JudikaturJustiz13Os69/18y

13Os69/18y – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus R***** und eine Angeklagte wegen Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Markus R***** und Hildegard R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 7. März 2018, GZ 12 Hv 1/18b 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Markus R***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I) und Hildegard R***** des Vergehens der Veruntreuung nach §§ 12 dritter Fall, 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben in N*****

(I) Markus R***** ein ihm anvertrautes Gut, dessen Wert 5.000 Euro überstieg, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er in wiederholten Tathandlungen die von ihm oder Mitarbeitern der e***** GmbH von Kunden inkassierten Geldbeträge, die für Reiseverträge mit den nachstehenden Reiseveranstaltern geleistet wurden, zur Zahlung anderer Verbindlichkeiten verwendete, und zwar

A) vom 6. August 2016 bis zum 1. September 2016 23.006,64 Euro der T***** D***** GmbH;

B) vom 11. August 2016 bis zum 31. Dezember 2016

1) 51.318,23 Euro der Th***** AG;

2) 9.118,80 Euro der T***** C***** GmbH;

(II) Hildegard R***** zur Ausführung der unter I/B/1 beschriebenen strafbaren Handlungen in Bezug auf 49.108,43 Euro sowie zur Ausführung der unter I/B/2 beschriebenen strafbaren Handlungen beigetragen, indem sie die von Kunden inkassierten Geldbeträge auf das Bankkonto der e***** GmbH einzahlte oder die Kunden anwies, Zahlungen mittels Bankanweisung oder Online Terminal auf dieses Konto zu leisten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Markus R***** und Hildegard R*****, die die Genannten auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO stützen.

Voranzustellen ist, dass Markus R***** ausschließlich zur Bekämpfung des Schuldspruchs I, Hildegard R***** hingegen ausschließlich zur Bekämpfung des Schuldspruchs II legitimiert ist (§ 282 StPO).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) hat das Erstgericht den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Klaus P***** zum Beweis dafür, „dass bis Mitte November 2016 die Abbuchungen erfolgten“ (ON 27 S 16), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 27 S 38). Denn er legte – insbesondere ausgehend von der Verantwortung der beiden Angeklagten, wonach der Überziehungsrahmen jenes Bankkontos, auf dem sich die treuhändig verwahrten Gelder befanden, ausgeschöpft war und nicht mehr sämtliche Abbuchungen der Reiseveranstalter erfolgen konnten (vgl ON 27 S 8, 11, 21 und 29) – nicht dar, inwieweit dieser Umstand hätte geeignet sein können, die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage zu beeinflussen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 328). Liegt doch ein – hier der Sache nach angesprochener – präsenter Deckungsfonds nur bei Ersatzwilligkeit und Ersatzfähigkeit im Zeitpunkt der Wegnahme vor ( Salimi in WK 2 StGB § 133 Rz 107 mwN), nicht jedoch dann, wenn der Fonds in der bloß allfälligen Möglichkeit der Überziehung von Krediten besteht, also davon abhängig ist, ob ein Dritter, der nicht dazu verpflichtet ist, eine Zustimmung zur Kreditgewährung gibt (RIS Justiz RS0094453 [insbesondere T5], RS0094428, RS0094326).

Im Übrigen sah es das Schöffengericht ohnehin als erwiesen an (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 342) , d ass (vereinzelte) Bankeinzüge auch über den gewährten Überziehungsrahmen hinaus durchgeführt, anschließend jedoch zum Teil rückgebucht wurden ( US 6, US 11).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer

Antragsfundierung sind aufgrund des sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618 ).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vermisst eine gesonderte Erörterung der Angaben der Angeklagten Hildegard R*****, wonach manche der Reiseveranstalter Tickets auch dann geschickt hätten, wenn nicht bezahlt worden sei (ON 27 S 15 f). Dem Beschwerdevorbringen zuwider steht diese Aussage jedoch den Feststellungen zur subjektiven Tatseite der beiden Angeklagten nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Soweit die Beschwerde einwendet, das Erstgericht habe Prozessvorbringen der Privatbeteiligten T***** D***** GmbH, Th***** AG und T***** C***** GmbH (ON 27 S 18) übergangen (Z 5 zweiter Fall), verfehlt sie mangels Bezugnahme auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) ihr Ziel (RIS Justiz RS0118316 [T12]).

Im Übrigen wendet sich die Rüge aus dem Titel der Urteilsunvollständigkeit bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 dritter Fall) stehen die Feststellungen, wonach Markus R***** lange Zeit darauf vertraute, dass ihm die Bank einen weiteren Überziehungsrahmen gewähren würde (US 8), das Unternehmen retten wollte und (richtig) aufgrund seiner positiven Einstellung zum Ausgang der Verhandlungen mit der Bank das Unternehmen weiterführte (US 10), mit den Konstatierungen zum Vorsatz des Genannten auf Zueignung und unrechtmäßige Bereicherung (US 8) nicht in Widerspruch.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf der Basis eigener Beweiswerterwägungen die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Auch mit der Behauptung, Hildegard R***** sei als Angestellte den Weisungen des Markus R***** unterworfen gewesen und hätte bei Nichteinzahlung der Kundengelder oder mit der Aufforderung an die Kunden, keine Überweisung auf das Bankkonto der e***** GmbH vorzunehmen, gegen ihre Dienstpflichten verstoßen, unterlässt die Rechtsrüge den unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotenen Vergleich der Urteilsfeststellungen mit dem angewendeten Gesetz. Ebenso wenig zeigt sie damit prozessordnungskonform einen Feststellungsmangel auf (RIS Justiz RS0118580).

Im Übrigen kann selbst eine b ei Nichtbefolgung von Weisungen des Arbeitgebers möglicherweise drohende Entlassung keinen entschuldigenden Notstand begründen (RIS Justiz RS0089411).

Den Einwand, wonach für eine rechtsrichtige Subsumtion zu Schuldspruch II der Vorsatz der Beteiligten Hildegard R***** auf Zueignung (US 8) – entgegen der Judikatur (RIS Justiz RS0120600) – im Zeitpunkt der Zueignung durch den unmittelbaren Täter hätte vorliegen müssen, leitet die Rechtsrüge nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565).

Soweit sowohl die Mängelrüge (Z 5) als auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) „zur Vermeidung von Wiederholungen“ zu anderen Nichtigkeitsgründen gemachte „Ausführungen zum Vorbringen an dieser Stelle“ erheben, gehen sie daran vorbei, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind. Dabei sind unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen, durch die sich der Nichtigkeitswerber jeweils für beschwert erachtet (RIS Justiz RS0115902).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
5
  • RS0094453OGH Rechtssatz

    12. September 2018·3 Entscheidungen

    Nach § 133 StGB muß sich der Vorsatz auf eine unrechtmäßige Bereicherung erstrecken. Unrechtmäßig handelt nicht, wer sich ein von einem Schuldner oder für diesen anvertrautes Gut wegen einer fälligen (aufrechten oder vermeintlichen) Gegenforderung in Aufrechnungsabsicht zueignet, mag auch eine solche Aufrechnung allenfalls zivilrechtlich unzulässig sein (SSt 29/89 ua). Der Täter muß jedoch im Zeitpunkt der Zueignung den Aufrechnungswillen haben (siehe Leukauf-Steininger 676). Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlt auch bei Bestehen eines sogenannten präsenten Deckungsfonds, den der Täter zur Erstattung verwenden will. Ein solcher präsenter Deckungsfonds liegt zwar nicht vor, wenn er in der bloß allfälligen Möglichkeit der Aufnahme oder Überziehung von Krediten besteht, also abhängig ist, ob ein Dritter, der nicht dazu verpflichtet ist, eine Zustimmung zur Kreditgewährung gibt (ÖJZ-LSK 1979/110, Leukauf-Steininger 676), er liegt hingegen vor, wenn dem Angeklagten ein vertraglicher Anspruch auf Überziehung seines Lohnkontos eingeräumt wurde. Denn auch unter dieser Voraussetzung ist die Realisierung der Forderung kurzfristig möglich und nicht von der freiwilligen Leistung eines Dritten abhängig. Daß der Täter den ihm eingeräumten Kreditrahmen nicht zur Befriedigung der Forderung des Geschädigten ausgeschöpft hat, ist ein Umstand, der - allgemein gesehen - gegen seine Verwendungsabsicht spricht.