JudikaturJustiz13Os83/05p

13Os83/05p – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer in der Strafsache gegen Jana M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und fünfter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Jana M***** und Mario R***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13. Mai 2005, GZ 441 Hv 1/05i-301, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch rechtskräftige Freisprüche der Mitangeklagten Roman S***** und Maria S***** enthaltenden Urteil wurden Jana M***** und Mario R***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und fünfter Fall StGB schuldig erkannt. Danach haben sie am 16. Juni 2004 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen Alfred Ra***** und Erika Sa***** unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung den Tod zweier Menschen zur Folge hatte, indem Jana M***** die angeblich sehr guten Vermögensverhältnisse des Alfred Ra***** dem Mario R***** mitteilte, nach dem gemeinsamen Raubplan die Wohnung des Alfred Ra***** aufsuchte, der sie kannte und einließ, wodurch auch Mario R***** in die Wohnung gelangen konnte, dort Jana M***** und Mario R***** von Alfred Ra***** die Herausgabe von Geld und anderen brauchbaren, wertvolleren Sachen forderten, die Wohnung von beiden nach Beute durchsuchten sowie zur Erzwingung der Herausgabe mit einer Weinflasche und einem stumpfen Schlaggegenstand als Waffen auf Alfred Ra***** und die diesen in seiner Abwehr unterstützende Erika Sa*****, und zwar jeweils im Bereich des Kopfes, derart wuchtig einschlugen, dass bei Alfred Ra***** und Erika Sa***** durch Bruch des Schädeldaches mit Gehirnaustritt der Tod eintrat, und sie durch die ausgeübte Gewalt schließlich Schmuck, ein Mobiltelefon der Erika Sa***** und deren Handtasche erbeuteten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von der Angeklagten Jana M***** gestützt auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 6 und 8 StPO sowie vom Angeklagten Mario R***** gestützt auf § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 8 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt. Mit Bezug auf § 345 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 250 StPO rügen beide Beschwerdeführer eine unterlassene Information über die Angaben der in ihrer Abwesenheit vernommenen Mitangeklagten Roman S***** und Maria S***** sowie der Zeugin Sieglinde St*****. Deren Aussagen wurden der Beschwerde zuwider den Rechtsmittelwerbern jeweils zur Kenntnis gebracht (S 247, 317 und 371/VIII).

Soweit die beiden Nichtigkeitswerber die in Abwesenheit der Angeklagten vorgenommene Vernehmung der Zeuginnen Dusica Sta***** und Christine B***** als unbegründete Prozessmaßnahme des Vorsitzenden rügen und die von beiden Zeuginnen geäußerte Furcht vor Repressalien bloß unsubstantiiert bezweifeln, zeigen sie weder Mängel noch erhebliche Bedenken betreffend die vom Vorsitzenden der gerügten Prozessentscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen (S 489 und 505/VIII) auf (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 43).

Eine nicht ausreichende Mitteilung über den Inhalt der Aussagen der Zeuginnen Dusica Sta***** und Christine B***** kann dem Vorbringen zuwider nicht schon daraus erschlossen werden, dass im Resümeeprotokoll (vgl § 271 Abs 1 Z 4 StPO) lediglich die diesbezügliche Information der Beschwerdeführer festgehalten wurde (S 503, 511/VIII). Im Übrigen unterlässt die Rüge jede Argumentation, weshalb es den Verteidigern unmöglich gewesen sei, entsprechende Anträge auf eine allenfalls gebotene Ergänzung des Referats über die Aussageinhalte zu stellen.

Das unter Bezug auf den schriftlichen Beweisantrag (ON 283) in der Hauptverhandlung vom 13. Mai 2005 lediglich vom Verteidiger des Angeklagten R***** gestellte Begehren auf Vernehmung des Zeugen Marian D***** beinhaltete einen unzulässigen Erkundungsbeweis dahingehend, dass dieser Zeuge „offenbar Kenntnis" vom inkriminierten Raub gehabt haben müsse und daher „davon auszugehen" sei, dass er auch wisse, wer diese Tat tatsächlich begangen habe (S 94/VIII). Die in der Verfahrensrüge (Z 5) gerügte Abweisung (S 19 ff/IX) dieses unzulässigen, weil lediglich auf die Ermittlung von Beweisergebnissen gerichteten Antrags, ob eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu erwarten ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330), konnte daher die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers R***** nicht beeinträchtigen.

Mangels eines in der Hauptverhandlung für die Angeklagte M***** gestellten Antrags war aber der Schwurgerichtshof zu einer diese Rechtsmittelwerberin betreffenden Entscheidung nicht verhalten, sodass bei ihr die Voraussetzungen für die Erhebung einer Verfahrensrüge nicht vorliegen.

Die erst in der Beschwerde vorgebrachten Gründe für eine Vernehmung dieses Zeugen sind hingegen prozessual verspätet, weil die Berechtigung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

In der lediglich von der Angeklagten M***** ausgeführten Fragenrüge (Z 6) wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die nach dem Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und fünfter Fall StGB gestellte Eventualfrage 1 mit der Behauptung, dass die Geschworenen im Fall eines exzessus mandati des Angeklagten R***** keine Möglichkeit gehabt hätten, den Wahrspruch auf einen Sachverhalt zu beschränken, der lediglich einen Raub unter Verwendung einer Waffe (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) umfasst. Abgesehen davon, dass zu einem solchen Exzess des Zweitangeklagten kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (als Voraussetzung für die Stellung einer von der Angeklagten angestrebten Eventualfrage nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer uneigentlichen Zusatzfrage nach dem Qualifikationsmerkmal des § 143 fünfter Fall StGB; vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42) dargetan wird, übergeht dieses unter Missachtung der zur Gänze leugnenden Einlassungen beider Beschwerdeführer (S 229 ff, 247 ff/VIII) auf bloß spekulative Überlegungen gestützte Vorbringen, dass die Zurechnung der schweren Tatfolge iSd § 143 fünfter Fall StGB bei jedem Tatbeteiligten lediglich fahrlässiges Handeln voraussetzt (§ 7 Abs 2 StGB; vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 143 Rz 38; Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 26), sodass der Einwand einer nicht möglichen Rücksichtnahme auf einen fehlenden Tötungsvorsatz (dessen Vorliegen das Verbrechen des Mordes begründen und die Qualifikation nach § 143 fünfter Fall StGB verdrängen würde; vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 142 Rz 81) von vornherein ins Leere geht.

Mit der substratlosen Behauptung, das Fehlen der Sachverhaltsvoraussetzungen für eine Qualifikation nach § 143 fünfter Fall StGB könne durch die Einschränkung einzelner in der Frage enthaltener Umstände iSd § 330 Abs 2 StPO (worauf die Geschworenen in der Rechtsbelehrung ausdrücklich hingewiesen wurden) nicht zum Ausdruck gebracht werden, führt die Rechtsmittelwerberin die Beschwerde im Übrigen nicht deutlich und bestimmt aus. Die Instruktionsrüge (Z 8) zu einer nach Ansicht der Beschwerdeführer für juristische Laien unverständlichen Erläuterung der Begriffe Aktual- und Begleitwissen bei der Darstellung des Wesens vorsätzlichen Handelns übergeht die Ausführungen in der Rechtsbelehrung zu den verschiedenen Vorsatzarten und zur Fahrlässigkeit, mit denen die im Rechtsmittel vermisste Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit hinreichend verdeutlicht wurde.

Desgleichen lässt die Beschwerde außer Acht, dass bei der Instruktion zum bedingten Vorsatz der von den Nichtigkeitswerbern geforderte Hinweis darauf, dass „die ins Auge gefasste Tathandlung die Tatbestandsverwirklichung naheliegend erscheinen lassen muss", klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, zumal nach den Erläuterungen bedingter Vorsatz nur dann vorliegt, wenn der Täter das mit dem Handeln verbundene Risiko der Verwirklichung erkannt und so hoch veranschlagt hat, dass er sie als naheliegend ansieht, währenddessen eine fehlerhafte Risikoeinschätzung nur einen Fahrlässigkeitsvorwurf zu begründen vermag.

Schließlich übergeht die fehlende Erklärungen zu einem exzessus mandati vorbringende, abermals keine Verfahrensergebnisse (welche eine solche Unterweisung der Geschworenen im konkreten Einzelfall erfordert hätten; vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57) aufzeigenden Rüge die ausdrücklich darauf Bezug nehmenden Ausführungen in der Instruktion der Laienrichter, die - der Beschwerde zuwider - auch den Fall der Mittäterschaft miteinbeziehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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