JudikaturJustiz13Os10/00

13Os10/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Mai 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Greinert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Altaf Hamed K***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Parmvir Singh R***** und die Berufung des Ali S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. November 1999, GZ 9b E Vr 4488/99-108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Parmvir Sing R***** und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird

I. das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung dieses Angeklagten und gemäß § 290 Abs 1 StPO auch in Ansehung der Angeklagten Altaf Hamed K***** und Ali S*****

1) im Schuldspruch, und zwar

in der Annahme

a) eines 500.000 S übersteigenden Schadens sowie

b) des gewerbsmäßig begangenen schweren Betruges und damit in der Subsumtion der Tat unter §§ 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, demnach

im Ausspruch, dass die strafbare Handlung ein Verbrechen ist,

2) in den Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnungen und

3) im Privatbeteiligtenzuspruch an die Firma E***** GesmbH, aufgehoben und

II. die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

III. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

IV.Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Parmvir Singh R***** und Ali S***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Parmvir Singh R***** die auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch den (rechtskräftig verurteilten) Altaf Hamed K***** betreffenden Urteil wurden Parmvir Singh R***** und Ali S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen (gemeint: gewerbsmäßig schweren) Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben Parmvir Singh R*****, Ali S***** und Altaf Hamed K***** ca Anfang April 1999 in Wien in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und andere unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte und Verfügungsberechtigte der Firma E***** GesmbH durch die Vorspiegelung, ein redlicher Geschäftspartner zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung einer falschen Urkunde, nämlich des auf "Achmed A*****" lautenden und von ihnen mit dessen fingierten Unterschrift versehenen Antragsformulars zu Handlungen, und zwar zur Gewährung von Telefonaten unter Verwendung eines durch die Firma E***** GesmbH zugeteilten Pin-Cods verleitet, und so die Firma E***** GesmbH durch eine große Zahl von Telefonaten, welche von der genannten Firma vermittelt wurden und für welche keinerlei Entgelt bezahlt wurde, am Vermögen geschädigt und zwar

zwischen 13. April und 30. April 1999 in einem Betrag von S 66.838,10 und

zwischen 1. und 17. Mai 1999 in einem Betrag von rund S 1,000.000.

Der aus Z 5, 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Parmvir Singh R***** kommt insoweit Berechtigung zu, als sie die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Wertqualifikation des § 147 Abs 3 StGB als ungenügend bemängelt.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht stellt hiezu (US 26/27) fest, es möge richtig sein, dass die Angeklagten keine Überlegungen zur insgesamt anfallend werdenden konkreten Schadenshöhe anstellten, doch sei aus den Aussagen des Erst- und Zweitangeklagten "auch" ableitbar, dass sie keineswegs darauf vertrauten, dass der Schaden lediglich bis zu einer bestimmten Höhe entstehen werde.

Diese Feststellungen vermögen - auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der selbst geführten und anderen ermöglichten Telefonate die Annahme eines (zumindest bedingten) Vorsatzes zur Schadenshöhe von mehr als 500.000 S nicht zu tragen, weil es an der Konstatierung einer entsprechenden Wissens- und Willenskomponente fehlt; die Ausführungen zur subjektiven Tatseite im Urteil indizieren bloß unbewusste ("keine Überlegungen") bzw bewusste ("vertrauten keineswegs darauf") Fahrlässigkeit zur genannten Schadenshöhe. Zumal nach den weiteren Feststellungen die drei Angeklagten das Ziel verfolgten, "maßvoll" mit dem (erschlichenen) Code umzugehen (US 17) - was dessen Weitergabe betraf - um nicht schon nach kurzer Zeit dessen Sperre zu bewirken.

Zur Verbrechensqualifikation des § 147 Abs 3 StGB liegt sohin ein Feststellungsmangel im Sinn der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vor.

Zudem hat sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde von zum Nachteil des Angeklagten unterlaufener unrichtiger Gesetzesanwendung überzeugt.

Die Urteilsfeststellungen reichen nämlich für die Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung eines (schweren) Betruges nicht aus.

Inhaltlich der Urteilsannahmen verleitete der Angeklagte Angestellte der Firma E***** GesmbH mittels eines einzigen mit einer fingierten Unterschrift versehenen Antragsformulars zur Übersendung eines Pin-Codes und somit zur Gewährung von Telefonaten, wodurch die Firma E***** GesmbH am Vermögen geschädigt wurde, und "alle drei Angeklagten in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei es ihnen sowohl darauf ankam, sich oder einen Dritten durch die Nichtbezahlung der aufgelaufenen Gesprächsgebühren zu bereichern, als auch darauf, Dritten gegen Entgelt ... Gespräche zu ermöglichen ... und dadurch sowohl sich selbst als auch Dritte unrechtmäßig zu bereichern ...".

Weiters stellt das Urteil im Kontext unmissverständlich darauf ab, dass die Vielzahl der Telefonate bzw Pin-Code-Weitergaben hiefür (was ersichtlich auch im Urteilsspruch als "Taten" - US 4 - bezeichnet wird) auf eine einzige im Sinne eines Gesamtvorhabens (mit dem Bestreben, möglichst lange Zeit vom erlisteten Pin-Code profitieren zu können) vorgenommene Täuschungshandlung mittels einer einzigen Falschurkunde beruhten; dass darüber hinausgehend weitere betrügerische Urkundenvorlagen beabsichtigt gewesen wären, wurde nicht festgestellt.

Hiezu ist zu erwägen:

Gewerbsmäßigkeit verlangt die Absicht des Täters, durch die wiederkehrende Tatbegehung (mag diese auch erst einmal erfolgt sein) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar für sich selbst, und zwar unmittelbar aus der Tat oder mittelbar auf dem Umweg über einen Dritten, aber immer als eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat (Jerabek in WK2 § 70 Rz 14, Mayerhofer StGB5 § 70, Rz 1a).

Da aber vorliegend nur einmal eine falsche Urkunde zur Begehung eines Betruges benützt wurde und weitere beabsichtigte betrügerische Angriffe (mit falschen Urkunden) nicht angenommen wurden, können die getroffenen Feststellungen weder die Gewerbsmäßigkeit des noch aus dieser Sicht sogar (§ 147 Abs 1 Z 1 StGB) schweren Betruges stützen.

Dazu ist noch anzumerken, dass für die Annahme eines gewerbsmäßig schweren Betruges (§ 148 zweiter Fall StGB) die Absicht des Täters auf die Begehung zwar nicht ausschließlich, aber doch auf eine wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien gerichtet sein muss (mag auch nicht jedes Betrugsfaktum für sich allein als schwerer Betrug qualifiziert sein). Eine sich nur durch Zusammenrechnung ergebende Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB genügt jedoch nicht, was aber nichts an einer Qualifikation nach § 147 Abs 1 StGB ändert. Zu keiner der beiden Fälle des schweren Betruges (§ 147 Abs 1 Z 1 bzw Abs 2 StGB) findet sich jedoch notwendige Feststellungen zur Annahme der diesbezüglichen Gewerbsmäßigkeit.

Da sohin auch insoweit Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO vorliegt, die sich zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers auswirkt, von diesem jedoch nicht aufgegriffen wurde, ist ein amtswegiges Vorgehen des Obersten Gerichtshofes erforderlich. Damit kann die weitere aus Z 5 vorgetragene Kritik an dem ergangenen Schuldspruch, welche im Übrigen, soweit sie sich auf die Provision des Rechtsmittelwerbers bezieht, keine entscheidende Tatsache betrifft, dahinstehen.

Soweit die Rechtsrüge nach Z 9 lit a unter Hinweis auf die Mängelrüge (Z 5) Feststellungslücken zum Betrugsvorsatz überhaupt behauptet bzw die Konstatierung des Betrugsvorsatzes in Zweifel zu ziehen sucht, missachtet sie die hiezu ohnedies getroffenen (ausreichenden) Urteilsannahmen bzw bekämpft unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung, sodass sie insoweit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt wird.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war demnach in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Parmvir Singh R*****, teils aus Anlass dieser Nichtigkeitbeschwerde nach § 290 Abs 1 StPO, und weil dieselben Gründe auch den beiden deswegen mitverurteilten Angeklagten Altaf Hamed K***** und Ali S***** zustatten kommt, gemäß § 290 Abs 1 StPO hinsichtlich aller drei Angeklagten bereits bei der nichtöffentlichen Beratung im aufgezeigten Ausmaß aufzuheben und insoweit, da die Sache noch nicht spruchreif ist, zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO); die Nichtigkeitsbeschwerde war im Übrigen zurückzuweisen (§ 285d StPO) und die Angeklagten R***** und K***** mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
5
  • RS0086573OGH Rechtssatz

    28. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass es dem Täter bei der Tatbegehung darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; es genügt daher nicht, wenn die Absicht des Täters bloß darauf gerichtet ist, den Vorteil aus der wiederkehrenden Begehung von Taten in Form eines fortlaufenden Mittelzuflusses einem Dritten zuzuwenden; dieser Vorteil muss vielmehr vom Täter für die eigene Person angestrebt werden. Gleichgültig ist dabei allerdings, ob er den Vorteil unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten erlangt, wohl aber ist erforderlich, dass der ihm zugekommene Vorteil eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat ist (EvBl 1980/89, JBl 1980,436, 15 Os 80,81/93, 13 Os 151,154,155/92 ua). Unmittelbare wirtschaftliche Folge ist etwa der wirtschaftliche Mittelzufluss, den der Täter als Gesellschafter eines Unternehmens durch seine Tathandlung für dieses Unternehmen bewirkte (11 Os 172/77 ua), aber auch Zuwendungen, die ein Angestellter aus Anlass der zugunsten seines Unternehmers verübten deliktischen Handlungen erhält, wie etwa Provisionen, Verkaufsprämien, Gehaltserhöhungen, Umsatzbeteiligungen oder Gewinnbeteiligungen oder sonstige Gratifikationen, wobei es nicht auf deren Bezeichnung, sondern auf den wirtschaftlichen Hintergrund ankommt. Strebt hingegen der Täter bloß an, sein Beschäftigungsverhältnis zu sichern, dann entspringt ein derartiger Erfolg wirtschaftlich nicht unmittelbar der Tat.