JudikaturJustiz14Os161/93

14Os161/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Mag.Strieder und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Klaus K***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom14.Oktober 1992, GZ 12 Vr 1.366/89-585, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Kerschhackel zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, im (gesamten) Schuldspruch (laut den Punkten I. und II.) sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben; insoweit wird

A/ zu Punkt I. des Urteilssatzes nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

"Dipl.Ing.Klaus Günther K***** wird vom Vorwurf, er habe als leitender Angestellter vom Dezember 1986 bis Juli 1987 in Villach als verantwortlicher Geschäftsführer der Z***** GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, durch unverhältnismäßige Kreditbenützung deren wirtschaftliche Lage derart beeinträchtigt, daß Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht vom Land Kärnten ohne Verpflichtung hiezu mittelbar Zuwendungen, nämlich die Übernahme einer Ausfallsbürgschaft für einen von der Z***** GesmbH aufzunehmenden Kreditbetrag von 100 Millionen S zuzüglich Zinsen und Nebenkosten erbracht worden wären, wobei ohne diese Maßnahme die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen geschädigt worden wäre, und er habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 ""Abs. 3"" StGB begangen, (mangels Anklage) freigesprochen." sowie

B/ die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im übrigen Umfang der Aufhebung (Punkt II.) an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl.Ing.Klaus Günther K***** jeweils iVm § 161 Abs. 1 StGB (I.) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach "§ 159 Abs. 3 StGB" (vgl. auch S 145/XXVI; gemeint: § 159 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 StGB) und (II.) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Laut Urteilsspruch hat er jeweils als leitender Angestellter

(zu I.) "von Dezember 1986 bis Juli 1987 in Villach als verantwortlicher Geschäftsführer der Z***** GesmbH, die Schuldnerin mehrer Gläubiger war, durch unverhältnismäßige Kreditbenützung deren wirtschaftliche Lage derart beeinträchtigt, daß Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht vom Land Kärnten ohne Verpflichtung hiezu mittelbar Zuwendungen, nämlich die Übernahme einer Ausfallsbürgschaft für einen von der Z***** aufzunehmenden Kreditbetrag von 100,000.000 S zuzüglich Zinsen und Nebenkosten erbracht worden wären, wobei ohne diese Maßnahme die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen geschädigt worden wäre";

(zu II.) "als Einzelprokurist der V*****-GesmbH, welche Hauptgesellschafterin der bei mehreren Gläubigern verschuldeten W***** Co GesmbH war, und als Bevollmächtiger des (abgesondert verfolgten) faktischen Machthabers Ing.Wilhelm P***** dadurch, daß er in der Zeit vom 3.August 1984 bis 16.Juli 1987 Angestellte der Firma W***** Co GesmbH anwies, einen 500.000 S übersteigenden Betrag ohne Rechtsgrundlage an die Firma V*****-GesmbH und P*****GesmbH zu überweisen, bzw. indem er selbst die Überweisungen vornahm, Bestandteile des Vermögens der Firma W***** Co GesmbH und P*****GesmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Firma W***** Co GesmbH und P*****GesmbH vereitelt, wobei der Schaden 500.000 S übersteigt".

Vom weiteren Anklagevorwurf in Richtung des im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit - dem bislang flüchtigen - Ing.Wilhelm P***** begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB (Punkt I/A-E der Anklage) wurde er rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 8, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Zu Recht wendet der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida (Punkt I.) das Vorliegen eines Verfolgungshindernisses (Z 9 lit. b) ein.

Nach der Aktenlage hat der öffentliche Ankläger die Anzeige gegen den Beschwerdeführer (ua) wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Abs. 2 StGB (iVm § 161 Abs. 1 StGB) hinsichtlich von Bankrotthandlungen als Geschäftsführer der Z***** GesmbH nach der Durchführung von Vorerhebungen (S 3, 3 a des Antrags- und Verfügungsbogens) mit verantwortlicher Abhörung (gemäß § 38 Abs. 3 StPO) des nunmehrigen Angeklagten am 2.Dezember 1987 (ON 9 in Band III), am 21.Dezember 1987 dem Untersuchungsrichter mit der Erklärung zurückgestellt, daß zur weiteren Verfolgung des Dipl.Ing.Klaus K***** wegen fahrlässiger Krida kein Grund gefunden wird, worauf der Untersuchungsrichter mit Beschluß vom selben Tag das Verfahren gegen den Genannten gemäß § 90 Abs. 1 StPO einstellte (S 3 b des Antrags- und Verfügungsbogens). Ist aber eine Person im Zuge von Vorerhebungen als Beschuldigter vernommen worden, so kommt der Einstellung der Vorerhebungen nach § 90 StPO die Wirkung zu, daß das Strafverfahren gegen die zufolge ausdrücklicher Erklärung des Anklägers außer Verfolgung gesetzten Personen nur unter den Voraussetzungen des § 352 StPO, nicht aber nach § 363 Z 1 StPO unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten der Wiederaufnahme fortgesetzt werden darf (SSt. 25/57; 43/26; Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 1 zu § 363). Da eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 352 ff StPO nicht erfolgt ist, durfte der Angeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 2 StGB, begangen dadurch, daß er "die wirtschaftliche Lage der Z***** GesmbH durch unverhältnismäßige Kreditbenützung derart beeinträchtigt hat, daß Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht vom Land Kärnten mittelbar Zuwendungen erbracht worden wären", nicht schuldig erkannt werden. Hinzu kommt, daß angesichts des Freispruchs des Angeklagten vom gesamten Anklagevorwurf in Richtung Betruges einerseits und des (im Ergebnis) anklagekonformen Schuldspruchs wegen betrügerischer Krida andererseits (in der Anklagebegründung) jegliches Tatsachensubstrat für einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida fehlte.

Die dem Schöffengericht demzufolge beim Schuldspruch laut Punkt I. des Urteilssatzes der Sache nach unterlaufene Anklageüberschreitung war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Weg einer sinngemäßen Anwendung der §§ 259, 349 Abs. 1 StPO sogleich mit Freispruch zu beheben (vgl. EvBl. 1979/217; 15 Os 39,40/89 ua).

Die Beschwerde ist aber auch im Recht, soweit sie die Begründung des Schuldspruchs wegen betrügerischer Krida (Punkt II.) als widersprüchlich (Z 5) bekämpft und Feststellungsmängel (Z 9 lit. a) zur subjektiven Tatseite ins Treffen führt.

In der Mängelrüge (Z 5) wendet der Beschwerdeführer zutreffend ein, daß ihm nach dem Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida zur Last liegt, als Beitragstäter Angestellte der W***** Co GesmbH angewiesen zu haben, 500.000 S übersteigende Beträge ohne Rechtsgrundlage an die V***** Anlagenplanungs-GesmbH und die P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH zu überweisen (bzw. solche Überweisungen selbst vorgenommen zu haben), womit aber die weitere Annahme, er habe (auch) Bestandteile des Vermögens der P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH beiseitegeschafft und dadurch (auch) die Befriedigung der Gläubiger der P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH vereitelt, in unlösbarem Widerspruch stehe; insoweit ergibt sich sowohl aus der Urteilsbegründung (US 129 f) als auch aus der Begründung der Anklageschrift - die vom Erstgericht offensichtlich unüberprüft übernommen wurde -, daß dem Beschwerdeführer - ebenso wie dem (gesondert verfolgten) Mitangeklagten Ing.P***** (Punkt II./a./1./ und 2./ des Anklagetenors) - auch Transaktionen von der P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH an die V***** Anlagenplanungs-GesmbH zur Last liegen.

Desgleichen sind dem Urteil Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht (einmal im Ansatz) zu entnehmen.

Das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB begeht, wer einen Bestandteil seines Vermögens - fallbezogen - beiseite schafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt (oder schmälert). Der Tätervorsatz muß sich sowohl auf die Verringerung des Vermögens als auch auf die dadurch bewirkte Benachteiligung wenigstens eines Gläubigers beziehen (Leukauf-Steininger Komm.3 § 156 RN 15).

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer als Beitragstäter in der Zeit vom 3.August 1984 bis 16.Juli 1987, im wesentlichen in der Zeit von Juni 1985 bis Oktober 1986 (US 127), aus der zum 31.Dezember 1984 und 31.Dezember 1985 überschuldeten Firma W***** Co GesmbH - die aber im dritten Quartal des Jahres 1986 ihre "Verbindlichkeiten" durch den Umsatz weit übersteigende Akontierungen der Z***** GesmbH (die zum größten Abnehmer geworden war) abdecken konnte - aus Zahlungseingängen von der Z***** GesmbH, sohin in Abschöpfung momentaner Liquiditätsüberschüsse, ohne erkennbare Rechtsgrundlage Überweisungen an die Firma V***** Anlagenplanungs-GesmbH und die P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH veranlaßt, wobei unter anderem infolge dieser Transaktion von "Z***** Mitteln" an Firmen im Nahebereich zu Ing.P***** die Firma W***** Co GesmbH im Jahre 1987 insolvent wurde (US 123 bis 129), sodaß am 16. Juli 1987 über das Vermögen der Firma der Konkurs eröffnet werden mußte (US 131).

In Ansehung von Überweisungen von der Firma P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH an die Firma V***** AnlagenplanungsGesmbH ist den Urteilsgründen nur zu entnehmen, daß unter anderem der Beschwerdeführer in der Zeit vom 18.März 1986 bis 20. Juni 1986 den de facto Geschäftsführer Ing.Ernst R***** (US 12) angewiesen hat, aus Zahlungseingängen von der Z***** GesmbH "die nicht benötigten Gelder", sohin reine Liquiditätsüberschüsse, an die V***** Anlagenplanungs-GesmbH zu überweisen. Diese vom Beschwerdeführer "mitzuverantwortenden Überweisungsaufträge" haben (neben anderen Ursachen) dazu geführt, daß die Befriedigung der Gläubiger vereitelt wurde, zumal mit Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 14.August 1987, AZ S 49/87, der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde (US 128 bis 131).

Dem Urteil ist - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - nicht zu entnehmen, mit welcher Intention Ing.Wilhelm P***** - und der Beschwerdeführer als Beitragstäter handelten, als sie in den Jahren 1985 und 1986 Liquiditätsüberschüsse der Firma W***** Co GesmbH (die zum Teil aus "Anzahlungen" der Z***** GesmbH stammten) und der P***** Fabriksanlagen-PlanungsGesmbH an die Firma V***** Anlagenplanungs-GesmbH transferierten, ferner, ob damals die jeweils 1987 eingetretene Gläubigerschädigung für den Angeklagten absehbar war und ob sich sein - zumindest bedingter - Vorsatz auch auf diese Gläubigerbenachteiligung erstreckte (bzw. ob allenfalls schon von Anfang an eine Insolvenz der in Rede stehenden Unternehmen geplant war).

Diese vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Demzufolge war das angefochtene Urteil (auch) im Schuldspruch laut Punkt II. des Urteilssatzes, ohne daß auf die weiteren Beschwerdeausführungen des Angeklagten zu diesem Faktum eingegangen werden muß, in Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuweisen; darauf waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen zu verweisen.