JudikaturJustiz14Os17/20m

14Os17/20m – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel in der Strafsache gegen ***** Z***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 24. Oktober 2019, GZ 40 Hv 96/19w 31, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde ***** Z***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 24. Juni 2019 in S***** ***** B***** zu töten versucht, indem sie ihm mit einem Messer (Klingenlänge 15 cm) zwei wuchtige Stiche von oben herab in den linken Nackenbereich versetzte, wodurch dieser eine leichtgradige Stichverletzung im linken Nackenbereich mit von kopfwärts außen nach fußwärts innen verlaufendem Stichkanal ohne Eröffnung von Körperhöhlen oder Verletzungen wesentlicher Organe oder Blutgefäße verbunden mit einer Ansammlung von Luftbläschen in den Weichteilen (sog Weichteilemphysem) erlitt.

Die Geschworenen haben die dem Schuldspruch zugrunde liegende (anklagekonforme) Hauptfrage bejaht und (demgemäß) die in Richtung der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB gestellten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert unter Verweis auf Passagen der Verantwortung der Angeklagten, wonach sie am Tattag ein „Blackout“ gehabt habe, „stark alkoholisiert“ gewesen sei, sich nur „vage“ erinnern könne, zugestochen zu haben und an Epilepsie zu leiden (ON 30 S 4 f, 8), die Stellung einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB).

Die gesetzeskonforme Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes bedarf nicht nur der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der vermissten (hier: Zusatz-)Frage, sondern auch der Nennung eines diese indizierenden Tatsachensubstrats (vgl RIS Justiz RS0117447; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23). Beruft sich die Rüge dabei auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse (wie hier auf die Verantwortung der Angeklagten), darf der Nachweis der Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile derselben geführt werden, sondern es ist das jeweilige Verfahrensergebnis in seiner Gesamtheit zur berücksichtigen (RIS Justiz RS0120766).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht. Denn zum einen vernachlässigt sie (betreffend „Blackout“ und „vage“ Erinnerung) die weiteren Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung zu ihren vorhandenen – auch Details betreffenden – Erinnerungen an das Geschehen unmittelbar vor, während und nach der Tat (ON 30 S 4 f, 7 f), zum anderen werden mit dem Vorbringen, die zitierten Aussageteile (nämlich jene zu starker Alkoholisierung und Epilepsie) würden „möglicherweise“ auf eine Aufhebung der Dispositions- und (gemeint: oder) der Diskretionsfähigkeit zum Tatzeitpunkt hindeuten, keine die begehrte Fragestellung nach den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungen ernsthaft indizierenden Verfahrensergebnisse aufgezeigt (vgl RIS Justiz RS0089865 [T1], RS0100527 [T1]; Lässig , WK StPO § 313 Rz 8; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23).

Indem die Rüge die Aufnahme der Wortfolge „durch zwei wuchtige Stiche“ in die Fragestellung und die dort erfolgte nähere Beschreibung der Verletzungsfolgen mit dem Vorbringen kritisiert, dadurch sei § 312 StPO verletzt und „der Beweiswürdigung der Geschworenen vorgegriffen“ worden, übersieht sie, dass § 312 Abs 1 zweiter Satz StPO verlangt, dass der Beschreibung der Tatbestandsmerkmale die „besonderen Umstände“ der strafbaren Handlung beigefügt werden, soweit dies zur „deutlichen Bezeichnung der Tat“ notwendig ist. Unter dem Aspekt des § 312 Abs 1 StPO sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung dergestalt in eine Frage aufzunehmen, dass nicht nur die Individualisierung der Tat(en) – nach Ort, Zeit, Gegenstand und dergleichen – zum Zweck der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung (zum erforderlichen Konkretisierungsgrad vgl Lässig , WK StPO § 312 Rz 19 und 21) durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts ermöglicht und die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof gewährleistet (RIS Justiz RS0119082, RS0100686, RS0100780; Lässig , WK StPO § 312 Rz 18 f und 21).

Im Übrigen war es den – darüber instruierten (vgl S 16 der Rechtsbelehrung) – Geschworenen gestattet, die Frage unter Beifügung angenommener Beschränkungen nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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