JudikaturJustiz14Ob181/86

14Ob181/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Dezember 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred K***, Vertragsbediensteter, Linz, Hauptstraße 39, vertreten durch Mag. Dagmar A***, Sekretärin der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Wien 1., Teinfaltstraße 7, diese vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R*** Ö***, (Bundesministerium für Bauten und Technik), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 29.654,20 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß und Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 28. Mai 1986, GZ 12 Cg 8/86-11, womit ein Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung abgewiesen und infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 27. November 1985, GZ 3 Cr 94/85-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei hat die Kosten dieses Rechtsmittels selbst zu tragen.

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.572,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind weder Barauslagen noch Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Folgender Sachverhalt ist teils unbestritten, teils wurde er von den Untergerichten festgestellt:

Der Kläger ist Vertragsbediensteter der beklagten Partei und leitet die Eisenbearbeitungswerkstätte der Strombauleitung Linz. Mit Wirkung vom 1. Jänner 1965 wurde er in die Entlohnungsgruppe I/c überstellt. Im Jahre 1983 begehrte er von der beklagten Partei, ihn rückwirkend zum 1. Februar 1980 in die Entlohnungsgruppe I/b zu überstellen und die sich daraus ergebende Entgeltdifferenz nachzuzahlen. Am 25. Oktober 1984 vereinbarten die Prozeßparteien, ihren Dienstvertrag mit Wirkung zum 1. Februar 1980 in einen Sondervertrag im Sinne des § 36 VBG 1948 unzuwandeln. Daraus ergab sich für den Kläger eine Entgeltnachzahlung in der Höhe von S 274.654,90 brutto für die Zeit von Feber 1980 bis November 1984. Die beklagte Partei behielt von diesem Betrag die Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von S 33.373,40 ein.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung der von der beklagten Partei nach seiner Auffassung zu Unrecht einbehaltenen Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Feber 1980 bis einschließlich Juni 1984 in der Höhe von S 29.654,20 sA. Er vertritt die Rechtsauffassung, die beklagte Partei hätte gemäß dem § 60 Abs 1 ASVG nur den auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallenden Dienstnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen abziehen dürfen. Die beklagte Partei habe erst lange nach Fälligkeit der monatlichen Entgeltforderungen des Klägers das Entgelt gezahlt, wobei sie daran ein Verschulden treffe. Die Regelung des § 60 Abs 1 ASVG gelte auch für Nachzahlungen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei zum Abzug der Dienstnehmeranteile berechtigt gewesen, weil eine nachträgliche Beitragsentrichtung im Sinne des § 60 Abs 1 ASVG nicht vorliege.

Das Erstgericht schloß sich der Rechtsauffassung des Klägers an und gab dem Klagebegehren statt.

Im Berufungsverfahren stellte die beklagte Partei einen Zwischenantrag auf Feststellung, wonach ihr gegenüber dem Kläger gemäß dem § 60 ASVG das Recht zustehe, von jeder im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses der Beitragspflicht nach dem ASVG unterliegenden Entgeltzahlung - demnach auch bei einer Entgeltzahlung für einen zurückliegenden Zeitraum - den auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteil einzubehalten und an den zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen.

Das Berufungsgericht führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch; es wies den Zwischenfeststellungsantrag mangels Vorliegens eines präjudiziellen rechtlichen Interesses mit Beschluß ab und änderte die erstgerichtliche Entscheidung mit Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe sein Begehren nicht etwa aus einer Einstufung in die Entlohnungsgruppe I/b, sondern aus dem Sondervertrag abgeleitet. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, daß sich die nachgezahlten Entgeltbeträge aus einer Tätigkeit ergeben, die in das Entlohnungsschema gar nicht einzuordnen sei, sodaß sie des Abschlusses eines Sondervertrages wegen eines Ausnahmefalles bedurft haben. Der Anspruch auf die Entgeltnachzahlung sei erst mit dem Abschluß des Sondervertrages entstanden; die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ergebe sich ebenfalls aus diesem Zeitpunkt. Der Einbehalt der Dienstnehmeranteile sei daher zulässig gewesen.

Gegen den Beschluß über die Abweisung (richtig: Zurückweisung) des Zwischenfeststellungsantrages richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, dem Zwischenfeststellungsantrag stattzugeben oder dem Berufungsgericht aufzutragen, in diesem Sinn zu entscheiden.

Der Kläger bekämpft das Berufungsurteil mit der aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Weder der Rekurs noch die Revision ist berechtigt.

Zum Rekurs der beklagten Partei:

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil der angefochtene Beschluß nicht im eigentlichen Berufungsverfahren (§ 519 Abs 1 ZPO), sondern im Zuge einer nach dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG durchgeführten neuen Verhandlung gefaßt wurde (Arb. 8738; Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, 137 f).

Der Auffassung der beklagten Partei, ein über den vorliegenden Prozeß hinausreichendes (präjudizielles) rechtliches Interesse sei deshalb gegeben, weil es in Zukunft zu ähnlichen Entgeltnachzahlungen kommen könnte, ist nicht beizustimmen. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung nach den §§ 236, 259 Abs 2 ZPO ist, daß ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, im Verfahren festgestellt wird. Die Präjudizialität muß, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1079; EvBl 1972/10 ua.). Diese Voraussetzung trifft aber hier nicht zu, weil sich das nach dem Inhalt des Antrages der beklagten Partei festzustellende Recht mit dem dem Klagebegehren zugrundeliegenden Recht deckt. Ob darüber hinaus vielleicht in Zukunft ähnliche Rechtsfragen zwischen den Parteien auftauchen könnten, sodaß bloß theoretisch noch weitere Ansprüche erhoben werden könnten, ist für die notwendige Präjudizialität im dargestellten Sinn ohne Bedeutung (JBl. 1957, 248).

Zur Revision des Klägers:

Die Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Auffassung des Klägers, er habe seinem Klagsanspruch nicht den Sondervertrag, sondern eine b-wertige Tätigkeit und damit einen gesetzlichen Anspruch auf ein höheres Entgelt zugrunde gelegt, sodaß die Fälligkeiten der jeweils höheren monatlichen Gehaltszahlungen nicht erst mit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Sondervertrages, sondern schon lange vorher eingetreten seien, kann nicht zugestimmt werden. Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage keinen eigentliche Entgeltanspruch, sondern den Anspruch auf Zahlung der seiner Meinung nach zu Unrecht von der beklagten Partei einbehaltenen Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen geltend. Die entscheidungswesentliche Frage ist daher nicht, ob dem Kläger ein bestimmter Entgeltanspruch zustand, sondern ob die beklagte Partei zu Unrecht die vorgenannten Anteile vom Entgelt des Klägers einbehalten hat. Für die Beurteilung dieser Frage ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge entscheidend. Gemäß dem das Einbehaltungsrecht des Arbeitgebers regelnden § 60 Abs 1 ASVG ist der Arbeitgeber berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muß bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, daß die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teiles dieser vom Arbeitgeber nicht verschuldet ist. Dem Berufungsgericht ist darin beizustimmen, daß die Rechtsgrundlage für die von der beklagten Partei an den Kläger entrichtete Nachzahlung nicht die Einstufungs- und Entgeltbestimmungen des VBG und damit die Art der Tätigkeit des Klägers waren, sondern vielmehr der zwischen den Parteien im Sinne des § 36 VBG abgeschlossene Sondervertrag. Aus diesem Grund ist es auch belanglos, ob der Kläger in diesem Rechtsstreit von einem ihm auf Grund einer b-wertigen Tätigkeit zustehenden Entgeltanspruch oder, wie es richtig ist, von dem ihm auf Grund des Sondervertrages und des darin vereinbarten Mischbezuges zwischen den Entlohnungsgruppen b und c (diesen Umstand hat der Kläger in der Revision ausdrücklich zugestanden) ausgeht, sodaß entgegen der Meinung des Klägers kein Anlaß für eine Klärung der Frage der Wertigkeit seiner Tätigkeit bestand. Der von der beklagten Partei nachgezahlte Differenzbetrag hatte seine Rechtsgrundlage ausschließlich im Sondervertrag. Eine andere Rechtsgrundlage wäre für einen mit dem gesetzlichen Entlohnungsschema nicht übereinstimmenden Mischbezug nicht einmal möglich. Daraus ergibt sich aber, daß die Fälligkeit dieses Differenzbetrages und somit die Fälligkeit der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nicht vor dem Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages liegen kann (§§ 44, 58 ASVG). Daß die beklagte Partei auf der Grundlage dieses Zeitpunktes (25. Oktober 1984) die Dienstnehmeranteile nicht rechtzeitig einbehalten hätte (der Kläger erhielt die um die Dienstnehmeranteile verminderte Nachzahlung am 30. November 1984), wurde vom Kläger nicht behauptet und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 41 und 50 ZPO begründet.