JudikaturJustiz14Os121/01

14Os121/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz P***** wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG, AZ 3 U 442/98h des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wider die Urteile des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau vom 13. Jänner 1999, GZ 3 U 442/98h 8, und des Landesgerichtes Krems a. d. Donau als Berufungsgericht vom 13. April 1999, AZ 11 Bl 16/99 (= ON 13), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Verurteilten und seines Verteidigers Dr. Müller, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 3 U 442/98h des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau verletzen das Gesetz

1./ das Urteil des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau vom 13. Jänner 1999 (ON 8) durch seinen Ausspruch auf Einziehung der Pistole Marke M A samt Munition in der Bestimmung des § 26 Abs 1 StGB;

2./ das Urteil des Landesgerichtes Krems a. d. Donau als Berufungsgericht vom 13. April 1999, AZ 11 Bl 16/99 (= ON 13), durch seinen Ausspruch auf Zurückweisung der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, soweit sie sich gegen die Einziehung der Pistole Marke M A richtet, in der Bestimmung des § 467 Abs 1 und Abs 2 StPO.

Das Urteil des Landesgerichtes Krems a. d. Donau wird aufgehoben und es wird dem Gericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Franz P***** aufgetragen.

Text

Gründe :

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Krems a. d. Donau vom 13. Jänner 1999, GZ 3 U 442/98h 8, wurde Franz P***** des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt, weil er unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich ein halbautomatisches Gewehr Marke Browning besessen hatte. Vom weiters gegen ihn erhobenen Anklagevorwurf, er habe unbefugt eine weitere genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich eine Pistole Marke M A besessen, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Unter einem verfügte das Erstgericht, dass die abgenommenen Waffen, nämlich das halbautomatische Gewehr Marke Browning und die Pistole Marke M A samt Munition, gemäß § 26 Abs 2 (gemeint wohl: Abs 1) StGB iVm § 443 StPO eingezogen werden.

Gegen dieses Urteil meldete der bislang nicht durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte mittels eines selbst verfassten Schriftsatzes (ON 9) innerhalb der Frist des § 466 Abs 1 StPO mit folgenden Worten das Rechtsmittel der Berufung an: "Berufung: gegen die angedrohte Strafe wegen Zahlung von S 1.200, - (eintausendzweihundert). Lege Berufung ein auch gegen die angedrohte Einziehung meines Repetier Halbautomaten Browning Kaliber 30 06 Nr. 337 PZ 049 45."

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung führte der Angeklagte durch einen Verteidiger innerhalb der Frist des § 467 Abs 1 StPO das angemeldete Rechtsmittel hinsichtlich Nichtigkeit, Schuld und Strafe aus (ON 10), wobei er die Einziehung der Schusswaffen samt Munition aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO bekämpfte.

Mit Urteil vom 13. April 1999, AZ 11 Bl 16/99 (= ON 13), wies das Landesgericht Krems a. d. Donau die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, soweit sie sich gegen die Einziehung der Pistole Marke M A richtete, zurück, während es im Übrigen der Berufung wegen Strafe nicht Folge gab. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass der Angeklagte die Berufung ausdrücklich nur wegen Strafe und gegen die Einziehung des halbautomatischen Gewehres Marke Browning angemeldet hatte, sodass sie hinsichtlich der erst in der schriftlichen Ausführung zusätzlich geltend gemachten Gründe verspätet sei.

Das Vorgehen beider Gerichte steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 26 Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen, wenn dies nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Die Einziehung setzt somit voraus, dass eine zumindest bis zum Versuch gediehene strafbare Handlung vorliegt (Foregger/Fabrizy § 26 StGB Rz 3; Ratz WK2 § 26 StGB Rz 4 je mwN).

Der (unbefugte) Besitz von Munition ist - sieht man von den nicht aktuellen Fällen des Waffenverbotes (§ 50 Abs 1 Z 3 WaffG) und des unbefugten Besitzes von Kriegsmaterial 50 Abs 1 Z 4 WaffG) ab - gerichtlich nicht strafbar (vgl Leukauf/Steininger Nebengesetze2 § 36 WaffG 1986 E 19). Daher kommt eine - vorliegendenfalls vom öffentlichen Ankläger auch nicht beantragte (AS 33, 41) - Einziehung von Munition gemäß § 26 Abs 1 StGB nicht in Betracht, sofern nicht der vom Gesetz geforderte Zusammenhang mit einer mit Strafe bedrohten Handlung gegeben ist. Ein solcher ist den Urteilsfeststellungen aber nicht zu entnehmen.

Vom Vorwurf des unbefugten Besitzes der Pistole Marke M A wurde der Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Da im Urteil auch sonst kein Konnex der Faustfeuerwaffe mit einer Straftat festgestellt ist, waren die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 StGB auch für ihre Einziehung nicht gegeben.

Nach § 467 Abs 2 erster Satz StPO hat der Beschwerdeführer entweder bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift ausdrücklich zu erklären, durch welche Punkte des Erkenntnisses (§ 464 StPO) er sich beschwert finde und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen wolle, widrigens auf die Berufung oder auf Nichtigkeitsgründe vom Gerichtshof erster Instanz keine Rücksicht zu nehmen ist.

Das Gesetz lässt dem Angeklagten die Wahl, ob er die Beschwerdepunkte schon in der Anmeldung oder erst in der Ausführung der Berufung nennen will. Somit darf er seine Beschwerdepunkte über die bei der Anmeldung genannten hinaus in der Berufungsausführung erweitern, zumal er vielfach erst nach Zustellung der Urteilsausfertigung erkennen wird, in welcher Richtung eine Berufung Erfolg haben könnte. Unzulässig wäre eine solche Erweiterung der Beschwerdepunkte nur dann, wenn der Rechtsmittelwerber bei der Anmeldung der Berufung auf die Geltendmachung weiterer Berufungsgründe ausdrücklich verzichtet hat, (Die Anmeldung eines bestimmten Beschwerdepunktes erlaubt nicht den Umkehrschluss in Richtung eines Verzichtes auf die Geltendmachung weiterer Beschwerdepunkte in der Berufungsausführung [verst Senat SSt 43/9 = JBl 1972, 481]).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war der - zum Zeitpunkt der Anmeldung der Berufung überdies nicht durch einen Verteidiger vertretene - Angeklagte berechtigt, bei der Ausführung der Berufung auch solche Beschwerdepunkte geltend zu machen, die er bei der Anmeldung des Rechtsmittels nicht genannt hatte. Das Berufungsgericht hätte daher die Berufung des Franz P***** wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, soweit sie sich gegen die Einziehung der Pistole Marke M A richtete, nicht als verspätet zurückweisen dürfen, sondern hätte sie meritorisch erledigen müssen. Die oben erwähnte teilweise Nichtigkeit des Verfallsausspruches (§§ 468 Abs 1 Z 4 [281 Abs 1 Z 11] StPO) wäre gemäß § 477 Abs 1 StPO zudem von Amts wegen wahrzunehmen gewesen.

Die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende Entscheidung des Berufungsgerichtes war zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO) und diesem die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Zufolge zwischenzeitiger Verwertung der in Rede stehenden Gegenstände (ON 28) erübrigt sich eine Erörterung der Voraussetzungen selbständiger Einziehung (§§ 26 Abs 3 StGB, 446 StPO; vgl EvBl 1983/57).

Rechtssätze
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