspruchs gegenstandslos.

Rechtssätze
5
  • RS0089670OGH Rechtssatz

    15. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung derjenige, der sie in der Absicht vornimmt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf eine fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht; noch viel weniger die bloße Kenntnis davon, dass ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt. Die Gewerbsmäßigkeit belastet immer nur denjenigen, in dessen Person dieses Merkmal vorliegt. Für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Gewerbsmäßigkeit dem Unrechtstatbestand oder der Schuld zurechnet. Im ersten Fall fehlt es in Ansehung des nicht auf eigene Einnahmen abzielenden Täters an einem subjektiven (Unrechtstatbestandsmerkmal) Tatbestandsmerkmal, im anderen ist ihm die Gewerbsmäßigkeit mangels eines ihn insoweit treffenden Schuldvorwurfes zufolge § 13 StGB nicht zuzurechnen, weshalb dieser Meinungsstreit für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bei Mehrbeteiligung ohne jede Bedeutung ist. Die nur auf Sonderdelikte zugeschnittene Zurechnungsregel des § 14 StGB kommt in diesem Zusammenhang nicht zur Geltung, weil gewerbsmäßiges Handeln weder eine persönliche Eigenschaft noch ein besonderes persönliches Verhältnis des Täters darstellt, worunter nämlich nur solche Eigenschaften und Verhältnisse zu verstehen sind, die in seiner Person unabhängig vom Tatgeschehen vorliegen. Deliktstypisch vorausgesetzte bestimmte Motive oder Gesinnungen des Täters bei der Tat fallen nicht darunter.