JudikaturJustiz14Ns93/22w

14Ns93/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in der Strafsache gegen * V* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1, § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), § 15 StGB, AZ 9 Hv 66/22s des Landesgerichts Ried im Innkreis, über Vorlage gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO durch das Oberlandesgericht Linz, AZ 9 Bs 256/22v, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

[1] Mit Anklageschrift vom 15. September 2022 (ON 178) legt die Staatsanwaltschaft Leoben * V* dem Verbrechen des gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1 [zu ergänzen: und Z 2], § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), § 15 StGB subsumierte Taten zur Last.

[2] Danach soll er als Mitglied einer aus zumindest I* G*, V* G*, * L*, * P*, * Z*, * Ve* und ihm selbst bestehenden kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert nachstehenden Opfern durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen und zu 1. wegzunehmen versucht haben, wobei er ab der dritten Tathandlung in der Absicht gehandelt haben soll, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen nach § 128 Abs 1 StGB und Diebstählen nach § 129 Abs 1 StGB längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und zwar

1. am 15. August 2021 in P* gemeinsam mit den abgesondert verfolgten I* G*, V* G*, L* und P* Gewahrsamsträgern einer Tankstelle Bargeld in der Höhe von 43.070 Euro, indem sie in das Gebäude durch Aufzwängen der Eingangstür zur Kundentoilette und Durchbrechen der Wand zum dahinterliegenden Personal WC eingebrochen sein sollen;

2. am 26. September 2021 (ON 128.12, 4) in S* gemeinsam mit den abgesondert verfolgten I* G*, V* G*, L* und P* Gewahrsamsträgern einer Tankstelle Bargeld in der Höhe von 41.665 Euro, indem sie in das Gebäude durch Aufbrechen der Eingangstür zur Kundentoilette und Durchbrechen zweier Wände eingebrochen sein und den dort befindlichen, mit Bargeld befüllten Tresor aus der Wand gerissen und mit einem Winkelschleifer aufgeschnitten haben sollen;

3. am 4. Oktober 2021 in L* gemeinsam mit den abgesondert verfolgten I* G*, V* G*, L* und Ve* dem Betreiber eines „FKK Saunaclubs“ Bargeld in Höhe von 40.000 Euro, indem sie in das Gebäude durch Aufbrechen der Terrassentür eingebrochen sein und den dort befindlichen, mit Bargeld befüllten Tresor aus der Wandverankerung gerissen haben sollen.

[3] Gegen diese Anklageschrift erhob * V* keinen Einspruch.

[4] Die Akten wurden vom Vorsitzenden des Schöffengerichts wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Ried im Innkreis gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Linz und von diesem – nach Verneinen des Bestehens eines der in § 212 Z 1 bis 4 sowie 7 und 8 StPO genannten Gründe (vgl RIS Justiz RS0124585) – gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[5] Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im (hier vorliegenden) Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte an sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).

[6] Nach dieser Gesetzessystematik normiert der dritte Satz des § 37 Abs 2 StPO eine Ausnahme zum zweiten, nicht jedoch zum ersten Satz dieser Bestimmung (RIS Justiz RS0124935).

[7] Von den zu einer Subsumtionseinheit zusammengefassten (gewerbsmäßigen und/oder im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen) schweren Diebstählen (durch Einbruch nach § 129 Abs 1 StGB) begründet vorliegend keiner für sich die Zuständigkeit des Schöffengerichts (vgl § 31 Abs 3 Z 6a StPO). Demnach kommt jede einzelne unter Anklage gestellte Straftat für die Zuständigkeitsanknüpfung nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO (Ort der [versuchten] Tatausführung) in Frage (RIS Justiz RS0127231, RS0131445).

[8] Von den angeklagten strafbaren Handlungen wurde (nach Anklage und Aktenlage [vgl RIS Justiz RS0131309]) keine im Sprengel jenes Gerichts begangen (vgl RIS Justiz RS0133476), bei dem die das Ermittlungsverfahren führende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, weshalb Zuständigkeitsbegründung nach § 37 Abs 2 dritter Satz StPO hier ausscheidet.

[9] Demzufolge gibt nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO die Zuständigkeit für die früheste Straftat den Ausschlag (11 Ns 14/20b, 14 Ns 37/21h; Oshidari , WK StPO § 37 Rz 5/1; Nordmeyer , ebd § 26 Rz 8/1). Dies ist die zu Punkt 1. angeklagte Tat, welche der Angeklagte in P*, sohin im Sprengel des Landesgerichts Eisenstadt ausgeführt haben soll (ON 128.14, 1).

[10] Demnach war die Sache gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz letzter Halbsatz StPO – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das sie gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen haben wird (13 Ns 17/10v; vgl erneut RIS Justiz RS0124585).

Rechtssätze
4