JudikaturJustiz13Os47/05v

13Os47/05v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer in der Strafsache gegen Mark Robert C***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Februar 2005, GZ 044 SHv 99/04f-59, und über die damit verbundene Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Bacher sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Steiner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch II. erfassten Straftat als Vergehen der versuchten Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 15, 223 Abs 2, 224 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch (nicht jedoch im Umfang der Vorhaftanrechnung und der Entscheidungen nach § 20 Abs 1 Z 1 StGB und nach § 34 SMG) sowie der Beschluss auf Widerruf der vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 64 Hv 102/02s gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst I. zu Recht erkannt:

Mark Robert C***** hat durch die im Schuldspruch II. dargestellte Tat das Vergehen der Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB begangen, und er wird hiefür sowie für die ihm zu Schuldspruch I. zur Last liegenden Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster und siebenter Fall SMG unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28 Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von

drei Jahren

verurteilt.

Die weitere Vorhaftanrechnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

II. Den Beschluss gefasst:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 64 Hv 102/02s gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, zugleich aber die in diesem Verfahren bestimmte Probezeit gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert.

Mit ihren Berufungen werden sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte, letzterer auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Mark Robert C***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster und siebenter Fall SMG (I.) und des Vergehens der versuchten Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 15, 223 Abs 2, 224 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I. bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er folgende (Brutto )Mengen verkaufte, und zwar

1. von Mai 2002 bis September 2002 und von Jänner 2003 bis 18. Mai 2004 insgesamt mindestens 500 Gramm Heroin in zahlreichen Angriffen an die Olivera Ka***** und Danijela L*****;

Rechtliche Beurteilung

Der aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit, weil eine in der Hauptverhandlung verlesene (S 21/III) „eidesstattliche" Erklärung der Ya Leka J***** übergangen wurde, mit der diese bestätigte, dass sich der Angeklagte „von Februar 2003 bis August 2003 durchgehend in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat". Dem Rechtsmittelwerber ist zwar beizupflichten, dass diese Bestätigung im Urteil keinerlei Erwähnung findet. Nachdem aber die Zeugen Sinisa Jo***** (S 59/III), Elmar Co***** (S 79 ff, 85/III), Sanel B***** (S 97 ff/III) und Evelyne S***** (S 117/III) nach sinngemäßem Vorhalt dieser Angaben der Ya Leka J***** den Rechtsmittelwerber weiterhin einer Dealertätigkeit auch für den Zeitraum Februar 2003 bis August 2003 belasteten und der Angeklagte daraufhin in der Hauptverhandlung vom 16. Februar 2005 ein Geständnis betreffend den angelasteten Verkauf von Suchtgift ablegte und nur mehr die Mengenangaben dieser Zeugen in Zweifel zog (S 123/III), bedurfte es angesichts dieser klärenden Einlassung keiner weiteren Erörterung der völlig unbestimmten Bestätigung, zumal mit dieser subtratlosen Äußerung nicht einmal gelegentliche Aufenthalte des Beschwerdeführers in Wien während des Zeitraums Februar bis August 2003 ausgeschlossen werden. Mit dem Einwand einer fehlenden Begründung betreffend den angenommenen Verkauf von Suchtgift an Sylvia K***** übergeht der Nichtigkeitswerber, dass sich die erkennenden Richter insoweit auf die verlesenen Angaben dieser Zeugin vor der Polizei stützten (US 8). Dem in der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, dass diese Zeugin dem Rechtsmittelwerber nie persönlich gegenübergestellt wurde, trug das Schöffengericht insofern Rechnung, als es im Sinne einer Würdigung von Kontrollbeweisen auf die die Kontaktaufnahme und Suchtgiftübergabe in gleicher Weise schildernden Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen verwies (US 8). Entgegen der weiteren Mängelrüge bestehen zwischen den Angaben des Zeugen Sinisa Jo*****, der lediglich bis März 2003 Suchtgift vom Angeklagten bezog und den Aussagen der Zeugin Evelyne S*****, die angab, dass ihre nach diesem Zeitpunkt geknüpften Kontakte zum Beschwerdeführer „meistens" unter Mitwirkung von Sinisa Jo***** hergestellt wurden (S 111/III), keine Widersprüche, die erörterungsbedürftig gewesen wären, zumal das erkennende Gericht im Sinne der Ausführungen dieser Zeugen ohnehin davon ausging, dass der Nichtigkeitswerber nach März 2003 lediglich Evelyne S*****, nicht aber auch Sinisa Jo***** Suchtgift verkauft hatte.

Mit der Behauptung einer unzureichenden Begründung zur Menge des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes versucht der Beschwerdeführer lediglich die Verfahrensergebnisse in einem für den Angeklagten günstigeren Licht zu interpretieren, ohne aber aufzuzeigen, inwiefern die Überlegungen des erkennenden Gerichtes im Widerspruch zu den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder allgemeinen Lebenserfahrungen stünden. In der Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt der Rechtsmittelwerber inhaltlich die bereits zur Mängelrüge vorgetragenen Argumente, ohne damit sich aus dem Akt ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlass der unberechtigten Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch im Hinblick auf den zu II. ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 15, 223 Abs 2, 224 StGB der Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen:

Nach dem am 1. Mai 2004 (StRÄG 2004) in Kraft getretenen § 224a StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wer eine falsche oder verfälschte besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, von einem anderen übernimmt, sich oder einem anderen verschafft, befördert, einem anderen überlässt oder sonst besitzt. Mit dieser Bestimmung sollen zum einen möglichst alle der Fälschung nachfolgenden Verhaltensweisen kriminalisiert werden, durch welche die von den bereits hergestellten Falsifikaten ausgehende abstrakte Gefahrenlage für die Sicherheit des Rechtsverkehrs mit qualifizierten Urkunden prolongiert wird. Zum anderen sollen zugleich die Vorbereitungshandlungen für den späteren Gebrauch derselben erfasst werden (vgl Kienapfel/Schroll in WK2 ErgH 2005 § 224a Rz 1; EBRV StRÄG 2004, 309 BlgNR XXII. GP, 9 iVm 12 und 17). Der Charakter dieses neugeschaffenen Tatbestandes als Vorbereitungsdelikt zum Gebrauch einer ge- oder verfälschten besonders geschützten Urkunde nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB zwingt zu einer klaren Abgrenzung zum mit strengerer Strafe bedrohten Versuch der Fälschung besonders geschützter Urkunden. Wer den von einem anderen ge- oder verfälschten Reisepass bei sich führt, um ihn bei einer allfälligen Identitätskontrolle vorzuweisen, verantwortet ein Besitzen im Sinne des fünften Deliktsfalles des § 224a StGB. Erst eine ausführungsnahe Handlung zum tatsächlichen Gebrauch des Falsifikats kann das Vergehen nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB begründen. Eine solche die Versuchsstrafbarkeit auslösende ausführungsnahe Handlung (§ 15 Abs 2 StGB) ist erst dann anzunehmen, wenn eine konkrete Ausweisleistung unmittelbar bevorsteht, der Täter also in Begriff steht, das ge- oder verfälschte Dokument zum Nachweis seiner Identität vorzuweisen (vgl Kienapfel/Schroll in WK2 ErgH 2005 § 224a Rz 15; Kienapfel in WK2 § 224 Rz 64; Fuchs AT I6 29/47). Das bloße Mitsichtragen des Falsifikats reicht dafür dagegen noch nicht aus (zur alten Rechtslage vgl 12 Os 77/86, SSt 57/41; 9 Os 155/78, SSt 49/66), weil der Gesetzgeber durch die neu geschaffenen, mit einer geringeren Strafdrohung versehenen Tatvarianten des § 224a StGB klargestellt hat, dass er derartige, dem tatsächlichen Gebrauch der Fälschung vorgelagerte Tatmodalitäten in einem eigenen Delikt erfassen wollte (vgl Kienapfel/Höpfel AT11 Z 21 Rz 23).

Das Schöffengericht stellte dazu fest, dass der Angeklagte am 24. Juni 2004 einen durch Seitenaustausch verfälschten britischen Reisepass bereithielt, um ihn gegebenenfalls den Sicherheitskräften zum Beweis seiner Identität vorzuweisen. Er wusste dabei, dass die Urkunde verfälscht ist und wollte mit der falschen Urkunde über seine wahre Identität täuschen (US 4).

Aus dem Akt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Mark Robert C***** über das bloße Bereithalten hinausgehend mit dem erst anlässlich der späteren Verhaftung bei ihm sichergestellten verfälschten Reisepass bereits ausweisen wollte. Vielmehr ergriff er im Zuge der von der Polizei in Aussicht genommenen Identitätsfeststellung die Flucht und entriss dabei ein zuvor von einem Beamten sichergestelltes Säckchen, in dem sich der verfälschte Reisepass befand (S 149 ff/I, 369/II). Solcherart sind Feststellungen zu einer zumindest ausführungsnahen Handlung iS eines vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfassten unmittelbar bevorstehenden Gebrauchs der verfälschten besonders geschützten Urkunde auch in einem zweiten Rechtsgang nicht zu erwarten. Daher war aus prozessökonomischen Gründen (vgl Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24) in der Sache selbst dahingehend zu erkennen, dass das Mark Robert C***** zu Schuldspruch II. angelastete Verhalten den Tatbestand des Besitzes einer falschen oder verfälschten besonders geschützten Urkunde nach § 224a fünfter Fall StGB erfüllt.

Bei der notwendigen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gleicher und verschiedener Art und die fortgesetzte Tatbegehung über einen langen Deliktszeitraum, die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall als erschwerend, hingegen das Teilgeständnis als mildernd zu werten. Ungeachtet des Umstands, dass dem Angeklagten nunmehr das im Vergleich zu § 224 StGB mit geringerer Strafe bedrohte Vergehen nach § 224a StGB zur Last liegt, bestand für den Obersten Gerichtshof kein Anlass zur Bestimmung einer das erstgerichtliche Strafmaß von drei Jahren unterschreitenden Freiheitsstrafe. Andererseits bedurfte es aber auch nicht einer von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung geforderten höheren Freiheitsstrafe, zumal der Umstand, dass Mark Robert C***** mit so genannten harten Drogen handelte, schon durch eine entsprechende Grenzmengenbestimmung iSd § 28 Abs 6 SMG bei den Verbrechenstatbeständen des § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG berücksichtigt wird. Dem Unrechtsgehalt des im Zentrum des Vorwurfs stehenden, mehrfach verwirklichten Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG aber auch der Schuld des Angeklagten wird mit einer knapp unter einem Drittel des Strafsatzes nach § 28 Abs 3 SMG ausgemessenen Freiheitsstrafe den Berufungsausführungen der Anklagebehörde zuwider ausreichend Rechnung getragen.

Entgegen dem Berufungsvorbringen des Rechtsmittelwerbers steht einer teilweisen bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckende Delinquenz und das durch eine Verurteilung nach dem SMG einschlägig getrübte Vorleben des rasch rückfällig gewordenen Angeklagten entgegen, angesichts dessen nicht mehr von einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, Mark Robert C****** werde bei abermaliger bedingter Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen (§ 43a Abs 4 StGB).

Im Hinblick auf die ausgemessene, erstmals eine längere Haft bedingende Freiheitsstrafe, die dem Beschwerdeführer das Unrecht seiner Taten massiv verdeutlicht, bedarf es nicht zusätzlich noch des Widerrufs des vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 29. Oktober 2002, GZ 64 EHv 102/02s-24, bedingt nachgesehenen neunmonatigen Teils der Freiheitsstrafe, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Allerdings war aus spezialpräventiven Gründen gemäß § 494a Abs 6 StPO die zu AZ 064 EHv 102/02s des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestimmte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Mit ihren Berufungen waren sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte, letzterer auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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