JudikaturJustiz13Os43/98

13Os43/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juli 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kofler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Konrad W***** wegen des Verbredchens nach § 3 g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 4. Oktober 1996, GZ 20 v Vr 1156/96-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil eines Geschworenengerichtes wurde Konrad W***** des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG schuldig erkannt. Darnach hat er sich in den Jahren 1989 bis 1994 in Wien als Schriftleiter des periodischen Druckwerkes "Kommentare zum Zeitgeschehen" durch insgesamt sieben (eingehend dargelegte) teils von ihm selbst verfaßte Veröffentlichungen auf andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt.

Die auf Z 4, 5, 8, 10 a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Indem es die Verfahrensrüge (Z 4 und 5) unterläßt, konkret jene amtlichen Schriftstücke, deren Verlesung (entgegen § 252 Abs 1 StPO) sie kritisiert, ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung anzuführen (§§ 344, 285 a Z 2 StPO), verfehlt sie eine gesetzeskonforme Darstellung. Die Verlesung des über eine Hausdurchsuchung aufgenommenen Protokolls ist aus Z 4 nicht bekämpfbar (§ 252 Abs 2 StPO). Warum sie einer sachlichen Entscheidung der Geschworenen im Wege stand, wird aus Z 5 nicht klargestellt.

Dazu kommt, daß die Beschwerde nur substratlos behauptet, keineswegs aber aus den Akten ersichtlich ist, die Geschworenen seien tatsächlich Opfer bloßer "Stimmungsmache" geworden, hätten also dem geleisteten Eid, sich bei ihrer Entscheidung nur von sachlichen Überlegungen leiten zu lassen (§ 305 StPO), zuwidergehandelt, zumal der Beschwerdeführer eine entsprechende Belehrung durch die Vorsitzende des Schwurgerichtshofes ausdrücklich zugesteht (§ 345 Abs 3 StPO; vgl auch ÖJZ-MRK 1998/9).

Der Antrag auf Verlesung des Strafaktes AZ 26 e Vr 3556/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, entbehrte eines klärenden Vorbringens, warum die gerichtliche Beurteilung der "Kommentare zum Zeitgeschehen" als "Zeitschrift, die nahezu ausschließlich aus Zitaten, Witzen und Kuriosa besteht" einen (der Sache nach angesprochenen) Irrtum über das (normative) Tatbildmerkmal (§ 5 Abs 1 StGB) nationalsozialistischer Betätigung hervorgerufen haben sollte (Z 5).

Weil nicht die Gesinnung des Angeklagten, vielmehr nationalsozialistische Betätigung den Gegenstand des Strafverfahrens bildet, war die Abhörung von Tarnocy S***** und Friedrich H***** entbehrlich.

Die Mitwirkung der erst in der Hauptverhandlung vom Ablehnungsantrag betroffenen Mitglieder des Schwurgerichtshofes an der Entscheidung darüber steht nicht unter Nichtigkeitssanktion.

Hinweise darauf, daß die abgelehnten Richter sich bei den noch zu treffenden Entscheidungen von anderen als bloß sachlichen Erwägungen leiten lassen würden, aber ließ die Antragstellung (Bd III, S 245 und 247) nicht erkennen.

Neues Vorbringen im Rechtsmittel ist unbeachtlich.

Vorgänge nach Urteilsfällung können aus Z 5 ebensowenig gerügt werden wie eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (vgl aber § 34 Abs 2 StGB). Schließlich geht die nicht auf Anträge in der Hauptverhandlung abstellende Polemik gegen Verhandlungsleitung durch Vorsitzende und Schwurgerichtshof sowie Protokollführung an den Vorschriften der Prozeßordnung vorbei.

Indem die Instruktionsrüge (Z 8) gar nicht behauptet, die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung habe sich in der Bezeichnung des § 3 g VerbotsG als "Generalklausel" erschöpft, eine (nicht als falsch abgelehnte) Auslegung des Tatbildmerkmals "nationalsozialistisch" nicht bestreitet und offen läßt, welches konkrete Abgrenzungsmerkmal zu "an sich erlaubter rechtsgerichteter politischer Argumentation" sie vermißt, verfehlt sie eine Ausrichtung am Gesetz.

Weil die Verfassungskonformität der den Gegenstand der Fragestellung bildenden strafbaren Handlungen nicht zum Inhalt der Rechtsbelehrung (§§ 321, 323 Abs 1 und 327 StPO) zählt, kann dieser Nichtigkeitsgrund auch nicht mit der Behauptung geltend gemacht werden, § 3 g VerbotsG verstoße gegen Grundrechte der EMRK.

Mit einem bloßen Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, "durch die inkriminierten Artikel keinesfalls auch nur den bedingten Vorsatz einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung gehabt zu haben, zumal sich die Zeitschrift an einen überwiegend intellektuellen Leserkreis gerichtet hat, der über ein eigenes Urteilsvermögen verfügt und gerade durch die unkommentierte und richtige Wiedergabe von tatsächlichen Zitaten(,) lediglich der Versuch einer Anregung dieses jeweils eigenen Urteilsvermögens des unvoreingenommenen Lesers unternommen wird", werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen der Geschworenen ebensowenig geweckt, wie durch die - ohne aktenmäßigen Bezug behauptete - (angebliche) Vorgangsweise der Anklagebehörde in anderen Fällen, deren Kenntnis durch W***** die Beschwerde ohnehin nicht behauptet.

Die Bewertung einer (in einem Druckwerk geschehenen) Betätigung als "im nationalsozialistischen Sinne" stellt eine aus Z 10 a nicht bekämpfbare Rechtsfrage dar. Gegen die tatsächlichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt (zu 5 und 6; SSt 37/39, 14 Os 118,119/97 nv; EvBl 1998/90), der auch auf pragmatischer Ebene, gleichsam zwischen den Zeilen, erkannt werden kann (EvBl 1997/194 = LSK 1997/147), werden jedoch mit dem pauschalen Hinweis auf Darlegungen des Sachverständigen für Zeitgeschichte erhebliche Bedenken weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung angeführt.

Mit der nicht weiter substantiierten Behauptung, "die richtige Veröffentlichung von unverfälschten Zitaten, die der freien Meinungsbildung zugänglich sind", stelle "keine Wiederbetätigungshandlung im Sinne des § 3g dar", mangelt es der Rechtsrüge (Z 11 lit a), welche im übrigen einen Vergleich der im Wahrspruch festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Gesetz verfehlt, an der von der Prozeßordnung geforderten Deutlichkeit (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9 a ENr 5 b und 6).

Das substratlose indirekte Vorbringen, die Nichtigkeitsgründe der StPO genügten dem in Art 13 EMRK gerantierten Schutzstandart nicht, stellt eine gesetzeskonforme Darstellung eines Nichtigkeitsgrundes ebensowenig dar. Art 13 EMRK ist im übrigen dort, wo eine Konventionsverletzung durch gerichtliches Verfahren gerügt wird, ohnedies systematisch unanwendbar (vgl Frowein/Peukert Europäische Menschenrechtskonvention**2 Art 13 Rz 9).

Aus der Zurückweisung der teils unzulässigen, teils offenbar unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung (§ 285 i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390 a StPO.

Rechtssätze
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