JudikaturJustiz13Os87/23b

13Os87/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 27 Hv 46/22h des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss jenes Gerichts vom 11. Mai 2023 (ON 20) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Nordmeyer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 11. Mai 2023, GZ 27 Hv 46/22h 20, verletzt im Ausspruch der Verlängerung der mit Urteil jenes Gerichts vom 21. Juni 2022, GZ 27 Hv 46/22h 7, gewährten Probezeit auf fünf Jahre § 55 Abs 3 StGB.

In diesem Umfang wird der Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

[1] Mit seit 25. Juni 2022 rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Juni 2022 (ON 7) wurde * M* zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen (für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen) verurteilt. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde die Geldstrafe im Umfang von 180 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

[2] Unter Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 StGB) auf dieses Urteil verhängte die Einzelrichterin des Landesgerichts Innsbruck mit Urteil vom 16. November 2022, GZ 29 Hv 113/22a-13, über * M* wegen einer im Februar 2022 begangenen Tat eine zusätzliche Geldstrafe von 120 Tagessätzen (im Fall deren Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Zugleich fasste sie „gemäß § 55 Abs 1 StGB“ den Beschluss auf Widerruf der M* in jenem früheren Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht.

[3] Der gegen das (im Verfahren AZ 29 Hv 113/22a des Landesgerichts Innsbruck ergangene) Urteil erhobenen Berufung der genannten Angeklagten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 29. März 2023, AZ 6 Bs 40/23t, – soweit hier von Bedeutung – nicht Folge. „Aus Anlass“ ihrer (gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden) Beschwerde hob es jedoch den Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht wegen fehlender Entscheidungskompetenz „d[e]s Landesgericht[s] Innsbruck“ im Verfahren AZ 29 Hv 113/22a ersatzlos auf.

[4] Daraufhin fasste das Landesgericht Innsbruck im Verfahren AZ 27 Hv 46/22h am 11. Mai 2023 den Beschluss, vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Juni 2022 (ON 7) gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (ON 20). Dieser Beschluss ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen (vgl ON 21).

Rechtliche Beurteilung

[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der zuletzt bezeichnete Beschluss des Landesgerichts Innsbruck mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[6] Werden mehrere strafbare Handlungen eines Rechtsbrechers, die nach der Zeit ihrer Begehung Gegenstand eines Urteils hätten sein können, in verschiedenen, zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Erkenntnissen abgeurteilt, ist aus Anlass der zuletzt erfolgten Verurteilung (vom gemäß § 495 Abs 2 StPO zuständigen Gericht [RIS Justiz RS0111521]) zu prüfen, ob eine im früheren Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht auch bei gemeinsamer Aburteilung gewährt worden wäre. Wird dies verneint, ist die bedingte Strafnachsicht nach der insoweit abschließenden Regelung des § 55 Abs 1 StGB zu widerrufen. Eine Verlängerung der Probezeit durch Richterspruch für den Fall, dass das Gericht vom Widerruf absieht, ist im Gesetz (§ 55 Abs 3 StGB) hingegen nicht vorgesehen und daher unzulässig (RIS-Justiz RS0090596 und RS0092515).

[7] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil der Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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