JudikaturJustiz14Os140/04

14Os140/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gebhard K***** wegen des Verbrechens der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB aF und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Juli 2004, GZ 39 Hv 29/04w-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit seines Wahlverteidigers Dr. Schiessling, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu Punkt II. beschriebenen Taten unter das Verbrechen der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 2004 sowie demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Gebhard K***** hat durch die in Punkt II des Schuldspruchs angeführten Taten die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (idF des StRÄG 2004) begangen und wird hiefür nach §§ 28 Abs 1, 205 Abs 1 StGB (idF des StRÄG 2004) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 21. November 2003,

16.25 Uhr, bis 5. Dezember 2003, 10.30 Uhr, sowie vom 7. August 2004, 15.00 Uhr, bis 21. September 2004, 13.00 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unzulässigen Qualifikationsfreispruch enthaltenden Urteil wurde Gebhard K***** der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (I.) des (richtig: der) Verbrechen(s) der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB - idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15 - (II.), des (richtig: der) Vergehen(s) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III. 1.) und des (richtig: der) Vergehen(s) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III. 2.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Hinterthiersee und Thiersee

I. nachangeführte Personen, mit denen er in absteigender Linie verwandt ist, in wiederholten, zahlenmäßig nicht mehr feststellbaren Fällen zum Beischlaf verführt, und zwar

1. vom 3. Jänner 2000 bis 11. August 2003 seine Tochter Karin K***** (geboren am 3. Jänner 1982);

2. von 1999 bis 16. November 2003 seine Tochter Silvia K***** (geboren am 26. Februar 1983);

II. durch die zu Punkt I.2. angeführten Taten Silvia K*****, die an einer mittelgradigen Intelligenzminderung im Sinne einer Imbezillität leidet und aufgrund ihres retardierten geistigen und entwicklungsmäßigen Zustands, sohin wegen Schwachsinns, unfähig ist, die Bedeutung des Geschlechtsverkehrs einzusehen, zum außerehelichen Beischlaf missbraucht;

III. Nachgenannte durch gefährliche Drohung zu Unterlassungen genötigt bzw zu nötigen versucht, und zwar

1. zwischen 3. Jänner 2000 und 11. August 2003 Karin K***** durch die wiederholte Äußerung, sie umzubringen, wenn sie von ihren sexuellen Kontakten etwas weitererzählen solle, zur Unterlassung der Offenlegung dieser sexuellen Kontakte;

2. seit 2003 Silvia K***** durch die wiederholte Drohung, sie "einen Kopf kürzer zu machen", wenn sie etwas weitererzählen sollte, dazu, es zu unterlassen, diese sexuellen Kontakte offenzulegen, wobei es diesbezüglich beim Versuch blieb.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er rügt die Abweisung seines in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür, dass seine Diskretions- und Dispositionsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben war, gestellten Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens (S 99/II).

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Antrag auf den Nachweis bloß einer Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit richtete, betraf er keine für den Ausspruch über die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache, sondern nur einen Umstand der Strafzumessung. Hinsichtlich dieses Beweisthemas vermochte daher die Abweisung den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund unter keinen Umständen zu begründen (Fabrizy, StPO9 § 281 Rz 39 mwN). Im Übrigen hat das Erstgericht zu Gunsten des Angeklagten dessen eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit ohnehin angenommen (US 10, 16) und bei der Strafbemessung als mildernd gewertet (US 17), sodass der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsinteressen gar nicht beeinträchtigt war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).

Für eine Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit hinwieder boten weder die Ergebnisse des Beweisverfahrens noch die vom Angeklagten vorgelegten medizinischen Gutachten einen objektiven Anhaltspunkt, weshalb der Antrag in diesem Umfang auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinauslief (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - zu verwerfen. Aus deren Anlass überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil mit einer sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden, von keiner der Prozessparteien geltend gemachten, daher von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit behaftet ist. Der festgestellte Sachverhalt wurde nämlich rechtsirrig als das Verbrechen der Schändung nach § 205 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15, beurteilt. Durch das erwähnte Gesetz wurden die bisher als Verbrechen der Schändung bezeichneten Tatbestände des § 205 StGB durch das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person ersetzt. Nach Abs 1 der neuen Strafbestimmung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer eine wehrlose Person oder eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornimmt oder von ihr an sich vornehmen lässt oder sie zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer andern Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich vorzunehmen.

Der im Urteil festgestellte Sachverhalt lässt sich zwanglos unter die Strafbestimmung des § 205 Abs 1 StGB idF nach dem StRÄG 2004 subsumieren; denn das Erstgericht konstatierte die im neuen Recht ausdrücklich geforderte Begehungsweise der Ausnützung des Zustands des Tatopfers (US 9). Da die Strafdrohung der neuen Bestimmung keine Untergrenze aufweist, ist das neue Gesetz für den Angeklagten in seinen Gesamtauswirkungen günstiger als jenes, das zur Zeit der Tat in Geltung war, welches eine Untergrenze von sechs Monaten vorsah. Folglich ist es nach § 61 StGB anzuwenden (vgl 14 Os 138/04). Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, wobei sämtliche Taten durch einen längeren Zeitraum wiederholt und jene an Silvia K***** auch noch im Zuge des bereits anhängigen Strafverfahrens gesetzt wurden. Als mildernd kommt dem Angeklagten hingegen der Umstand zustatten, dass er (wenngleich durch Alkoholmissbrauch bedingt) schwach an Verstand ist, ferner seine bisherige Unbescholtenheit, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie sein reumütiges Teilgeständnis. Vorallem die zahlreichen, durch einen längeren Zeitraum hindurch verübten Tathandlungen gegen zwei Töchter, die teils trotz bereits anhängigen Strafverfahrens fortgesetzt wurden, sowie die Nichtbefolgung der ihm anlässlich der Enthaftung am 5. Dezember 2003 erteilten Weisungen (s S 311a iVm S 91, 93 und 103/I) verwehren schon aus spezialpräventiven Gründen die Gewährung (teil-)bedingter Nachsicht der dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters angemessenen Freiheitsstrafe. Im Übrigen gebieten auch Rücksichten der Generalprävention den tatsächlichen Vollzug der Sanktion, um andere potenzielle Täter davon abzuhalten, ihre Position im Familienverband zu sexuellen Übergriffen an ihren Kindern zu missbrauchen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Dass der Wahlverteidiger - entschuldigt und mit der Durchführung des Gerichtstages in seiner Abwesenheit ausdrücklich einverstanden - nicht erschien, hinderte dessen Abhaltung nicht (Ratz, WK-StPO § 286 Rz 3).

Rechtssätze
5