JudikaturJustiz14Os181/87

14Os181/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Halil D*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Juli 1987, GZ 2 b Vr 13.286/86-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 31-jährige Halil D*** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.Oktober 1986 in Wien mit der am 14. Feber 1974 geborenen, sohin unmündigen Sabine B*** den außerehelichen Beischlaf unternommen hat.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 5 und 9 lit b (der Sache nach Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das von der Beschwerde in Ansehung der Zeugin Sabine B*** ins Treffen geführte Zeugnisverbot des § 151 Z 3 StPO, dessen Verletzung aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund gerügt wird, setzt voraus, daß der Zeuge, wie ein offensichtlich völlig Geisteskranker, erwiesenermaßen unfähig ist, die Wahrheit anzugeben (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 39 zu § 151 und ENr 16 zu § 281 Z 3). Bestehen Zweifel an der Fähigkeit des zu Vernehmenden zur Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe des Wahrgenommenen, so muß es dem erkennenden Gericht vorbehalten bleiben, auf Grund des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks unter Abwägung aller maßgebenden Umstände zu beurteilen, ob und inwieweit er als Zeuge vernommen werden darf (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 41 zu § 151). Vorliegend haben die Tatrichter, wie sich aus den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit ergibt, keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß Sabine B*** wegen ihrer Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit außerstande sein könnte, die Wahrheit anzugeben. Derartige Anhaltspunkte vermag aber auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen; kann doch nach der Lebenserfahrung keineswegs gesagt werden, ein (zur Zeit der Vernehmung) 13-jähriges Kind sei im Regelfall zur Ablegung einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage nicht fähig, wenn es - wie Sabine B*** - Sonderschüler und im sprachlichen Ausdruck unbeholfen und schwerfällig ist (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 43, 44 zu § 151). Auch das Einsetzen der Menstruation bei einem 12- oder 13-jährigen Mädchen stellt an sich keinen Umstand dar, der dessen Zeugnisfähigkeit ernstlich in Zweifel zu ziehen geeignet wäre. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Begutachtung der Sabine B*** durch einen psychologischen oder psychiatrischen Sachverständigen reklamiert, womit er der Sache nach eine Nichtigkeit im Sinne der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht, so fehlt es mangels entsprechender Antragstellung in erster Instanz schon an den formellen Voraussetzungen einer solchen Rüge; davon abgesehen käme eine derartige Begutachtung nur ausnahmsweise, nämlich dann in Betracht, wenn das Verfahren konkrete (objektive) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Aussageuntüchtigkeit des zu vernehmenden Zeugen ergibt (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 40 zu § 151), woran es aber vorliegend fehlt.

Die Mängelrüge (Z 5) hinwieder, in welcher der Vorwurf erhoben wird, das Gericht habe mehrere Widersprüche in den Aussagen der Sabine B*** mit Stillschweigen übergangen und (solcherart) "die vorliegenden Beweismittel nicht entsprechend gewürdigt und erörtert", übersieht, daß das Schöffengericht der Zeugin Sabine B*** auf Grund des von ihr gewonnenen persönlichen Eindrucks Glauben geschenkt hat, wobei es nicht verpflichtet war, in den Urteilsgründen auf einzelne Passagen in den Angaben der Genannten im Vorverfahren, die - wie die Beschwerde selbst einräumt - nicht Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung waren, einzugehen. Hat doch das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 StPO). Im übrigen gibt die Beschwerde den Inhalt des ins Treffen geführten Amtsvermerks des Untersuchungsrichters vom 9. Feber 1987 (ON 7) unvollständig wieder: Wird doch darin (auch) festgehalten, daß das, was die Zeugin bei ihrer Einvernahme bekundet, nicht unglaubwürdig wirkt und daß davon ausgegangen werden könne, die Zeugin bekunde auch ihr unangenehm erscheinende Details wahrheitsgemäß.

Soweit auch in der Mängelrüge (abermals) auf eine Aussageuntüchtigkeit der Zeugin Bezug genommen und die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen "zur Wertung der Aussage der Zeugin Sabine B***" begehrt wird, genügt es, den Beschwerdeführer auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge zu verweisen. Auch die Mängelrüge erweist sich demnach als offenbar unbegründet; im Kern wird damit lediglich die Beweiskraft der (den Beschwerdeführer belastenden) Bekundungen der genannten Zeugin in Zweifel zu ziehen versucht.

Die Rechtsrüge schließlich entbehrt der prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Geht sie doch urteilsfremd davon aus, der Beschwerdeführer habe der Unmündigen bloß Küsse gegeben und sich über das Alter des Mädchens in einem Irrtum befunden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Rechtssätze
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