JudikaturJustiz13Os94/22f

13Os94/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärters Mag. Lung in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 fünfter Fall, Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Privatbeteiligten R* GmbH, B* GmbH und E* AG sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. März 2022, GZ 21 Hv 14/20g 160, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die gegen die freisprechenden Teile des Urteils gerichteten Berufungen der Privatbeteiligten werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten im Übrigen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen von den Privatbeteiligten bekämpften F reispruch von anderen Anklagevorwürfen enthält, wurde * R* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 fünfter Fall, Abs 3 StGB (1) sowie des Vergehens der unvertretbaren Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände nach § 163a Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in B* und andernorts

(1) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, zu b und c unter Verwendung eines falschen Beweismittels, zu Handlungen zu verleiten versucht, welche andere am Vermögen schädigen sollten, und zwar

a) am 2. Mai 2016 Mag. * Rö* als Verfügungsberechtigten der G* AG zur Auszahlung der geforderten Versicherungsleistung, indem er wahrheitswidrig behauptete, die Beratung der * Ri* habe die R* U* GmbH (US 8) vorgenommen, wodurch die G* AG um 269.927 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte,

b) vom 3. November 2016 bis zum 5. Mai 2017 * B* als Vertreter der B* GmbH und * G* als Vertreter der E* AG zum Erwerb der R* GmbH um 1,8 Mio Euro, indem er unter Verwendung des (mangels gebildeter Rückstellungen für eine Forderung der * Ri* und für zwei Vorschüsse) inhaltlich unrichtigen Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2016 ein um 248.783,43 Euro überhöhtes Eigenkapital der R* GmbH vorspiegelte, wodurch die B* GmbH und die E* AG um 248.783,43 Euro am Vermögen geschädigt werden sollten, und

c) * B* und * G* in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Gesellschafterinnen der R* GmbH (B* GmbH und E* AG [US 15 f]) zu einer um 248.783,43 Euro überhöhten Ausschüttung, indem er im Abtretungsvertrag vom 5. Mai 2017 festlegte, dass der Gewinnanspruch aus dem am 31. Dezember 2016 endenden Geschäftsjahr dem abtretenden Gesellschafter * R* verbleibt (US 16), und einen Umlaufbeschluss vorbereitete, wonach die Gesellschafter der R* GmbH den vorgelegten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 genehmigen, feststellen und den dort ausgewiesenen „Bilanzgewinn“ ausschütten, wodurch die R* GmbH im genannten Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, sowie

(2) am 26. Juni 2017 als Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 VbVG) eines in § 163c StGB angeführten Verbandes, nämlich als Geschäftsführer der R* GmbH, in einem Jahresabschluss, eine die Vermögens , Finanz , oder Ertragslage des Verbandes betreffende oder für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens , Finanz , oder Ertragslage des Verbandes bedeutsame wesentliche Information (§ 189a Z 10 UGB) in unvertretbarer Weise falsch oder unvollständig dargestellt, indem er eine Forderung der * Ri* in der Höhe von zumindest 158.582,29 Euro und seitens der A* AG und der G* AG gewährte Vorschüsse von 81.048,77 Euro und 26.417,82 Euro im Jahresabschluss der R* GmbH (für das Geschäftsjahr 2016) nicht als Verbindlichkeiten auswies, wodurch der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital um 248.783,43 Euro zu hoch ausgewiesen und die R* GmbH vermögender dargestellt wurde, als sie tatsächlich war, wobei dies geeignet war, einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen.

[3] Gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO wurden die Privatbeteiligten R* GmbH, B* GmbH und E* AG mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

[4] Die Privatbeteiligten R* GmbH, B* GmbH und E* AG meldeten „hinsichtlich der Freisprüche zum Anklagefaktum 3 sowie den Verweisungen auf den Zivilrechtsweg“, die E* AG mit gesondertem weiteren Schriftsatz überdies „hinsichtlich der Freisprüche zum Anklagefaktum 1 b (Folgeprovision) und 3 sowie den Verweisungen auf den Zivilrechtsweg“ Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 163 und 164), führten diese jedoch nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen die Schuldsprüche richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[6] Nach den Feststellungen des Erstgerichts zum Schuldspruch 1 a vermittelte der Angeklagte * Ri* als Vertreter der R* GmbH ein Anlageprodukt, welches sich in weiterer Folge nicht wie gewünscht entwickelte. Der vom Angeklagten in der Angelegenheit kontaktierte Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung der R* GmbH (US 7), der G* AG, lehnte die Erfüllung der insoweit erhobenen Forderung der * Ri* mit der Begründung ab, dass für die vorgenommene Vermögensberatung kein Versicherungsschutz bestehe. Mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, die G* AG in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen zu schädigen, versuchte der Angeklagte nach den Feststellungen des Erstgerichts deshalb wahrheitswidrig vorzutäuschen, dass die Tätigkeit der Vermögensberatung (von der im Versicherungsvertrag miteingeschlossenen) R* U* GmbH durchgeführt worden sei (US 7 f).

[7] Zu welchem Zeitpunkt die in die Beratung nicht involvierte R* U* GmbH das Gewerbe der Vermögensberatung (tatsächlich) „rechtswirksam angemeldet“ hat, ist kein für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite erheblicher Aspekt, auf damit im Zusammenhang stehende Verfahrensergebnisse musste das Erstgericht zur Vermeidung von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) somit nicht eingehen.

[8] Die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz in Bezug auf den Schuldspruch 1 a schließen einander nach den Denkgesetzen keineswegs aus (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 3 dritter Fall). Vielmehr lässt die Beschwerde insoweit außer Acht, dass die R* GmbH nach den Urteilskonstatierungen im Fall der (rechtsgrundlosen) Begleichung ihrer Schuld durch die G* AG zu Unrecht von einer Forderung befreit worden wäre und der Vorsatz des Angeklagten genau darauf gerichtet war (US 9 iVm US 7).

[9] Nach den Feststellungen zum Schuldspruch 1 b entsprach der Wert der R* GmbH unter Berücksichtigung des um 248.783,43 Euro verminderten Eigenkapitals objektiv nicht dem vereinbarten Abtretungspreis von 1,8 Mio Euro (insbesondere US 14 und 39).

[10] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) dieser Feststellung ist deren Ableitung aus der Einigung der Beteiligten * G*, * B* und des Angeklagten auf den genannten Betrag auf der Basis eines höheren Eigenkapitals (US 37 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[11] Gleiches gilt für den Schuldspruch 1 c und die Kritik der Rüge an der Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (dazu US 15 ff und US 41 [RIS Justiz RS0098671 und RS0116882]).

[12] Nach den Feststellungen zum Schuldspruch 1 a war die R* U* GmbH in den gegenüber der G* AG behaupteten Versicherungsfall nicht involviert, vielmehr gab der Angeklagte dies mit Täuschungs , Schädigungs und Bereicherungsvorsatz sowie dem Ziel vor, Verantwortliche des genannten Versicherungsunternehmens zu einer Schadenersatzzahlung von rund 270.000 Euro zu verleiten und damit die R* GmbH von eben dieser Verpflichtung zu entbinden (US 6 bis 9).

[13] Weshalb es darüber hinaus zur rechtsrichtigen Subsumtion weiterer Konstatierungen bedurft hätte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS Justiz RS0116565).

[14] Soweit sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Weiteren nicht an den Feststellungen zur versuchten Täuschung des Versicherungsunternehmens orientiert, bringt sie den herangezogenen materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrund ebenso wenig zu prozessförmiger Darstellung (RIS Justiz RS0099810).

[15] Gleiches gilt, wenn sich die Rüge gegen den Schuldspruch 1 b wendet, ihre Argumentation aber nicht auf der Basis der Feststellungen zum objektiven Wert der R* GmbH (US 39) entwickelt. Hinzugefügt sei, dass „Privatgutachten“ keine Beweismittel im Sinn der Strafprozessordnung sind (RIS Justiz RS0118421 und RS0115646; Ratz , WK StPO § 281 Rz 351 mwN; Danek/Mann , WK StPO § 222 Rz 5/2).

[16] Nach den Feststellungen zum Schuldspruch 1 c sicherte sich der Angeklagte als abtretender Gesellschafter der R* GmbH den Gewinnanspruch aus dem Geschäftsjahr 2016, indem er die neuen Gesellschafter verpflichtete, für die Verteilung des festgestellten Gewinns zu stimmen, wobei er als Geschäftsführer der R* GmbH einen entsprechenden Umlaufbeschluss vorbereitete, wonach der im vorliegenden Jahresabschluss um 248.783,43 Euro überhöht dargestellte Bilanzgewinn von 542.357,86 Euro ausgeschüttet werden sollte (US 15 f).

[17] Soweit sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gegen diesen Schuldspruch wendet und dabei eine ausführungsnahe Tathandlung vermisst, bei ihrer Argumentation aber diese Feststellungen in ihrer Gesamtheit außer Acht lässt, entzieht sie sich ebenfalls einer inhaltlichen Erwiderung.

[18] Indem die Rechtsrüge die zum Schuldspruch 2 getroffenen Feststellungen des Erstgerichts bestreitet und solcherart von Fehldarstellungen im Ausmaß von 90.000 Euro (statt wie festgestellt im Ausmaß von 248.783,43 Euro [US 19]) ausgeht, verfehlt sie erneut den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

[19] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[20] Da die Privatbeteiligten weder bei der Anmeldung (ON 163 und ON 164) noch innerhalb der vierwöchigen Ausführungsfrist (§ 285 Abs 1 erster Satz StPO) Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichneten, waren gemäß §§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO auch deren Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[21] Gleiches gilt für die (angemeldeten) Berufungen der Privatbeteiligten, soweit sich diese – nach der Strafprozessordnung unzulässig – gegen Verweisungen auf den Zivilrechtsweg infolge Freispruchs richten (§ 366 Abs 1 und 3 StPO [RIS Justiz RS0101311]).

[22] D ie Entscheidung über die Berufungen im Übrigen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[23] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.