JudikaturJustiz13Os127/15y

13Os127/15y – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hermann F***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hermann F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 11. Juni 2015, GZ 38 Hv 64/13x 53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde soweit hier von Bedeutung Hermann F***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Februar 2011 bis (richtig) November 2011 in S***** und an anderen Orten gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Vorgabe des Erwerbs von Beteiligungen an einem noch zu gründenden Unternehmen mit der Firma „E*****“ und der Zusage einer jährlichen Dividende von 6 %, zu 1) b) auch durch die Zusage einer Kapitalgarantie (US 6), in mehreren Angriffen zur Leistung von insgesamt 40.000 Euro verleitet, die diese in einem je 3.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen schädigten, und zwar

1) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Markus Fa***** als Mittäter

a) Gerhard G***** im Gesamtbetrag von 10.000 Euro;

b) Bernhard R***** im Betrag von 20.000 Euro;

2) alleine Helga L***** im Gesamtbetrag von 10.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b (nominell auch Z „10b“) und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS Justiz RS0106268). Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf

Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (RIS Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen, was bei wie hier umfangreichem Aktenmaterial die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle erfordert (RIS Justiz RS0124172).

An diesen Anfechtungskriterien ist die Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und Aktenwidrigkeit reklamierende Mängelrüge (Z 5) nicht orientiert, indem sie gestützt auf die „gesamte Aktenlage“ und eine Mutmaßung des Zeugen Mag. Dominik Lu***** in der Hauptverhandlung (ON 52 S 5 ff) die Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Angeklagten behauptet und dem Erstgericht vorwirft, es „würfle gesellschaftsrechtliche Bestimmungen durcheinander“ und „vermeide tunlichst anzuführen, welche Art von Gesellschaft gegründet werden hätte sollen“.

Der behaupteten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb die Aussage des Zeugen G***** (ON 40 S 27 ff) bei den zum Faktum 1/a getroffenen Feststellungen von den Tatrichtern keineswegs unberücksichtigt (US 10 f). Zudem stehen die Angaben in keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen. Mit ihrem Vorbringen wendet sich die einzelne Aussagepassagen hervorhebende Rüge nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Davon, dass den von G***** vereinnahmten Geldbetrag zunächst der Mitangeklagte Fa***** erhielt, ging das Erstgericht ohnehin aus (US 11).

Dass der Beteiligungsvertrag mit G***** nicht die Unterschrift des Beschwerdeführers trägt, ist auch mit Blick auf die Feststellungen zur gemeinsamen Planung der Tat nicht von Bedeutung und scheidet damit als Bezugspunkt der Mängelrüge aus.

Die Art strafbarer Beteiligung nach § 12 StGB kann angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen im Übrigen weder aus Z 5 noch aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS Justiz RS0117604).

Inwiefern die Aussage der Zeugin Helga L***** den entscheidungswesentlichen Feststellungen zum Faktum 1/a erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, erklärt die Beschwerde nicht.

Indem sich die Mängelrüge (Z 5) gegen die Feststellungen zur Verwendung der dem Beschwerdeführer zugeflossenen 17.000 Euro wendet, auf ein in Deutschland gegründetes Unternehmen sowie darauf verweist, dass der Rechtsmittelwerber Aufwendungen für „das“ Geschäftslokal und für ein Fahrzeug tätigen musste, orientiert sie sich nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

Ob der Beschwerdeführer in Deutschland ein Unternehmen gründete (vgl US 10) oder eine Geschäftstätigkeit entfaltete, ist weder schuld noch subsumtionsrelevant. Wofür die betrügerisch herausgelockten Gelder verwendet wurden, ist für den Schuldspruch nicht von Bedeutung. Der tatsächliche Eintritt der Bereicherung gehört nicht zum Tatbestand des Betrugs (RIS Justiz RS0103999 [T1]).

Entgegen der behaupteten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) blieb die leugnende Verantwortung des Hermann F***** nicht unerörtert, vielmehr folgte das Erstgericht dieser nicht (US 10 f).

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach nur dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS Justiz RS0119583).

Mit dem

Verweis auf das Vorbringen

der wesensmäßig davon verschiedenen Mängelrüge „aus Vorsichtsgründen“ bezeichnet die

Tatsachenrüge (Z 5a) diesen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt (RIS Justiz RS0115902; vgl auch RS0116733). Das weitere Vorbringen lässt den erforderlichen konkreten

Verweis auf aktenkundige Beweismittel vermissen (RIS-Justiz RS0118780) und erschöpft sich im Übrigen darin, die Feststellungen als grob falsch und völlig lebensfremd zu bezeichnen.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf vom Schöffengericht erwogene Zeugenaussagen, auf eine Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der V***** AG und auf die als Schutzbehauptung verworfene Verantwortung des Beschwerdeführers verweist, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

Diesen Anfechtungskriterien entspricht die Rechtsrüge nicht.

Der gegen den Qualifikationstatbestand des § 148 StGB gerichtete Einwand (Z 10) bestreitet die vom Erstgericht festgestellte Intention des Beschwerdeführers, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 8).

Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) verweist die Rüge auf die Tatsache, dass der Zeuge G***** den gesamten Geldbetrag auf das Privatkonto des Mitangeklagten überwiesen habe, zeigt damit aber weder einen vom Erstgericht übergangenen (US 10 f) noch einen erörterungsbedürftigen Umstand auf.

Das auf § 281 Abs 1 Z 5 iVm Z 10 StPO gestützte Vorbringen entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS Justiz RS0115902).

Die weitere Rüge (nominell „Z 10b“ der Sache nach Z 9 lit b) reklamiert den Strafaufhebungsgrund der

tätigen Reue (§ 167 StGB) mit dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer mit Bernhard R***** einen vom Erstgericht übergangenen „Darlehensvertrag“ abgeschlossen habe, lässt aber offen, inwiefern ein solches Übereinkommen eine vertragliche Verpflichtung darstellen sollte, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit Schadensgutmachung zu leisten (§ 167 Abs 2 Z 2 StGB). Der herangezogene Nichtigkeitsgrund verlangt allerdings eine methodisch vertretbare Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz (RIS Justiz RS0116565 und RS0116569).

Inwiefern dem Erstgericht wegen des nach Urteilsfällung in Kraft getretenen Strafrechtsänderungs-gesetzes 2015 eine Verletzung des Günstigkeitsprinzips (§§ 1, 61 StGB) vorzuwerfen sei, erklärt die Rüge (der Sache nach Z 10) nicht methodengerecht.

Da der Oberste Gerichtshof hier nicht in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) entscheidet, können die von dieser Prämisse ausgehenden Einwände des Beschwerdeführers auf sich beruhen.

Zum übrigen Vorbringen sei festgehalten, dass der Oberste Gerichtshof das angefochtene Urteil mangels anders lautender Übergangsbestimmung auf der Grundlage der zur Zeit seiner Fällung bestehenden Rechtslage zu überprüfen hat (RIS Justiz RS0087462, RS0088808). Zu einer anderen Sicht gibt auch Art 7 Abs 1 MRK keinen Anlass, denn das aus diesem in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (U 17. 9. 2009 [GK], Scoppola , Nr 10.249/03; zur Entwicklung der diesbezüglichen Rechtsprechung Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 145) abgeleitete Gebot der Rückwirkung nach der Tatbegehung in Kraft getretener milderer Strafgesetze legt den prozessualen Bezugspunkt des in diesem Sinn vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs nicht fest (in dem Fall, welcher der zitierten Entscheidung zugrunde lag, war die in Rede stehende Gesetzesänderung im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung bereits in Kraft; vgl 13 Os 19/12m, SSt 2012/14).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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