JudikaturJustiz14Os194/94

14Os194/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Erdei als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmuth G* wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, AZ 2 U 1.440/92 des Strafbezirksgerichtes Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den Vorgang, daß dem Beschuldigten Helmuth G* anläßlich der Zustellung des in seiner Abwesenheit ergangenen Urteils des Strafbezirksgerichtes Wien vom 2. Juni 1993, GZ 2 U 1.440/92 12, eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, ist das Gesetz in der Bestimmung des § 3 StPO (iVm § 152 Abs 3 Geo.) verletzt worden.

Die diesem gesetzwidrigen Vorgang nachfolgenden Entscheidungen und Verfügungen werden aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Beschuldigten neuerlich eine amtliche Abschrift des Urteils zuzustellen und ihn gleichzeitig über die ihm dagegen nach dem Gesetz zustehenden Rechtsmittel zu belehren.

Text

Gründe:

Mit dem bezeichneten Urteil wurde der trotz gehöriger Vorladung (durch Hinterlegung) zur Hauptverhandlung nicht erschienene Beschuldigte Helmuth G* in Abwesenheit (§ 459 StPO) des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Anläßlich der Verfügung der Zustellung einer amtlichen Abschrift des Abwesenheitsurteils an den Beschuldigten unterließ der Richter die gemäß § 152 Abs 3 Geo. vorgeschriebene gleichzeitige Anordnung der Zustellung einer Rechtsmittelbelehrung (S 89). Die Urteilsausfertigung wurde von Helmuth G* am 18. August 1993 eigenhändig übernommen. Seine am 31. August 1993 zur Post gegebene Berufung wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Oktober 1993, AZ 13 b Bl 935/93 (= ON 16), gemäß § 470 Z 1 StPO zurückgewiesen, weil sie nicht innerhalb der dreitägigen Frist des § 466 Abs 2 StPO nach Verständigung vom Urteil angemeldet worden war. Ein Einspruchsvorbringen (§ 478 Abs 1 StPO) war der Rechtsmittelschrift (ON 14) nicht zu entnehmen gewesen.

Ursache für die verspätete Berufungsanmeldung war wie Helmut G* nunmehr bescheinigen konnte eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Ihm wurde nämlich zugleich mit dem Abwesenheitsurteil eine nur für den Regelfall einer bereits angemeldeten Berufung gegen ein in Anwesenheit des Beschuldigten verkündetes Urteil zutreffende Rechtsmittelbelehrung übersendet, wonach die Ausführung der Berufung binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Urteils beim Strafbezirksgericht Wien eingebracht werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Vorgang steht wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach der Vorschrift des § 3 StPO ist das Gericht verpflichtet, den Beschuldigten auch dort, wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechte zu belehren. Da bei einem Abwesenheitsurteil eine mündliche Rechtsmittelbelehrung im Anschluß an die Urteilsverkündung nicht in Betracht kommt, bestimmt § 152 Abs 3 Geo., daß mit dem Abwesenheitsurteil stets eine (schriftliche) Rechtsmittelbelehrung zuzustellen und dies vom Richter in der Zustellverfügung ausdrücklich anzuordnen ist (EvBl 1965/356).

Im vorliegenden Fall hat der Richter diese Vorschrift mißachtet, was die Zusendung einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch die Geschäftsabteilung zur Folge hatte. Diese Belehrung enthielt nämlich insbesondere keinen Hinweis darauf, daß die Berufung gegen ein nicht in Anwesenheit des Angeklagten verkündetes Urteil binnen drei Tagen nach seiner Verständigung hievon anzumelden ist (§ 466 Abs 2 StPO) und ihm nur dann für die Berufungsausführung eine weitere Frist (von damals vierzehn Tagen, seit dem 1. Jänner 1994 vier Wochen) offensteht (§ 467 Abs 1 StPO). Weiters fehlte jede Belehrung darüber, daß gegen ein in Abwesenheit des Angeklagten beim Bezirksgericht ergangenes Urteil gemäß § 478 Abs 1 StPO binnen vierzehn Tagen nach Urteilszustellung auch noch Einspruch (wegen nicht gehöriger Vorladung oder eines unabwendbaren Hindernisses) erhoben werden und entweder schon mit dem Einspruch (vgl SSt 31/105; EvBl 1970/188, 1979/67) oder erst mit der an den Gerichtshof erster Instanz gerichteten Beschwerde gegen die Verwerfung des Einspruches durch das Bezirksgericht das Rechtsmittel der Berufung verbunden werden kann (§ 478 Abs 2 StPO), das in diesen Fällen nicht gesondert angemeldet werden muß.

Die unterlaufene Gesetzesverletzung hat eine wirksame Anfechtung des Abwesenheitsurteils durch den Beschuldigten verhindert und gereichte ihm solcherart zum Nachteil, weshalb die daran anschließenden Entscheidungen und Verfügungen zu kassieren waren und im spruchgemäßen Umfang eine Erneuerung des Verfahrens angeordnet werden mußte (§ 292 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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