JudikaturJustiz13Os113/22z

13Os113/22z – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 2022, GZ 605 Hv 6/22f-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Zur Entscheidung über die Berufung des Verurteilten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 20. September 2022, GZ 605 Hv 6/22f-76, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 20. September 2022 (ON 76) wurde * P* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Zugleich erging der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung.

[2] Unmittelbar nach der Urteilsverkündung und erteilter Rechtsmittelbelehrung meldete der Angeklagte (in Anwesenheit seines Verteidigers) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 75 zweiter Bogen S 5).

[3] Mit Schriftsatz vom 21. September 2022 erklärte der Verteidiger für den Angeklagten die Zurückziehung der angemeldeten Rechtsmittel (ON 78).

[4] Am 10. Oktober 2022 langte beim Erstgericht ein mit 2. Oktober 2022 datiertes, an das Oberlandesgericht Wien adressiertes und mit einer Begründung versehenes Schreiben des Verurteilten ein, in dem er erklärte, „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ zu erheben (ON 86).

[5] Über gerichtlichen Auftrag (ON 1 S 59) gab der Verteidiger am 17. Oktober 2022 bekannt, dass P* nunmehr die „Erledigung der selbstausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ wünsche (ON 89).

[6] Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Vorsitzende des Schwurgerichtshofs die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 1 StPO (iVm § 344 StPO) zurück.

Rechtliche Beurteilung

[7] Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten (ON 93, § 285b Abs 2 StPO iVm § 344 StPO).

[8] Ihr kommt keine Berechtigung zu.

[9] Gemäß § 285a Z 1 letzter Fall StPO hat das Landesgericht, bei dem eine Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet wird, diese zurückzuweisen, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, die auf sie verzichtet hat.

[10] Ein rechtswirksam erklärter Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich (RIS-Justiz RS0099945).

[11] Ein vom Angeklagten angemeldetes Rechtsmittel kann von dessen Verteidiger (auch ohne oder sogar gegen den Willen des Angeklagten) wirksam zurückgezogen werden, es sei denn, dem Gericht wäre ein dazu bestehender Dissens zwischen den beiden im Zeitpunkt der Zurückziehung bereits bekannt (RIS-Justiz RS0097995; Ratz , WK-StPO § 284 Rz 8).

[12] Die Erklärung des Verteidigers, die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuziehen (ON 78), stellt einen Rechtsmittelverzicht dar (RIS-Justiz RS0097859).

[13] Das – einen Dissens im oben beschriebenen Sinn nicht behauptende – Beschwerdevorbringen, der Verteidiger sei vor der Zurückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht mit dem Verurteilten in Kontakt getreten und diese sei (zusammengefasst) gegen dessen Willen erfolgt, ist daher für die Wirksamkeit der in Rede stehenden prozessualen Erklärung unbeachtlich (RIS-Justiz RS0096647, RS0097995 [insb T1 und T4] und RS0097859 [T4]).

[14] Ausgehend davon ist der vom Verteidiger erklärte Rechtsmittelverzicht rechtswirksam und (demzufolge) unwiderruflich.

[15] Die Zurückweisung der vom Verurteilten dennoch angemeldeten und ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde nach § 285a Z 1 letzter Fall StPO (iVm § 344 StPO) erfolgte demnach zu Recht.

[16] Der Beschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.

[17] Über die Berufung und die Beschwerde gegen den Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 344, 285i StPO, § 498 Abs 3 StPO; RIS-Justiz RS0100545).

[18] Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil es nicht zu einem Rechtsmittelverfahren im Sinn des § 390a Abs 1 StPO gekommen ist ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 11).

Rechtssätze
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