JudikaturJustiz13Os142/96

13Os142/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alexandra Elke S***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 130, 131 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12.Juli 1996, GZ 10 Vr 866/96-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und des Verteidigers Dr.Denk, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Ausspruch, die Angeklagte habe die angelasteten Diebstähle gewerbsmäßig begangen, ferner in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter § 130 erster Fall StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt: Für das Verbrechen des (teils auch versuchten) räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB wird Alexandra Elke S***** nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Strafverfügung des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 14.Mai 1996, AZ 5 U 291/96, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexandra Elke S***** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten, gewerbsmäßigen, und räuberischen Diebstahles nach §§ 127, 130 erster Fall, 131 erster Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Graz gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen den Nachgenannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar:

1. am 26.April 1995 Verfügungsberechtigten

a) des Kaufhauses B***** eine Hautcreme im Wert von 149,90 S und ein Glas mit Kieselerdekapseln im Wert von 79,90 S

b) des Bi*****-Marktes eine Feuchtigkeitsmilch und drei Wimperntuschen der Marke L'Oreal und einen Lipliner der Marke Jade und zwei Kajal im Gesamtwert von 429,80 S

c) des Schuhgeschäftes D***** ein paar schwarze Damensandalen im Wert von 399 S;

2. im Juni 1994 der Renate Bo***** einen Gelbgoldring im Wert von

5.300 S;

3. am 26.April 1995 Verfügungsberechtigten des Kaufhauses C***** zwei Damenblazer im Wert von 2.088 S, wobei sie bei ihrer Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die wegzunehmen versuchten Sachen zu erhalten, indem sie Claudia R***** einen heftigen Stoß versetzte und sich aus ihren Griffen gewaltsam loszureißen versuchte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z 5 a und 9 lit a (richtig: Z 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als nicht zielführend erweist sich die zum Schuldspruchfaktum 2. (Diebstahl eines Ringes zum Nachteil der Renate Bo*****) erhobene Tatsachenrüge (Z 5 a), in der die zur Täterschaft der Angeklagten getroffenen Urteilsfeststellungen wegen des angeblichen Fehlens eindeutig belastender Verfahrensergebnisse als erheblich bedenklich bezeichnet werden.

Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich im unzulässigen Versuch, den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisresultaten, insbesondere aus den ein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis der Angeklagten zur Diebstahlsverübung behauptenden Angaben der Zeugin Petra Bo***** (S 65, 145, 149 f iVm S 209) abgeleiteten, keineswegs unlogischen Schlußfolgerungen andere, für sie günstigere Überlegungen gegenüberzustellen. Der in der Beschwerde als entlastend hervorgehobene Umstand, daß der gestohlene Ring von einem "jüngeren Mann" im Dorotheum verpfändet worden sein soll (vgl S 58), schließt einen Diebstahl durch die Angeklagte nicht aus. Den gegen die Annahme ihrer Täterschaft gerichteten spekulativen Erwägungen der Beschwerdeführerin fehlt insgesamt die Eignung, jene Bedenken erheblicher Art hervorzurufen, auf die der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund abstellt.

Hingegen kann der aus der Z 9 lit a (richtig: Z 10, sachlich auch Z 5) erhobenen Rüge, welche die Annahme gewerbsmäßiger Begehung der (zu Punkt 1. und 3. des Urteilssatzes) angelasteten Ladendiebstähle (§ 130 erster Fall StGB) bekämpft, Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Gewerbsmäßigkeit (im Sinn des § 70 StGB) setzt voraus, daß es dem Täter bei der Tatbegehung darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; es genügt daher nicht, daß er bloß eine für einen bestimmten Anlaß wirksame Einnahme erschließen will (SSt 46/52, SSt 52/13). Nur ein solcher Vorsatz lag aber - wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt - im gegebenen Fall vor. Denn nach dem im Urteil getroffenen Feststellungen suchte die Angeklagte sich mit der Diebsbeute für ihre Reise nach Kreta auszustatten (US 6, 10). Diese Urteilsannahmen lassen den rechtlichen Ausspruch einer gewerbsmäßigen Verübung der Ladendiebstähle nicht zu, weil es an der Absicht fehlt, durch wiederkehrende Entfaltung gesetzwidriger Tätigkeit eine ständige oder wenigstens länger fließende Einnahme zu erzielen (Mayerhofer-Rieder StGB4 § 70 ENr 4 bis 5 a).

Ein zwar von der Beschwerdeführerin nicht relevierter, jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmender Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) besteht hinsichtlich der ihr angelasteten Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung des Diebstahls Punkt 2. des Urteilssatzes, zu deren Annahme das Ersturteil jegliche Begründung vermissen läßt (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 9 lit a E 8). Da nach Lage des Falles von vornherein feststeht, daß insoweit die Nachholung mängelfreier Konstatierungen (zur Gewerbsmäßigkeit) auch in einem erneuerten Verfahren nicht möglich ist, war der mangelhafte Qualifikationsausspruch sogleich vom Obersten Gerichtshof aus dem Urteil zu eliminieren (Mayerhofer-Rieder aaO § 288 E 27, 28; 14 Os 76/95).

Unbegründet ist die Rechtsrüge (sachlich Z 10), soweit sich diese gegen die Tatbeurteilung als räuberischer Diebstahl (Punkt 3. des Urteilssatzes) richtet. Der Einwand, die Beschwerdeführerin hätte die sie anhaltende Frau nicht als Kaufhausdetektivin erkannt, muß unbeachtlich bleiben, weil der (erweiterte) Tätervorsatz nur die Absicht erfordert, sich (oder einem Dritten) die weggenommene Sache zu erhalten. Da das Erstgericht derartige - mit zureichender Begründung versehene - Feststellungen getroffen hat (S 205, 209, 213), kommt der von der Beschwerdeführerin relevierten Frage, gegen welche Person die Gewalt angewendet wurde, um sich die Diebsbeute zu erhalten, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Den eine tatbestandsspezifische Gewaltanwendung bestreitenden Ausführungen ist in rechtliche Hinsicht zu erwidern, daß unter dem Begriff der Gewalt in der Bedeutung des § 131 StGB jede Art physischer Gewaltanwendung zur Überwindung eines wirklichen oder vermeintlichen Widerstandes fällt, wobei eine besondere körperliche Kraftanstrengung keineswegs erforderlich ist (16 Os 11/90, 14 Os 39/91, 14 Os 81/95 ua); demnach genügt, daß der (tätergewollte) Krafteinsatz das Opfer von seinem Rückgewinnungsversuch an der weggenommenen Sache Abstand nehmen läßt und zur Erhaltung des Tätergewahrsams an der Beute führt. Die sich im festgestellten Verhalten der Angeklagten manifestierende Gewalt, nämlich das Versetzen eines heftigen Stoßes gegen den Körper und das versuchte gewaltsame Losreissen, hat der Auffassung der Beschwerdeführerin zuwider die Erheblichkeitsschwelle überschritten (vgl Kienapfel BT II2 Rz 19 zu § 131 StGB; 14 Os 186/87, 14 Os 39/91). Die Tat wurde daher rechtsrichtig dem Tatbestand des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB unterstellt.

Es war daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten sowie aus deren Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO in seinem Ausspruch, die Angeklagte habe die ihr angelasteten Diebstähle gewerbsmäßig begangen, ferner in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 130 erster Fall StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufzuheben, im übrigen jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst die von der Angeklagten für das Verbrechen des (auch versuchten) räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB verwirkte Strafe neu zu bemessen.

Dabei wurden als erschwerend die Wiederholung der Angriffe, als mildernd hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel, das teilweise Geständnis und der Umstand gewertet, daß es zum Teil beim Versuch geblieben ist. Danach sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) und der gemäß §§ 31, 40 StGB zu beachtenden, zu AZ 5 U 291/96 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz verhängten Strafe von 20 Tagessätzen für das Vergehen nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB entspricht die verhängte Freiheitsstrafe der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert der Taten.

Die Gewährung der (gänzlichen) bedingten Strafnachsicht ist eine Folge des Verschlimmerungsverbotes.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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