JudikaturJustiz14Os150/21x

14Os150/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher in der Strafsache gegen Dr. * K* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. Oktober 2021, GZ 3 Hv 20/21z 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. * K* (verfehlt [vgl RIS Justiz RS0121981]) zweier Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G* mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen nach (richtig) § 3 Abs 3 COVID 19 MaßnahmenG idF BGBl I 2020/12 (in Verbindung mit § 2 COVID 19 MaßnahmenG und § 2 Z 5 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID 19 MaßnahmenG [BGBl II 2020/98 idF BGBl II 2020/108]) zu schädigen, den Polizeibeamten * A* wissentlich zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch Absehen von der Anzeigeerstattung gegen Dr. K* und drei weitere (im angefochtenen Urteil namentlich genannte) Personen zu missbrauchen oder in diesem Sinn auf den für die Anzeigeerstattung (konkret) zuständigen Beamten einzuwirken, indem er

A/ am 27. April 2020 unter Bezugnahme auf eine Amtshandlung vom 25. April 2020 gegenüber A* telefonisch erklärte (vgl US 3), die Anzeige gegen die Personengruppe solle „zurückgenommen werden“, andernfalls einer der von der Amtshandlung Betroffenen eine Maßnahmenbeschwerde gegen die einschreitenden Beamten einbringen und „darin 'aufdrehen'“ werde, „man“ könne „sich Probleme ersparen“;

B/ am 30. April 2020 A* ein SMS mit dem Wortlaut, „bitte gib Bescheid ob die Geschichte weitergeleitet wurde. Am Montag geht es sonst los. LG“, wobei damit eine (Maßnahmen )Beschwerde „für den Fall einer nicht termingerechten Benachrichtigung über ein Absehen von einer Anzeigeerstattung“ gemeint war (vgl US 3).

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Kritik, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, dass die inkriminierten Äußerungen im Sinn einer (vom Beschwerdeführer gewollten) Intervention beim für die Anzeigeerstattung (konkret) zuständigen Polizeibeamten zu verstehen seien, prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) nicht von der Gesamtheit des Urteilssachverhalts aus (vgl die hinsichtlich beider Taten genau in diesem Sinn getroffenen Feststellungen auf US 3 f; vgl allgemein zum Befugnismissbrauch durch Nichterfüllung einer Handlungspflicht RIS-Justiz RS0129855; zur Maßgeblichkeit konkreter Befugnis beim Vorwurf eines durch Unterlassen begangenen Befugnisfehlgebrauchs näher Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 10).

[5] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801). Diese Vorgaben verfehlt das dazu erstattete Beschwerdevorbringen, welches zwar die Konstatierungen zum Tathergang wörtlich wiedergibt und schwerpunktmäßig mit dem Fehlen einer Schädigung an Rechten im Sinn des § 198 Abs 3 StPO argumentiert, sich jedoch mit den für die Beurteilung der übrigen Diversionsvoraussetzungen – insbesondere jener nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO – entscheidenden Feststellungen inhaltlich nicht auseinandersetzt.

[6] Der Einwand fehlender Konstatierungen zu weiteren – nach Ansicht des Beschwerdeführers relevanten – Umständen scheitert schon daran, dass diese indizierende Verfahrensergebnisse nicht aufgezeigt werden (RIS-Justiz RS0118580).

[7] Im Übrigen legt die Rüge nicht dar, warum das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers einen geradezu atypisch geringen Schuldgehalt aufweise (vgl [zu diesem Maßstab bei Missbrauch der Amtsgewalt] 14 Os 141/19w; 14 Os 110/19m; 17 Os 28/16w; allgemein RIS-Justiz RS0116021 [T17 und T24]), obwohl dieser als rechtskundiger Vertragsbediensteter des Magistrats der Stadt G* im Abstand von mehreren Tagen nach der gegenständlichen Amtshandlung durch zwei eigenständige Taten (die allerdings entgegen der Ansicht des Erstgerichts [US 4 f] im Schuldspruch [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] nur einem Verbrechen zu subsumieren sind, weil der Zusammenrechnungsgrundsatz bei § 302 StGB selbst dann anzuwenden ist, wenn die Schadensqualifikation nach Abs 2 zweiter Satz nicht in Rede steht [vgl Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 11]) das Unterbleiben der (gebotenen) Anzeigeerstattung hinsichtlich vier Personen zu erreichen suchte, wobei die Aufforderungen – wenngleich nach den Feststellungen strafrechtlich nicht im Sinn des § 105 Abs 1 StGB relevant (vgl jüngst 14 Os 109/21t) – jeweils in ultimativem Ton gehalten und mit der Ankündigung unangenehmer Konsequenzen für die einschreitenden Polizeibeamten verbunden waren.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO). Der durch die (wie oben aufgezeigt verfehlte) Aufspaltung der Subsumtionseinheit bewirkte Subsumtionsfehler wirkte sich nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten aus, weshalb er nicht von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufgegriffen werden musste. Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufungen nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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