JudikaturJustiz13Os54/20w

13Os54/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pöttinger in der Strafsache gegen Romano G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 12. Mai 2020, GZ 9 Hv 15/20v 35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Mag. Stani sowie des Verteidigers Mag. Schnarch zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch des Romano G***** (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der unter einem ergangene Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Dem Angeklagten Romano G***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Romano G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I) und jeweils eines Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II/1) und der dauernden Sachentziehung nach §§ 15, 135 Abs 1 StGB (II/2) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 (richtig) Abs 1 StGB nach § 143 Abs 1 StGB zur vermeintlichen Mindestfreiheitsstrafe (US 15) von fünf Jahren verurteilt.

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wurde unter einem der Beschluss gefasst, vom Widerruf der Romano G***** vom Landesgericht Krems an der Donau mit Beschluss vom 4. November 2019, AZ 22 BE 112/19t, gewährten bedingten Entlassung und der ihm vom Bezirksgericht Horn mit Urteil vom 25. Oktober 2017, AZ 5 U 50/17w, gewährten bedingten Strafnachsicht jeweils abzusehen. Die diesbezüglichen Probezeiten wurden vom Erstgericht auf fünf Jahre „verlängert“ (§ 494a Abs 6 StPO), wobei übersehen wurde, dass eine solche Verlängerung hinsichtlich des Urteils des Bezirksgerichts Horn bereits zuvor ausgesprochen worden war.

Dem Urteil zufolge hat Romano G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter (§ 12 erster Fall StGB)

I) am 17. Jänner 2020 in G***** Sebastian P***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe abzunötigen versucht, indem sie den Genannten mehrfach zur Übergabe von zwei Euro aufforderten und ihn dabei bedrängten, wobei Romano G***** wiederholt äußerte, ihm eine Bierflasche, welche er in der Hand hielt, auf den Kopf zu schlagen, sollte er ihnen kein Geld geben, weiters

II) am 18. Juni 2019 in E*****

1) zwei Fahrradketten anderer, somit fremde Sachen, durch Tritte beschädigt und

2) zwei Fahrräder anderer (ohne Zueignung) aus deren Gewahrsam dauernd zu entziehen und die anderen dadurch zu schädigen „versucht“, indem er und sein Mittäter die Fahrräder nach einer kurzen Fahrt in einem fremden Keller deponierten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Strafausspruch wendet sich die zugunsten des Angeklagten Romano G***** aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Zutreffend zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) auf, dass das Erstgericht rechtsfehlerhaft von einer Freiheitsstrafdrohung von fünf bis zu fünfzehn Jahren ausgegangen ist und dadurch seine Strafbefugnis überschritten hat (RIS Justiz RS0099957; Ratz , WK StPO § 281 Rz 667 ff).

Von den Feststellungen zur Begehung der Raubtat in verabredeter Verbindung mit einer weiteren Person (vgl dazu § 39a Abs 1 Z 5 StGB) und dem Strafsatz des § 143 Abs 1 StGB ausgehend, betrug die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe nämlich nicht fünf, sondern zwei Jahre (§ 39a Abs 2 Z 4 StGB).

Die Überschreitung der Strafbefugnis bewirkt – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – unabhängig davon, dass die konkret verhängte Strafe innerhalb des rechtsrichtigen Strafrahmens liegt, Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO (RIS Justiz RS0099852).

Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie des gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494a StPO gefassten Beschlusses (§ 288 Abs 2 StPO).

Hinzugefügt sei, dass die Annahme von Versuch statt Vollendung zu II/2 auf Basis der Feststellungen, wonach die fremden Fahrräder zu einer kurzen Fahrt benutzt und im Keller eines unbewohnten Hauses eines Dritten deponiert worden waren (US 5), verfehlt ist. Eine Sache ist dann aus dem Gewahrsam des Berechtigten dauernd entzogen, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (objektiv) die Annahme gerechtfertigt ist, der Berechtigte werde den Gewahrsam an der Sache nicht mehr wiedererlangen. Die Möglichkeit, die Sache zufällig wiederzuerlangen, schließt dauernde Sachentziehung ebenso wenig aus wie die tatsächliche zufällige Wiedererlangung, weil das Delikt mit der durch die vorsätzliche Entziehung bewirkten Schädigung vollendet ist (RIS Justiz RS0106096; Leukauf/Steininger/Messner , StGB 4 § 135 Rz 14).

Da dieser Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten wirkt (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), gab er (abgesehen von der ohnedies aus anderen Gründen gebotenen Aufhebung des Strafausspruchs) für sich keinen Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.