JudikaturJustiz13Os113/07b

13Os113/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Mikail A***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 6. Juli 2007, GZ 39 Hv 64/07x-169, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Mikail A***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1.) und mehrerer Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2.) schuldig erkannt. Danach hat er in Innsbruck Sepiyat M*****

1. in der Nacht vom 26. auf den 27. August 2006 mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er sie unter einem Vorwand in seine Wohnung lockte, ihr ankündigte, er werde sie heute „ficken", sie packte und gegen einen Schrank drückte, sie an den Haaren in den Wohnraum zerrte, aufs Bett warf und sich auf sie setzte, sie auszuziehen und ihre Hose zu öffnen versuchte, sie dabei an den Brüsten abgriff und mit der Hand zwischen ihre Beine zu greifen versuchte, sie mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und mit seinen Füßen im Bereich der Oberschenkel trat und ihr Faustschläge gegen ihren Oberkörper und gegen den Mund versetzte, sie damit bedrohte, seine Pistole zu nehmen und sie zu erschießen und ihre Tochter zu vergewaltigen, sie nach einem Fluchtversuch wiederum ins Gesicht schlug und ihr Gesicht gegen eine Tür stieß, sie weiters in eine Badewanne stieß und sie schließlich zurück in den Wohnraum zerrte sowie die Wohnungseingangstür von innen versperrte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung der Sepiyat M***** (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Trümmerfraktur des Nasenbeins, zur Folge hatte;

2. zwischen 27. August 2006 und 8. September 2006 mehrmals durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeige, zu nötigen versucht, indem er äußerte, er würde sie und ihre Kinder erschießen, wenn sie sich an die Polizei wende oder irgend jemandem von dem Vorfall erzähle, und sie solle nicht vergessen, dass er eine Waffe habe.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Verteidiger beantragte in der Hauptverhandlung am 15. Juni 2007 die ergänzende Vernehmung der Zeugin Sepiyat M*****

1. zum Beweis dafür, dass sie den Schlüssel zur Tür der Wohnung des Angeklagten nicht im Zuge der von ihr geschilderten Auseinandersetzung in dieser Wohnung an sich genommen hat bzw dass es ihr im Zuge des von ihr geschilderten Kampfes gar nicht möglich war, einen einzelnen Schlüssel vom Schlüsselbund, der in der Eingangstür gesteckt sei, abzulösen,

2. zum Beweis dafür, dass es bereits am Vormittag des 26. August 2006 zu einem Treffen zwischen ihr und dem Angeklagten gekommen ist und

3. zum Beweis dafür, „dass die behauptete versuchte Vergewaltigung tatsächlich nicht stattgefunden hat" (S 323/IV).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde dieser Antrag selbst unter Zugrundelegung einer bei der Antragstellung nicht bezeichneten Relevanz (Schmoller, WK-StPO § 3 Rz 63; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 18; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 f) auch des ersten und zweiten der drei genannten Beweisthemen - nämlich in Betreff der in der Beschwerde angesprochenen Glaubwürdigkeit der Zeugin - zu Recht abgewiesen: Die Zeugin hat bereits bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung erklärt, in der Hauptverhandlung nicht aussagen zu wollen (S 229, 289 c/I). Dennoch wurde bei der Antragstellung trotz ausdrücklicher Aufforderung kein Anhaltspunkt dafür gegeben, weshalb erwartet werden hätte können, dass die Zeugin nun doch auf ihr Entschlagungsrecht verzichten werde, womit ein bloßer Erkundungsbeweis vorliegt (RIS-Justiz RS0117928; Ratz WK-StPO § 281 Rz 331).

Die Fragenrüge (Z 6) lässt nicht erkennen, weshalb der Schwurgerichtshof durch die Aufnahme qualifizierender Umstände (im Sinn des § 201 Abs 2 erster Satz StGB) in die Hauptfrage nach Vergewaltigung das ihm durch § 317 Abs 2 StGB eingeräumte Ermessen in einer nicht dem Gesetz entsprechenden Weise gehandhabt und solcherart eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt haben sollte und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Der Hinweis auf 12 Os 163/99, EvBl 2000/144, 610, wo der Oberste Gerichtshof das Erfordernis von Eventualfragen (§ 314 StPO) in Richtung versuchten Totschlags, absichtlicher schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzung verneint hatte, bleibt gleichermaßen unklar.

Soweit der Angeklagte weiters das Unterbleiben einer Eventualfrage danach vermisst, ob er „an der Zeugin M***** eine Körperverletzung begangen hat, ohne das Tatbild der versuchten Vergewaltigung begangen zu haben" (BS S 4), fehlt es dem Beschwerdevorbringen entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2, 344 StPO) an einer Bezugnahme auf ein konkretes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung. Die Fragestellung war übrigens auch nicht durch Aussagen Zeugin Sepiyat M***** (vgl ON 22) oder die Verantwortung des Beschwerdeführers Mikail A***** (vgl nur 179/IV, 157y/I) indiziert, der Tathandlungen in Abrede stellte und sogar einen Besuch der Zeugin in seiner Wohnung bestritt.

Ebenso wenig durch ein darauf hinweisendes Tatsachensubstrat substantiiert ist die Kritik am Unterlassen einer Eventualfrage nach versuchter Nötigung.

Der abschließende Hinweis der Fragenrüge, „das Erstgericht" habe „nicht beachtet, dass im Falle der Bejahung des Delikts nach § 201 StGB als ein spezielles Nötigungsdelikt anderen Nötigungsdelikten aufgrund seiner Spezialität vorgeht, und (schwere) Körperverletzungen in der Erfolgsqualifikation des § 201 Abs 2 StGB aufgehen (vgl. nur Wiener Kommentar, § 201, Rz 51)", ist schlechterdings unverständlich. Eine - entfernt denkbare - Subsumtionsrüge (Z 12) des Inhalts, die der Vergewaltigung nachfolgenden - ihrerseits real konkurrierenden - Nötigungshandlungen stünden zu jener im Verhältnis bloß scheinbarer Konkurrenz, hätte darzulegen gehabt, warum der das Verhältnis von Gattung und Art ansprechende, mithin aus logischen Gründen Tateinheit voraussetzende Scheinkonkurrenztypus der Spezialität auch für Tatmehrheit gelten sollte (vgl Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 32).

Die Instruktionsrüge (Z 8) vernachlässigt mit dem Einwand, den Geschworenen sei das Grunddelikt des § 201 Abs 1 StGB und die Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB „als ein einziger Tatbestand dargestellt" worden, wodurch „der Lösung der Tatfrage vorgegriffen" worden sei (BS S 5), sowohl die gesonderte Darstellung in der zum einen das Grunddelikt (§ 201 Abs 1 StGB) und zum anderen die Qualifikation (§ 201 Abs 2 StGB) betreffenden Rechtsbelehung (siehe deren S 12 bis 18) als auch den Hinweis in der schriftlichen Instruktion auf die Zulässigkeit eingeschränkter Fragebeantwortung (S 1 f der Instruktion).

Nicht am gesamten Inhalt der Rechtsbelehrung der Geschworenen ist schließlich jenes Vorbringen orientiert, das eine Instruktion zur „Frage der Konkurrenz zwischen dem Delikt des § 201 Abs 2 StGB und dem Delikt der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB" (BS S 5 f) vermisst. Entgegen der Beschwerde geht aus der Instruktion das Verhältnis echter Konkurrenz der strafbaren Handlungen gar wohl hervor (S 22 der Rechtsbelehrung). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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